Ehen werden im H
beginnen, als es dem Monde gelang, einen Augenblick hinter
dem Gewölk hervorzutreteN und den Marktplatz und die beiden
dort befindlichen Wesen in's beste Licht zu setzen.
Wie von einer Natter gestochen, fuhr die Dame, gleich-
sam als ob er eine Geistercrscheinung gesehen, der Herr zurück
und Beide ließen erschreckt ihre Rosentöpfe auf das Straßen-
pflaster niederfallen, daß sie klirrend zerbrachen.
„Cousine, Sie sind es?" stöhnte endlich der Herr
geheime Steueramts - Kanzlist.
„Herr Vetter, Sie sind es?" ächzte die Dame, in der
wir bei dem hellen Mondenschein jetzt gar bald Fräulein
Marianne Kütemeyer erkennen.
Matt ließ sich Herr Schnüpferlich wieder auf seinen
Prellstein nieder und einer Ohnmacht nahe, stützte sich die
Cousine auf den Brunnenrand.
Eine längere Pause entstand, die der Herr geheime
Steueramts-Kanzlist endlich mit der fast gemurmelten Frage
unterbrach: „Sind Sie es denn aber auch wirklich, Cousine?"
„Ich bin's!" hauchte Fräulein Kütemeyer.
„Na, da haben wir uns ja Beide recht nett blamirt,"
seufzte Herr Typhonius Schnüpferlich.
„Blamirt? Ich wüßte nicht wodurch, Herr Vetter!"
fuhr die Dame, ihr Gefühl der Ohnmacht niederkämpfend,
auf. „Daß Sie sich endlich in den Stand der heiligen Ehe
begeben wollen, ist unter allen Umständen ein höchst ver-
nünftiger Entschluß, und daß ich ein solch' reelles Heiraths-
gesuch wie das Ihrige nicht vcrübergehen ließ, daraus ist
mir jedenfalls auch kein Vorwurf zu machen. Daß dasselbe
von Ihnen ausgegangcn, konnte ich nicht ahnen. Hätte ich
dies gewußt, so —"
„So wären Sie sicher nicht gekommen, das glaube ich
Ihnen," unterbrach Herr Schnüpferlich die Rede seiner Cousine.
„O, das wollte ich nicht sagen," siel Fräulein Küte-
meyer rasch ein; „nein, ich meine nur, daß wir uns dann
paßlicher in unserer Wohnung ein Rendezvous hätten geben
können."
Ueberrascht blickte der Herr geheime Steueramts-Kanzlist
auf, und betroffen lautete seine weitere Frage: „Aber, Cou-
sine, noch vorgestern erklärten Sie mir ja so entschieden,
daß Sie lieber in der Meiscgeier'schen Jungfernstiftung als
an meiner Seite Ihre fernere Lebenszeit zubringen wollten,
und nun reden Sie von einem Rendezvous!"
„Nun, Herr Vetter," wandte die Cousine lächelnd ein,
„wir waren vorgestern beide aufgeregt, und da überlegt man
denn nicht immer jeglich' Wort, daS man spricht."
„Hm ja, Cousine," meinte Herr Schnüpferlich auf diese
Rede fast verlegen, „Sie haben Recht, wir waren aufgeregt,
und ich habe mir dabei sogar verschiedene Grobheiten gegen Sie
erlaubt! Na, Sie sagen ja selbst, in der Aufregung überlegt man
nicht jedes Wort, das man spricht. Hübsch war es von mir frei-
lich nicht, um so weniger, da ich nicht ganz im Recht war."
„Nein, Herr Vetter, beschönigen Sie mein Benehmen
nicht," sprach die Cousine auf solche Rede eifrig; „nein, Herr
Vetter, Sie waren vollkommen im Rechstich dagegen entschieden
immel geschlossen. 51
im Unrecht. Wie konnte ich auch nur auf den unglücklichen
Gedanken kommen, Ihr Zimmer scheuern zu lassen, da dies
bei Ihrer großen Ordnung und Sauberkeit gänzlich un-
nöthig war."
„Na ja, Cousine, aber ich durfte deshalb doch nicht so
grob werden."
„Sie waren auch nicht grob, Herr Vetter; nur ein
ganz klein wenig heftig. Aber das ist zu entschuldigen, denn
Gewohnheiten älterer Herren sind stets zu respektiren, und
das hatte ich versäumt. Seien Sie übrigens überzeugt, daß
ich mir gewiß nie wieder einfallen lassen werde — doch was
schwatze ich da," unterbrach sich die Redende traurig, „ich
muß ja fort, soll ja Ihr Haus verlassen."
„Ach, dummes Zeug," polterte Herr Schnüpferlich fast
gerührt, „dummes Zeug, Sie bleiben, das versteht sich ja
jetzt von selbst."
