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Der Uhrmacher von Straßburg.

(Fortsetzung.)

„So, komme ich endlich auch an die Reihe?" scherzte die
Alte gutmüthig lächelnd, „na, es ist natürlich, bei Euch jungem
Volke kommen die Alten immer zuletzt! — Na, wie steht's,
Isaak, gute Nachrichten?!"

„Gute, Mütterchen, Gott sei Dank, die besten, die ich
bringen kann — die Uhr ist fertig!" —

„Fertig?!" rief da Frau Margarcth uud fuhr hastig von
ihrem Sitze empor.

„Fertig?!" rief auch Gertrud unvorsichtig laut, so daß
die Kleiuc in ihrem Bettchen erwachte und schreiend nach Mutter
Gertrud verlangte.

„Fertig?!" frugen Beide noch einmal, nachdem sich das
Kind wieder beruhigt hatte.

„Fix und fertig," wiederholte Isaak mit strahlendem Blick,
„und Alles in schönster Ordnung, wie ich's berechnete. Kein
Rad versagt seinen Dienst, kein Zähnchen greift falsch ein, keine
Walze vermag sich schneller oder langsamer zu drehen, als ihr
vorgeschrieben ist — Alles, Alles stimmt auf's Haar!" —

„Gott sei gelobt, daß er mich diesen Tag noch erleben
s ließ!" sprach jetzt Frau Margareth in tiefer Rührung, indem
sie die gefalteten Hände und den frommen Blick zum Himmel
erhob, „nun, Kinder, hat alle Noth ein Ende!"

Gertrud aber schmiegte sich selig an die breite Brust des
geliebten Mannes und keines Wortes fähig weinte sie still. Da
ward auch das Auge des Meisters feucht; sanft hob er Ger-
trudens Antlitz empor und küßte ihr die rollenden Thrünen von
den erglühenden Wangen.

Frau Margareth aber stand glücklich lächelnd dabei und
störte nicht die stumme Sprache der beiden jubelnden Herzen.

Endlich jedoch erhaschte sie die Hände der Liebenden und
rief in ihrer gemüthlichen Weise:

„Lustig, Kinder, lustig! In sechs Wochen tanzt die Groß-
mutter auf Eurer Hochzeit den Ehrentanz!" — — —

Zu derselben Zeit, da die eben geschilderte Scene in bem
| Dachstübchen stattfand, saß das einzige fehlende Glied der
I Familie, Mathias, in einer vor der Stadt gegen den Rhein ge-
! legenen Schenke, die den stolzen Schild „zum deutschen Kaiser"
führte. Weil einmal Karl V, den in der Nähe dieser Kneipe
ein Unfall mit dem Pferde betroffen hatte, genöthigt war, kurze
Zeit daselbst zu rasten, hatte der spekulative Wirth Gelegenheit
ergriffen, seit dieser dem Hause widerfahrenen Ehre obigen Schild
j anzunehmen und zur Versinnbildlichung über der Thüre ein mäch-
tiges, in grellen Farben gemaltes Bild des gewaltigen Fürsten
anzubringen.

Aber die Zeit hatte die einst vergoldete Krone zerstört,

! der herrliche Kaisermantel war verblichen, Scepter und Reichs-
j apfel aus den Händen verschwunden — so stand dieser deutsche
Kaiser als eine ominöse Jammergestalt auf dem Platze, den er
! zieren sollte. Auch das sonstige Aeußere des Hauses contrastirte
j sehr mit seinem pomphaften Titel. Klein uud niedrig, die Fenster
I nur wenige Fuß über der Erde, Dach und Mauerwerk zerfallen,
machte es den Eindruck, als ob es im Begriffe sei, in die Erde
zu versinken. Kein Wunder war es dcßhalb, daß das Volk sich

nicht gewöhnen konnte, den über der Thüre stehenden Repräsen-
tanten der kaiserlichen Macht anzuerkennen und dem Hause den
Namen des Schildes beizulegen; die unheimlichen verdächtig aus-
sehenden Gäste, die hier zuzusprechen pflegten, hatten ihm statt
dessen den etwas weniger glänzenden, aber mehr passenden Namen
„Schnackenloch" gegeben, welche Bezeichnung gegen den Protest
des Wirthes im Volksmunde sich erhielt.

Hier also im „Schnackenloch," in der mit einem unbe-
schreiblichen Dunste gefüllten allgemeinen Wirthsstube treffen wir
den Mathias und zwar in Gesellschaft eines jungen Mannes,
in dem man trotz des verhüllenden Mantels von grobem Stoffe
und des bäuerischen Hutes, der sein Gesicht beschattete, den Vor-
nehmen erkannte. Der Wirth hatte sich durch die grobe Um-
hüllung auch nicht täuschen lassen, mit einem einzigen Blicke hatte
er, als er seiner Gewohnheit gemäß die Eintretenden musterte,
unter dem Hute ein edel geformtes Gesicht van auffallender
Weiße, feine Stulphandschuhe uud unter dem Mantel hervor-
ragend die Zwinge eines Degens sammt den glänzenden Sporen
an den schmucken Stiefeln des Vermummten gesehen und mit
dem, im Geschäfte der Diebshehlerei geschärften, ihm eigenen
Spürsinn richtig geschlossen, daß sein Gast nicht sei, was er
schien. Er hatte den Eintretcnden deßhalb, ahnend, daß „der
Herr Ritter" bei seinem Geschäfte ungestört und unbelauscht zu
sein wünsche, entfernt von den wenigen übrigen Gästen in einer
Ecke einen Platz angewiesen und setzte ihnen sodann eine Flasche
„vom Besseren" vor, nachdem er zuvor mit dem Handballen
den schmutzigen Tisch etwas gesäubert hatte.

„Nun, Junker Zettlitz," begann Mathias, nachdem sich der
Wirth entfernt hatte, „sagt mir endlich, weßhalb Ihr mich hier-
her in diese Spelunke bestellt habt; womit kann ich Euch dienen?"

Der Angeredete schaute sich prüfend um, ob Niemand den
Sprechenden habe hören können uud erwiderte dann mit leiser
Stimme, indem er die beiden Gläser füllte: „Vor allen Dingen
damit, daß Du meinen Namen nicht mehr aussprichst, denn cs
ist mir gerade nicht darum zu thun, hier und in Deiner Ge- :
sellschaft erkannt zu werden!"

„Gut!" antwortete Mathias, indem er eines der Gläser
zum Munde führte und schlau die Augen zukuiff, „aber das
wird's nicht allein sein, was Ihr mir sagen wolltet, nicht wahr?"

„Nein, Bursche; doch man hak mir gesagt, es fehle Dir
bisweilen an Geld?"

„Zum Teufel, Herr, cs fehlte mir bisher nur dann, wenn
ich keines hatte, das heißt immer!"

„Nun wohl — willst Du ein hübsches Sümmchen verdienen?"

„Warum nicht?! Es fragt sich nur, was Ihr dafür von
mir verlangt!"

„Höre," sprach nun Zettlitz, iudcni er einige Dukaten aus
seiner wohlgefüllten Börse hervorholte und vor sich auf den Tisch
legte, „dieß Gold soll Dir gehören und noch weit mehr sollst
Du erhalten, wenn Du mich in meinem Vorhaben unter-
stützen willst!"

Mathias sah mit funkelnden Augen erst auf das Gold,
dann auf den Junker und antwortete hastig:
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