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Der Uhrmacher vo

„Gerne, Junker — vorausgesetzt, daß mein Hals dabei
nicht in Gefahr kommen kann!"

„Nichts weniger als dieß! — Du hast eine Schwester,
die Näherin ist, — nicht wahr?"

Mathias spitzte die Ohren. — „Ja! — Was soll's mit
| Gertrud?"

„Nicht so laut, Bursche, es braucht Niemand durch Dein
! Schreien auf uns aufmerksam zu werden. Ich sah Deine Schwester
! kürzlich in einem Laden, wo sie ihrer Hände Arbeit verkaufte;
i das Mädchen gefiel mir — kurz, ich habe mich, in sie verliebt
j und Du sollst mir nun behilflich sein, daß sie mein Liebchen
wird!" —

Mathias runzelte die Stirne; so leichtsinnig und verkom-
men er auch war, er fühlte doch, in welch' hohem Grade dieß
schmachvolle Anerbieten ihn selbst mit entehrte. Zornröthe stieg
auf in seinem sonst bleichen und abgelebten Gesichte und im Tone
»»geheuchelter Entrüstung ries er, indem er mit geballter Faust
auf den Tisch schlug, daß Teller und Gläser klirrten:

„Wie, Herr, was denkt Ihr von mir?! — Ich soll Euch
die Ehre meiner Schwester verkaufen — um ein paar lumpige
Dukaten?!" _

Zcttlitz war trotz seiner Jugend, er mochte etwa 22 Jahre
zählen, ein großer Menschenkenner; er wußte, daß der Anblick
von Gold auf solche, die keines haben, einen ungemein ver-
führerischen Einfluß übt und das Verlangen, es zu besitzen, in
ihnen erweckt. Er wußte ferner, daß vom Leichtsinn zur Schlechtig-
! (eit nur ein Schritt sei und, auf diesen Erfährungssatz bauend,
halte er schweigend seine Börse wieder hervor, nahm fünf weitere
Dukaten heraus und legte langsam einen nach dem andern zu
den schon auf dein Tische liegenden.

Mathias verfolgte gierigen Blickes die Bewegungen des
- Junkers; die Zornröthe wich allmälig von seinen Wangen, um,

! wie Zettlitz richtig erwartet hatte, dem deutlich lesbaren Aus-
drucke der Habgier Platz zu machen.

Noch immer schweigend, ein Lächeln auf den feinen zu-
sammengekniffenen Lippen, beobachtete seinerseits der Junker
das Gesicht seines Gastes und nahm mit einem Gefühl von Be-
friedigung die in demselben sich kundgebende Veränderung wahr.
k?r war des Erfolges seiner Verführungskunst jetzt sicher.

Aber noch siegte der Rest von Ehrgefühl in Mathias über
die Regungen der Habgier; mit dem Rücken seiner Hand schob
er das blinkende Gold zurück und sagte mit einem letzten Blicke
des Bedauerns auf dasselbe: „Nein, Junker, nehmt Euer Gold
zurück; ich verkaufe meine Schwester nicht!"

Zettlitz war, wie gesagt, ein Kenner der Schwächen mensch-
licher Charaktere, die wie Mathias auf niedriger Stufe der Ge-
j fittung standen. Wie er vorhin verstanden hatte, durch den An-
blick neuer Goldstücke das gierige Verlangen nach ihrem Besitze
Mathias zu erwecken, so zweifelte er jetzt nicht im Geringsten
, daran, daß er durch das Hinzulegen neuer Goldstücke seinen Zweck
diel weniger leicht erreichen, als wenn er das schon Gezeigte
wieder den Blicken des Versuchten entziehen würde. Mit einem
Achselzucken holte er deßhalb seine Börse abermals hervor, doch
j Natt neues Gold daraus hervorzuholen, wie Mathias erwartete,

n Straßburg. 11

sah dieser zu seiner Ueberraschung langsam einen Dukaten nach
dem andern in ihren Falten verschwinden.

„Nun gut," sprach dann der Junker, nachdem er die
wieder völlig gefüllte Börse in seine Tasche versenkt hatte, „ich
werde auch ohne Dich — vielleichl durch eines Andern Hilfe —
zum Ziele gelangen!" —

Mathias starrte seufzend auf die Stelle, wo vorhin noch
das viele schöne Gold gelegen war und erwiderte endlich mit
fast weinerlicher Stimme: „Schlagt Euch das aus dem Sinne,
Junker, — meine Schwester ist Braut!"

„Ei, was liegt denn hieran? — Deßhalb könnte sie doch
mein Liebchen sein!" sagte der Junker mit cynischem Lachen.

Ohne es zu wissen, hatte er damit die rechte Saite in der
Brust des Versuchten angeschlagen. Was seinem Golde noch nicht
gelungen war, das erreichte die durch des Junkers Worte wenn-
gleich noch in weiter Ferne auftanchendc Aussicht auf Rache an
Isaak, den er als den Zerstörer der Wohlhabenheit der Seinigen
und seines eigenen Glückes ansah und den er deßhalb haßte
mit aller Gluth seiner leidenschaftlichen Seele. Ja, dieser Rache
konnte und wollte er die Ehre seiner Schwester aufopfern.

Eine neue Röthe stieg bei diesem Gedanken in des Elenden
Angesicht auf; keuchend hob und senkte sich unter dem fliegenden
Athem seine Brust, als er die Worte hervorstieß:

„Holt Eure Börse nochmals hervor, Junker, und zahlt
Euer Gold wieder auf! — Wie viele waren es doch?!"

„Zehn Dukaten," antwortete Zettlitz, indem er die glän-
zenden Stücke wieder neben einanander auf den Tisch legte.

„Zehn Dukaten," wiederholte Mathias, der jetzt entschlossen
war, den schmählichen Handel einzugehen, „zehn Dukaten nur?
— sollte die Ehre meiner Schwester nicht etwas mehr werth
sein? — Verdoppelt die Summe und ich stehe zu Euren Diensten!"

Zcttlitz griff statt aller Antwort abermals in die Tasche
und zog dießmal ein reich verziertes Notizbuch hervor; rasch
trennte er ein Blatt heraus und schrieb mit flüchtiger Hand
einige Zeilen nieder, die er dann dem überrascht Znschauenden
hinreichte.

Lesen und Schreiben wurde jedoch zu jener Zeit als ein
hoher Grad von Gelehrsamkeit betrachtet, die nur in Klöstern
und unter dem Adel gepflegt wurde. Der gewöhnliche Bürgers-
mann gab sich selten mit diesen „Künsten" ab. Kein Wunder
war es deßhalb, daß auch Mathias das Geschriebene nicht ent-
ziffern konnte. Er gab kopfschüttelnd dem Junker den Zettel
zurück mit der Bitte, ihm das Geschriebene vorznlesen.

Zettlitz willfahrte diesem Ersuchen und las mit halblauter
Stimme die Worte:

„Ich verpflichte mich andurch kraft meiner Unterschrift, dem
Mathias Heberlin die Summe von fünf und zwanzig Dukaten
zu bezahlen an dem Tage, an welchem er ein mir gegebenes
Versprechen erfüllt hat." — Hans von Zettlitz." —
(Fortsetzung folgt.)

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