„O, wie gütig," schluchzte die Dame Kütemeyer; „o,
Herr Vetter, das Leben in Ihrem Hause soll Ihnen jetzt
ein wahres Paradies werden; all' das, was Ihnen unan-
genehm und lästig ist, soll sofort entfernt werden. Mimi,
die alte Katze, zuerst!"
„O nein, Cousine, um meinetwillen sollen Sie das
niedliche Thierchen nicht von sich lassen," sprach der Vetter.
„Niedliches Thierchen, Herr Vetter? Schön niedlich!
Das eckelhafte Vieh hat mir gestern Abend wieder zwei
Quart Milch ausgcsoffen! Nein, Mimi muß fort!"
„Na meinetwegen, Cousine, Mimi mag gehen, doch Sic
bleiben; geheirathet wird nicht!"
„Geniren Sie sich um mich deshalb gar nicht, Herr
Vetter! So gern ich bliebe, so möchte ich doch Ihrem Glücke
»immer im Wege stehen!'" meinte die Cousine auf solche
Eröffnung.
„Ach, dummes Zeug, wen sollte ich denn jetzt hci-
rathen?" rief Herr Schnüpferlich.
In diesem Augenblick schien der Mond wieder so recht
klar hernieder, und der Herr geheime Steueramts-Kanzlist
sah, wie Fräulein Kütemeyer ihr Auge verschämt zu Boden
schlug. Er blickte schärfer hin, und so kam es, daß er —
was er, so lange er mit der Cousine unter einem Dache
gewöhnst nimmer gcthan — die ganze Gestalt derselben einer
genaueren Prüfung unterzog. Aber das war ja ein höchst
befriedigendes Resultat, das diese Anschauung bot. Für ihr
Alter sah die Cousine ja noch gut, ja recht gut aus! Diese
frischen Wangen, diese Hellen Augen, das braune Haar, das
runde Kinn mit dem kleinen Grübchen und die ganze Gestalt
mit dem reizenden Ansatz zum Embonpoint machten einen
netten, einen recht netten Eindruck.
Herr Schnüpferlich prüfte immer schärfer, also daß
Fräulein Kütemeyer immer verschämter die 2lugm nieder-
schlug. Dann ging er einige Male auf und nieder, gleichsam
als ob er einen wichtigen Entschluß zu fassen gedenke, den
er denn ja auch endlich gefaßt zu haben schien, da er plötzlich
rasch auf Fräulein Kütemeyer zuschritt, sie wiederum scharf
in's Auge faßte und dann entschieden zu ihr sprach: „Cousine,
7*
beginnen, als es dem Monde gelang, einen Augenblick hinter
dem Gewölk hervorzutreteN und den Marktplatz und die beiden
dort befindlichen Wesen in's beste Licht zu setzen.
Wie von einer Natter gestochen, fuhr die Dame, gleich-
sam als ob er eine Geistercrscheinung gesehen, der Herr zurück
und Beide ließen erschreckt ihre Rosentöpfe auf das Straßen-
pflaster niederfallen, daß sie klirrend zerbrachen.
„Cousine, Sie sind es?" stöhnte endlich der Herr
geheime Steueramts - Kanzlist.
„Herr Vetter, Sie sind es?" ächzte die Dame, in der
wir bei dem hellen Mondenschein jetzt gar bald Fräulein
Marianne Kütemeyer erkennen.
Matt ließ sich Herr Schnüpferlich wieder auf seinen
Prellstein nieder und einer Ohnmacht nahe, stützte sich die
Cousine auf den Brunnenrand.
Eine längere Pause entstand, die der Herr geheime
Steueramts-Kanzlist endlich mit der fast gemurmelten Frage
unterbrach: „Sind Sie es denn aber auch wirklich, Cousine?"
„Ich bin's!" hauchte Fräulein Kütemeyer.
„Na, da haben wir uns ja Beide recht nett blamirt,"
seufzte Herr Typhonius Schnüpferlich.
„Blamirt? Ich wüßte nicht wodurch, Herr Vetter!"
fuhr die Dame, ihr Gefühl der Ohnmacht niederkämpfend,
auf. „Daß Sie sich endlich in den Stand der heiligen Ehe
begeben wollen, ist unter allen Umständen ein höchst ver-
nünftiger Entschluß, und daß ich ein solch' reelles Heiraths-
gesuch wie das Ihrige nicht vcrübergehen ließ, daraus ist
mir jedenfalls auch kein Vorwurf zu machen. Daß dasselbe
von Ihnen ausgegangcn, konnte ich nicht ahnen. Hätte ich
dies gewußt, so —"
„So wären Sie sicher nicht gekommen, das glaube ich
Ihnen," unterbrach Herr Schnüpferlich die Rede seiner Cousine.
„O, das wollte ich nicht sagen," siel Fräulein Küte-
meyer rasch ein; „nein, ich meine nur, daß wir uns dann
paßlicher in unserer Wohnung ein Rendezvous hätten geben
können."
