Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
130

Die Studenten der schönen Wissenschaften.

In der Mittagsstunde erschien der Ersehnte wieder und
Arnholdine konnte sich nicht verhehlen, daß er, obgleich Russe, doch
ein ganz angenehmer Mensch sei, wie denn auch des Mädchens
gewähltere Kleidung ihn nicht unangenehm zu berühren schien.

Vater Pappenschichter schlief — und die Beiden stiegen
wieder auf den Lagerboden, um Schätze zu suchen.

„Also Sie sind aus Rußland?"

„Ja, aber ich halte mich schon sehr lange in Deutsch-
land auf."

„Da Sie ein Russe sind, heißen Sie wohl auch Alexis?"

„Ganz recht, ich heiße Alexis", bestätigte der Gefragte.

„O Gott, meine Ahnung!" dachte Arnholdine und
seufzte tief.

„Fehlt Ihnen etwas, mein Fräulein?"

„O nein, ich dachte nur in dem Augenblicke an ein Lied."

Oben angekommen theilte sie ihm mit, daß sie bereits
Einiges zurechtgelegt habe, und führte den jungen Russen
in ihr Stübchen, das dieser mit unverkennbarem Staunen
betrachtete. Er dankte herzlich für diese zarte Aufmerksam-
keit und bald waren die Beiden wieder in ihr Gespräch
über die schönen Wissenschaften vertieft, wobei gelegentlich
Arnholdine ihre eigenen Versuche erwähnte. Sofort bat
er, ihm Einiges mitzutheilen, eine Bitte, die das schüch-
terne Mädchen lange verweigerte, aber doch endlich erfüllte.
Sein Urtheil darüber war äußerst günstig; er wurde sogar
von dem einen Gedicht, — „An meinen zukünftigen Bräu-
tigam" — welches sie vor mehreren Jahren gefertigt hatte,
so gerührt, daß er sie inständigst bat, dasselbe ihm selbst
vorzulesen. Erröthend begann das Mädchen, nachdem sie
vorher bemerkt, es sei reines Phantasicbild, wie das bei
Dichtern ja so oft vorkomme:

Mein Herz sehnt sich nach August,

Der seine Freuden theilt;

Mein Herz denkt stets an August,

Weilt dort, wo August weilt.

O Wonne, zu denken an August,

Mein' August denkt an mich;

Mit Allem gehör' ich August,

Ja, August's Braut bin ich.

Hüpf höher, Herz, mein August
Kommt heute noch zu mir —

War' Abend erst, mein August
Säß' dann im Stübchen hier!

„Herrlich! herrlich!" rief der Russe im Uebermaß des
tiefsten Entzückens aus. „Sie sind ein Engel! Verzeihen
Sie; aber ich kann mir nicht helfen, ich muß mich russisch
bei Ihnen bedanken" — und mit diesen Worten küßte er die
sanft Widerstrebende, der dabei so wohl, so weh zu Muthe
ward, daß sic dem kühnen Fremdling nicht gram sein konnte.

Da rief Vater Pappenschichter nach Arnholdinen, kam
dann selbst, und das Mädchen eilte hinab, um ihre glühenden
Wangen mit frischem Brunnenwasser abzukühlen. Die Beiden

schlossen nun ihr Geschäft ab, und der junge Russe schied
mit dem Versprechen, morgen weitere Forschungen anzustellen.

Und er kam wieder, nicht nur morgen und übermorgen,
sondern Tag für Tag in der Mittagsstunde, und jeden Abend
sang Arnholdine:

„— — Sag ihm leise
Mit halbaufgeschlossenem Munde
Wo mich um die heiße Stunde
Sein Gedanke suchen muß."

Freilich der Vater erfuhr jetzt nichts weiter von den
Forschungen des gelehrten Russen, den sogar die Schwüle
des Mittags nicht abhielt auf dem staubigen Lagerboden
Studien anzustellen. Es war die Zeit seines gewöhnlichen
Mittagschläfchens, in dem er sich nicht gerne stören ließ.

Der alte Lagerboden aber, besonders Arnholdinens Studir-
stübchen verwandelte sich jeden Mittag in eine Liebesgrotte,
in der die Beiden — über die schönen Wissenschaften sprachen.
Auch der Russe war höchst poetisch, wie jenes Gedicht in
Heinrich Heine'scher Manier beweist, das er eines schönen
Mittags seiner angebeteten Arnholdine überreichte.

An Dich!

Es glänzen Asiens Perlen,

Es funkelt der Demantstein —

Doch heller leuchten und blitzen
Der Liebsten Aeugelein.

Wie Ebenholz so dunkel
Ist Afrikas Mohrenschaar;

Was ist das aber gegen
Dein rabenschwarzes Haar.

Italiens Alabaster,

Des Nordpols Schnee und Eis
Sind aschgrau anzuschauen —

Dein Teint ist schöner weiß.

Es gibt auf Deinen Wangen
Die Lilie vom Kaukasus
Der rothen Ros' von Persien
Den heißen Liebeskuß.

Westindiens Wohlgerüche
Veracht' ich — Dich mein Stern,

Dich Engel meiner Seele,

Dich riech' ich schon von fern! —

Aber kein irdisch' Glück bleibt ungetrübt. Auch dieser
beiden Seligen Wonne fand geheime Lauscher und Neider,
und der Verräther schlummerte nicht. Was Vater Pappen-
schichtern nicht ausgefallen war, das siel dem Dienstmädchen
auf. Mit weiblichem Scharfsinn kam sie gar bald hinter das
ganze Sachverhältniß und benachrichtigte sofort ihren Schatz
davon, einen in demselben Hause in Arbeit stehenden Tischler-
gesellen. Eines Mittags belauschten denn die Beiden die schöne
Scene, und Christine, der Intrigant dieser Geschichte, dicß
heimtückische Wesen, das außerdem noch an immerwährendem
Bildbeschreibung
Für diese Seite sind hier keine Informationen vorhanden.

Spalte temporär ausblenden
 
Annotationen