Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
34

Der Uhrmacher von Straßburg.

umfangen. Aber diese wand sich los und eilte instinktmäßig
gegen das Fenster; doch es war so hoch angebracht, daß sie
cs bei weitem nicht erreichen konnte und zudem vergittert und
von außen mit schweren undurchdringlichen Lüden verschlossen.

Mit Entsetzen machte Gertrud diese neue Entdeckung. Völlig
abgesperrt von der Außenwelt, vermochte sic nicht einmal ihren
Hülferuf einem etwaigen Befreier entgegen zu senden — sie
war und blieb eine Gefangene. Verzweifelnd bei dem Erkennen
dieser ihrer Lage, beschloß sie, vielleicht durch Bitten zu erreichen,
was ihr durch Zorn und Drohungen zu erlangen unmöglich
war. Sie sank auf die Knicc, faltete bebend die Hände über
dem wogenden Busen und richtete flehend die von Thrünen
ubcrströmten Augen auf den Grausamen, der ihr diese entsetze
liehe Angst bereitete.

„O seid barmherzig, Junker," bat sie, „zerstöret nicht
mein ganzes Leben, vernichtet nicht mit kalter Hand das Glück
| eines braven Mannes, der an mich glaubt und auf mich hofft,
wie auf seine Seligkeit! Erbarmet Euch, Junker, laßr mich
von hier gehen und ich schwöre, daß ich Euch die mir zugc-
fügtc Beleidigung verzeihen werde!"

Zettlitz, nichts weniger als ergriffen von dem Anblick der
zu seinen Füßen liegenden rührenden Gestalt, fand sie in ihrem
Schmerze nur noch schöner und begehrenswerther; er schüttelte
den Kochs und sprach: „Es ist mir weniger um Deine Ver-
zeihung, als. um Deine Liebe zu thun!"

„Aber ich liebe Euch ja nicht — kann Euch nicht lieben,
da ja mein Herz schon mit all' seiner Fähigkeit zu lieben au dem
Manne hängt, dem ich mich verlobt unb Treue geschworen habe!"

„So brich Deinen Schwur und — liebe mich, denn nur
um de» Preis, — und Beweis Deiner Liebe öffnet sichk diese
Thür,e!" Blutroth vor Scham bei dieser neuen unerhörten Be-
leidigung schnellte Gertrud empor. Mechanisch ergriff sie einen
der schweren Stühle, die umherstandcu, und drang ihn zum
Schlage hoch erhebend auf den Junker ein. Doch an Kraft
dem schwachen Mädchen weit überlegen, ward cs Zettlitz leicht,

! ihr den Stuhl zu entreißen.

„Ah, wein Kätzchen," rief er dann höhnisch, „warte, ich
j will Dir die Lust zu kratzen abgcwöhncn!" Und mit einem
Satze sprang er auf die Ucberraschte los, preßte sic an seine
Brust und begann ihr Angesicht und Mund mit glühenden
Küssen zu bedecken.

Mit der Angst und Kraft der Verzweiflung wehrte sich
das unglückliche junge Mädchen, doch umsonst versuchte sie sich
aus den sic umschlingenden Armen loszurcißen; schon schwanden
ihre Kräfte — da hörte sie Tritte auf dem Gange — „zu
Hülfe, zu Hülfe!" rief sie mit Aufbietung ihrer letzten Kraft
und — von einem gewaltigen Fußstoße gesprengt, flog die
Thürc auf und auf der Schwelle stand — Isaak.

Hören wir, was sich inzwischen zugctragen hatte und wie
cs Isaak möglich wurde, noch zu rechter Zeit zur Rettung seiner
bedrängten Braut herbeizueilen.