Ueberrascht blickte der Herr geheime Steueramts-Kanzlist
auf, und betroffen lautete seine weitere Frage: „Aber, Cou-
sine, noch vorgestern erklärten Sie mir ja so entschieden,
daß Sie lieber in der Meiscgeier'schen Jungfernstiftung als
an meiner Seite Ihre fernere Lebenszeit zubringen wollten,
und nun reden Sie von einem Rendezvous!"
„Nun, Herr Vetter," wandte die Cousine lächelnd ein,
„wir waren vorgestern beide aufgeregt, und da überlegt man
denn nicht immer jeglich' Wort, daS man spricht."
„Hm ja, Cousine," meinte Herr Schnüpferlich auf diese
Rede fast verlegen, „Sie haben Recht, wir waren aufgeregt,
und ich habe mir dabei sogar verschiedene Grobheiten gegen Sie
erlaubt! Na, Sie sagen ja selbst, in der Aufregung überlegt man
nicht jedes Wort, das man spricht. Hübsch war es von mir frei-
lich nicht, um so weniger, da ich nicht ganz im Recht war."
„Nein, Herr Vetter, beschönigen Sie mein Benehmen
nicht," sprach die Cousine auf solche Rede eifrig; „nein, Herr
Vetter, Sie waren vollkommen im Rechstich dagegen entschieden
immel geschlossen. 51
im Unrecht. Wie konnte ich auch nur auf den unglücklichen
Gedanken kommen, Ihr Zimmer scheuern zu lassen, da dies
bei Ihrer großen Ordnung und Sauberkeit gänzlich un-
nöthig war."
„Na ja, Cousine, aber ich durfte deshalb doch nicht so
grob werden."
„Sie waren auch nicht grob, Herr Vetter; nur ein
ganz klein wenig heftig. Aber das ist zu entschuldigen, denn
Gewohnheiten älterer Herren sind stets zu respektiren, und
das hatte ich versäumt. Seien Sie übrigens überzeugt, daß
ich mir gewiß nie wieder einfallen lassen werde — doch was
schwatze ich da," unterbrach sich die Redende traurig, „ich
muß ja fort, soll ja Ihr Haus verlassen."
„Ach, dummes Zeug," polterte Herr Schnüpferlich fast
gerührt, „dummes Zeug, Sie bleiben, das versteht sich ja
jetzt von selbst."
„O, wie gütig," schluchzte die Dame Kütemeyer; „o,
Herr Vetter, das Leben in Ihrem Hause soll Ihnen jetzt
ein wahres Paradies werden; all' das, was Ihnen unan-
genehm und lästig ist, soll sofort entfernt werden. Mimi,
die alte Katze, zuerst!"
„O nein, Cousine, um meinetwillen sollen Sie das
niedliche Thierchen nicht von sich lassen," sprach der Vetter.
„Niedliches Thierchen, Herr Vetter? Schön niedlich!
Das eckelhafte Vieh hat mir gestern Abend wieder zwei
Quart Milch ausgcsoffen! Nein, Mimi muß fort!"
„Na meinetwegen, Cousine, Mimi mag gehen, doch Sic
bleiben; geheirathet wird nicht!"
„Geniren Sie sich um mich deshalb gar nicht, Herr
Vetter! So gern ich bliebe, so möchte ich doch Ihrem Glücke
»immer im Wege stehen!'" meinte die Cousine auf solche
Eröffnung.
„Ach, dummes Zeug, wen sollte ich denn jetzt hci-
rathen?" rief Herr Schnüpferlich.
In diesem Augenblick schien der Mond wieder so recht
klar hernieder, und der Herr geheime Steueramts-Kanzlist
sah, wie Fräulein Kütemeyer ihr Auge verschämt zu Boden
schlug. Er blickte schärfer hin, und so kam es, daß er —
was er, so lange er mit der Cousine unter einem Dache
gewöhnst nimmer gcthan — die ganze Gestalt derselben einer
genaueren Prüfung unterzog. Aber das war ja ein höchst
befriedigendes Resultat, das diese Anschauung bot. Für ihr
Alter sah die Cousine ja noch gut, ja recht gut aus! Diese
frischen Wangen, diese Hellen Augen, das braune Haar, das
runde Kinn mit dem kleinen Grübchen und die ganze Gestalt
mit dem reizenden Ansatz zum Embonpoint machten einen
netten, einen recht netten Eindruck.
Herr Schnüpferlich prüfte immer schärfer, also daß
Fräulein Kütemeyer immer verschämter die 2lugm nieder-
schlug. Dann ging er einige Male auf und nieder, gleichsam
als ob er einen wichtigen Entschluß zu fassen gedenke, den
er denn ja auch endlich gefaßt zu haben schien, da er plötzlich
rasch auf Fräulein Kütemeyer zuschritt, sie wiederum scharf
in's Auge faßte und dann entschieden zu ihr sprach: „Cousine,
7*