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Der Uhrmacher

Margareth, die den Verirrten ohne ein Wort des Vorwurfs
wieder ausnahm.

„Ich hoffe. Du hast Dir die Hörner jetzt abgestoßen,"
war Alles, was sie sprach, indem sie ihm die Hand zur Ver-
söhnung bot.

Aber Mathias war nicht mit versöhnlichen Gefühlen heim-
gekehrt; er arbeitete zwar bei einem neuen Meister, setzte aber
seinen leichtsinnigen Lebenswandel fort und was er des Tags
verdiente, verthat er des Nachts bei Trunk und Spiel im
Kreise leichtsinniger Gefährten. Keine Ermahnung, keine Bitte
der Seinigen brachte ihn von diesem wüsten Leben ab und als
es die Großmutter endlich mit der Strenge versuchte, da lachte
er nur höhnisch auf und rief: „Was ich bin, habt Ihr ver-
schuldet — bin ich ein Lump, so will ich's gleich recht sein!"
Und als sie ihm mit Verstoßen drohte, da schüttelte er drohend
die Faust gegen die ehrwürdige Frau und schrie: „Ja, treibt
wich nur wieder fort — ob ich früher oder spater in's Raspel-
haus komme, das läuft auf Eines hinaus — aber Ihr sollt's
auf dem Gewissen haben!" —

Das hatte der wackern charakterfesten Frau doch einen Stich
in's Herz gegeben; sie vermochte nicht ihre Drohung auszuführen.

Das war der Stand der Dinge zur Zeit, da wir in das
Dachstübchen eintraten und Großmutter und Enkelin bei ihrer
Arbeit belauschten. Schauen wir nun, was sich weiter zutrug.

Die Wanduhr, ein Werk Isaaks, das Brautgeschenk seiner
! verstorbenen Marie, hatte eben mit hellem Schlag die neunte
! Stunde verkündet, da erhob die Alte wieder den Kopf, blickte
über die Brcnngläscr ihrer Brille hinweg nach der Verkünderin
der Stunde und sprach fast erstaunt: „Wahrhaftig! — schon
neun Uhr! — wie die Zeit verstreicht; bringe das Kind zu
Bette und fädle mir die Nadel noch einmal ein, Gertrud, meine
ulten blöden Augen wollen dazu nicht mehr ausreichen!"

„Ja, Großmütterchen," erwiderte Gertrud, indem sie mit
flinken Fingern einen neuen starken Faden durch das Oehr zog,
»aber zum letzten Male — nicht wahr?" setzte sic mit einem
veuen bittenden Blicke hinzu, „wenn der vernäht ist, dann legt
2hr Euch auch zur Ruhe; ich habe meine Stickerei bald vollendet,
dann bleibe ich noch ein Stündchen länger auf und mache die
! Hemden vollends fertig, verlaßt Euch d'rauf, morgen mit dem
frühesten trage ich sie zur Verkäuferin und Geld die Hülle und
^ülle soll dafür in's Haus kommen — bitte, bitte, lieb' Groß-
wiitterchen!" Freundlich lächelte Frau Margareth der Enkelin zu
vnd drohte ihr mit dem Finger: „Du Schalk, willst mich wohl
vertreiben, weil der Isaak jetzt bald nach Hause kömmt, nichts da,
vrcin Kind, ich will ihn auch noch ein wenig haben heute, Deinen
^Wak, ihm wenigstens eine gute Nacht wünschen, dem braven
fleißigen Mann und dann, meinethalben, will ich gehen!"

Erröthcnd und strahlend vom reinsten Glücke umhalste Gertrud
treue Großmutter und drückte einen derben Kuß auf ihre Wange.

„Na, na," scherzte diese weiter, „spare Deine Küsse, mir
blinkt. Du kannst heute noch einige los werden! Wo nur der
Mathias sich Herumtreiben mag," sagte sie plötzlich ernst werdend,
"Gott im Himmel, wenn nur der einmal in sich ginge und
Inders würde!"

von Straßburg.

„Habe Geduld, Großmütterchen, auch mit ihm kann sich's !
noch zum Guten wenden, wenn er nur erst sehen wird, daß sein
zu hoffendes Erbe nicht verloren, sondern meinem Isaak nur
geliehen ist. Ist das gewaltige Werk aber vollendet, so sind
wir ja leicht ini Stande, Alles zurückzuerstatten!"

„Wir?!" scherzte Frau Margareth wieder, „Du hast Dich
ja schon gewaltig in die Zukunft hineingelebt, daß Du per „Wir"
sprichst! — Ich fürchte. Du kannst noch so zehn Jährchen warten, !
bis Du „Wir" sagen kannst — bis dahin wird ja, denk' ich,
die Uhr fertig sein und dann will ich Dir in Gottes Namen
den Kranz aufsctzen, wenn mich unser Herrgott nicht vorher —"
Ein neuer Kuß Gertruds verschloß der lächelnden Alten
den Mund, so daß sie ihren Satz nicht völlig aussprechen konnte. |
„Großmütterchen, wer wird solche Gedanken haben? Ich !
hoffe im Gegentheil, Ihr sollt bald auf meiner Hochzeit ein
Ehrentänzchen machen, denn, wie mir Isaak sagte, reift das Werk
seiner Vollendung entgegen, vielleicht schon in einigen —"

Jetzt unterbrach auch Gertrud ihren Satz, sie lauschte der
Thürc zu, denn auf der Treppe hörte man einen raschen Tritt,
der sich immer mehr und mehr näherte.

„Da ist er," jubelte Gertrud und wandte sich dem Kom-
menden entgegen, der mit einem herzlichen „Grüß' Euch Gott,
bei einander!" die Thüre öffnete und sein entgegen eilendes, lieb-
liches Bräutchen in die Arme schloß.

Der Eingetretcne, eine stattliche breitschulterige Gestalt von
einigen dreißig Jahren, mit großen dunklen Augen, einer hohen,. !
von schwarzen Haaren umfaßten Stirne, ans der einige leichte.
Falten den Denker erkennen ließen, während die geschwärzte
schwielige Hand den Arbeiter verrieth, wandte sich jetzt dem
Bettchen zu, in welchem sein Kind schlummerte und betrachtete
gerührt die lieblichen Züge der Kleinen, die unverkennbare Aehn-
lichkeit mit dem Vater zeigten. Leise berührte er mit den Lip-
pen des Lieblings Stirne, dann wandte er sich mit einem treu-
herzigen „Guten Abend, Mutter," der Alten entgegen und bot
ihr freundlich die Hand.

(Fortsetzung folgt.)

Dir »crhängnißvollc Geis.

Dem Herrn Bahnwärter Tenderle wird eines schönen Tages
ein junger Tenderle geboren. Mutter und Kind befinden sich
wohl, es geht Alles gut, bis zu der Stunde, da die große
Geis des Bahnwärters gemolken werden soll. In der Pause
zwischen zwei Zügen nimmt er den Kübel und geht zur Geis.
Die aber, wie er Anstalten macht, zu melken, wird fuchsteufels-
wild. Sie hat sich einmal in den Kopf gesetzt, nur von der
Frau Bahnwärterin sich melken zu lassen. Er schmeichelt, droht,
schlägt — Alles umsonst. In der Verzweiflung eilt er zu seiner
Frau. „Weißt Du was, Alter?" sagt die endlich, „setz' meine
Haub' auf und zieh' mein' Rock an, so meint die Geis, ich
bin's." Das leuchtet dem Tenderle ein; nach einiger Zeit ge-
lingt es ihm, sich zu costümiren und bei diesem zweiten Besuch.
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