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Die Zwanzig

und da der Morgengang seinen, ohnehin nichts zu wünschen
übrig lassenden Appetit noch gesteigert hatte, kam Brücken-
simi auf den Gedanken, cs müsse ja den Nudeln gleich sein,
ob sie von ihm oder von seinem Soldaten verspeist würden.
So trat er in den „Stern", ließ sich ein „Krügli Braunes"
bringen, that sein Säcklein auf und zog mit innerem Be-
hagen eine der gar schön rösch gebacknen Nudeln, just so
wie er sie am liebsten hatte, hervor, und in dem wohligen
Gefühl, nunmehr wieder Alleinherrscher über sein Leibgericht
zu sein, hob er sogleich die obere Hälfte — Köpfli genannt
— ab und schob sie in seinen ganz dazu qualifizirten
großen Mund. Aber! kripps! krapps! that es darin, und
sein scharfes Gebiß versagte die Dienste. Er zog die Füllung

ungesehen heraus — und auch wir verzichten gern darauf
— und siche da! ein blanker Zwanziger schälte sich daraus
hervor. Ohne sich gerade viel Gedanken darüber zu machen,
wie der da hinein gekommen sein mochte, fühlte er sich glück-
lich, um einen Vierundzwanziger reicher zu sein und in dem
seligen Gefühl darüber, ging er in seinem Thun weiter vor
und zog alsbald zwei Nudeln auf einmal heraus. Mittler-
weile hatte ihm der Sternwirth eine zweite Halbi gebracht
und sah eben mit an, wie beim Abbrechen der Nudeln ein
Zwanziger um den andern zum Vorschein kam. Das ver-
schmitzte Lächeln des Wirthes und seine eigene Jdecn-
Association, so schwach sie auch sonst bestellt war, zündeten
ihm auf einmal ein Licht auf, und ohne auszutrinken, schob
er dem Wirth einen Sechser hin und eilte spornstreichs von
dannen und heim in sein so gastlich mißbrauchtes Haus.

er-Nudeln. 67

Unterwegs greift er wiederholt nach einer Stelle seines
Kopfes, ob da nicht etwa Hörner herauswüchsen, und bei
dieser Berührung fuhr ihm der Gedanke durch denselben, ob
es ihm denn nicht neulich vorgekommen sei, daß der Strumpf
mit Zwanzigern, der neben andern mit ähnlichem Inhalt in
seinem Behälter stand, viel kleiner und weniger stramm ge-
worden sei, als wie er ihn nach der Rückkehr vom Markte
gemacht hatte, denn gezählt hatte er sie nicht. — Unauf-
haltsam schritt er fort; wem er begegnete, den grüßte er
nicht, und wer ihn grüßte, dem dankte er nicht; nur beim
Gang durch den kleinen Wald hatte er „Holz vom Fichten-
stamme" genommen und es in die handgerechteste Form ge-
bracht. Wie er nun in seine Stube trat, da kam ihm
freundlich zwar, doch nicht züchtig, sein Weib entgegen und
frug: „Hast Du ihn getroffen?" — „Ihn Hab' ich nicht
getroffen," ward ihr rasch zur Antwort, „aber Dich, Du
gottvergessnes Weib, will ich treffen, daß Die noch lange der
Zwanziger gedenken wirst." Und er hat sie so getroffen,
daß das Echo davon bis in die Nachbarshäuser drang, aus
welchen bald Nachforschungen über Ursache und Wirkung
cmsiglich eingclcitet wurden, in Folge dessen sich des Ver-
achtenö und Zorns genug erhob*); und da auch der Stern-
wirth von Südlingen nicht reinen Mund hielt, so ward die
saubere Geschichte bald mit noch ärgern Zusätzen allgemein
bekannt, nnd der gar nicht üble Bauernwitz zu Nirlingen
nannte fürder die viel bcrcgtc Speise nicht anders mehr als
Zwanziger-Nudeln.

Sollte daher der arme Misko je wieder nach Nirlingen
inö Quartier kommen, denn auf dem Schlachtfeld in Schleswig-
Holstein ist er gewiß nicht geblieben, so wird er zwar nicht
mehr den Simon Bierländer und sein Weib antreffen, denn
Bierländer hatte sich in Folge des Aergernisses und des
darauf folgenden Foppenö und Spotteus dem Trünke er-
geben, zu dem er vorher schon einige Neigung hatte und war
in Folge dessen in Händel und Schulden gerathen. Sein
Anwesen sollte auf Subhastation verkauft werden. Das
wartete er aber nicht ab, sondern suchte seinen Tod, oder
fand ihn vielleicht iin Rausche, in der an seinem Hause
vorbeifließenden Wörnitz. Sein Weib, von Scham, Reue
und Gewissensbissen gepeinigt, folgte ihm im Tode bald
nach. Sollte aber Misko, wir wiederholen es, wieder auf
dem Zuge gen Schleswig-Holstein ins Schwabenland kom-
men, so kann er doch gleichwohl wieder zum Brückensimi
ins Quartier kommen, denn der Name ist nach Dorfes-Weise
auf dem Hause geblieben; auch Zwanziger-Nudeln wird er
bekommen, aber Nudeln mit Zwanzigern drin ganz gewiß
nicht, auch wenn sie nicht eingezogen worden wären, denn
die Schwabenbäuerinen sind, trotz dieser unrühmlichen Aus-
nahme, freundlich und ehrlich und züchtig allzumal.

*) Esther 1, 18.

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Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Die Zwanziger-Nudeln"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
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Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Gastwirt
Entdeckung <Motiv>
Betrug
Soldat
Spätzle
Münze <Motiv>
Karikatur
Bauer <Motiv>
Gaststätte
Ehefrau
Satirische Zeitschrift
Schleswig-Holsteinische Erhebung
Schwaben <Motiv>

Literaturangabe

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Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 41.1864, Nr. 999, S. 67

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CC0 1.0 Public Domain Dedication
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