Voll frohen Muthes >var Isaak zur festgesetzten Zeit vor
dem Magistrate erschienen unb hatte seine Forderung im Be-

trage von fünftausend Dukaten gestellt. Erschreckt über die Höhe
dieser Summe beriethen sich Ammeister und Räthe und —
ohne Handeln konnte eben schon damals so wenig wie heute j
ein Geschäft abgeschlossen werden — das Resultat ihres Bc-
rathens war, daß der Ammeister viertausend Dukaten bot. —
Aber Isaak beharrtc fest auf seiner Forderung und erklärte,
Nichts Nachlassen zu wollen; wenn dem hohen Rathc sein
Gebot zu viel sei, so werde man ihm gewiß gerne in einer
andern Stadt des Reiches die geforderte Summe zahlen. —
Wiederum neue Berathung des hochwohlweisen Rathes und Re-
sultat, daß man die Summe zahlen wolle, doch unter der Be- j
dingung, daß der Meister sich verbindlich mache, keine zweite
ähnliche Uhr mehr zu bauen. Aber auch diese Clausel wies
Isaak zurück; er erklärte, daß er im Gegentheile hoffe, noch
manch' ähnliches Werk zu schaffen.

Die Gesichter der Rathsherrn waren bei dieser Erklärung
lang und länger geworden; sie hatten gehofft, im alleinigen
Besitze eines so großartigen Meisterwerkes verbleiben zu können.
Gleichwohl beschlossen sic endlich, die Uhr bedingungslos anzu-
kaufen, „denn," vertrösteten sie sich unter einander, „Meister
Habrccht kann sterben und jedenfalls, bis er im Stande ist, ein
zweites ähnliches Kunstwerk herzustellen, wird mancher Tropfen
Wasser den Rhein hinabfließen!"

Fröhlich und guter Tinge, die Anweisung auf die große
Sunnne Geldes in seiner Tasche, war er sodann hcimgekchrt,
um den Scinigcn die frohe Botschaft zu überbringen. Aber in
höchster Bestürzung traf er hier Frau Margareth; denn wäh-
rend sic sich um das Schicksal ihres Enkels ängstigte, kam dieser
frisch und gesund, doch ziemlich stark betrunken nach Hause und
wollte sich ausschütten vor Lachen, als ihn die Großmutter nach
seinen Verwundungen fragte. Bei ihren weiteren Erkundig- ;
ungen, was es denn mit Ringlers Sendung für eine Bewandt- .
»iß gehabt habe und wohin er mit Gertrud gegangen sei, hatte
Mathias in seiner Trunkenheit keine andere Antwort, als: i
„Ringler — ja so Ringler — ja der ist in Gertrud verliebt
und hat sie vielleicht gar entführt!" — Sonst aber war kein
weiteres Wort aus ihm hcranszubringen und die bestürzte Alte
lvußte nicht, ob Mathias wirklich im Ernst gesprochen habe.

Aergerlich über den höchst unpassenden Scherz, den sich
Ringler offenbar im Einverständnis; mit Mathias erlaubt hatte
— denn noch wollte er an den Ernst von seines Schwagers
Worten nicht glauben — schritt Isaak nach der Kammer des
Mathias, wo er ihn fest cingeschlafen auf seinem Bette fand.
Mit vieler Mühe rüttelte er ihn endlich wach und zum Be-
wußtsein und stellte nun gleichfalls in ernster Weise seine Fragen
nach seiner Braut.

„Deine Braut," antwortete Mathias höhnisch, „damit
hat es gute Wege — damit ist's aus und vorbei!"

Entsetzen faßte den Meister, sein Haar sträubte sich empor
bei dem Gedanken, daß etwas Wahres an der Entführung
Gertruds sein könne. — War dieß aber der Fall, so mußte
Mathias offenbar mehr wissen, als er bisher vcrrathcn hatte.
Rasch entschlossen packte er den Trunkenen am Kragen und
zerrte ihn vom Lager mit dem Rufe: „Bösewicht, gestehe, was
Bildbeschreibung
Für diese Seite sind hier keine Informationen vorhanden.

Spalte temporär ausblenden
 
Annotationen