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Der Uhrmacher von Straßburg.

sucht, mit einem gewaltigen Streiche seines Hammers niedcr-
! geschlagen.

Aehnliche Aussagen machten des Wirthes Frau und.Gesinde.

Der Rath beschloß nun die Aussagen der Gertrud Heberlin
; zu protokolliren.

Tief gebeugt, mit von Gram durchfurchten Zügen erschien
diese vor dem Gerichte und vernahm mit Entrüstung die ihre
Ehre und Isaaks Person bloßstellcnde Schilderung des Wirthcs.'
Mit stolzem Freimuthe erzählte sie dann von ihrem Verhältnisse
! zu dem schuldlos Angeklagten, von dem Verrathe ihres Bruders
und der schmählichen List des Junkers, der es gelungen sei, sie
in jenes verrufene Wirthshaus zu locken, schilderte dann mit
beredten Worten ihre Angst und Roth, als sie sich mit dem
Junker allein befand und ihre endliche Errettung durch ihren
Verlobten, der lediglich zu seiner Selbstvertheidigung den ver-
hängnißvollen Schlag mit dem Hammer gethan habe.

Mit Aufmerksamkeit folgte der Gerichtshof, namentlich die
| dem Bürgerstande ungehörigen Glieder desselben, der lebendigen,

I den Stempel der Wahrheit tragenden Erzählung des schönen
j Mädchens. Unverkennbar hatten ihre Schilderungen Eindruck auf
! die Männer gemacht, die berufen waren, den geliebten Mann
! zu richten, doch jetzt schwebte erst auf dem Munde des Ammei-
sters ein ungläubiges Lächelu, dann ging es über auf den Mund
der Stettmeister und schließlich schüttelten bürgerliche wie adlige
Richter zweifelnd die Köpfe. Mit Entsetzen bemerkte Gertrud,
daß der gute Eindruck, den sie durch ihre Erzählung hervor-
gebracht hatte, durch das Benehmen des Ammeisters vollständig
verwischt wurde.

Der Rath beschloß nun Mathias zu vernehmen.

Dieser erzählte mit der unerschämtesten Frechheit, daß seine
Schwester zwar die Verlobte Isaaks gewesen sei, doch da dieser
die Familie durch seine kostspieligen Arbeiten an den Bettelstab
gebracht habe, so sei Gertrud schon seit längerer Zeit hinter
Isaaks Rücken ein Liebesverhältniß mit dem reichen Junker von
Zettlitz eingegangen, um nicht mit der Großmutter Hungers
sterben zu müssen, denn von dem, was ihr der freigebige Junker
geschenkt, habe die ganze Familie — ihn allein ausgenommen
— gelebt. Die ihn betreffenden Angaben seiner Schwester er-
klärte er für ein Märchen, ersonnen, um die nun offenkundig
gewordene Schmach ihres unlauteren Verhältnisses zu dem Er-
mordeten zu verdecken. Der deutlichste Beweis für die Wahr-
! heit seiner Angaben liege darin, daß Gertrud — wie sic selbst
nicht läugnen könne — nicht nur ohne Widerstreben, sondern
ganz gerne mit Zettlitz zu dem eine Viertelstunde entfernten
Wirthshause geschritten sei. Es gehe daraus hervor, daß sie
solche Wege nicht zum ersten Male gegangen. Durch einen Zu-
fall aber habe Isaak von diesem „unschuldigen Spaziergange"
Wind bekommen und in seiner blinden Eifersucht und Wuth
habe er den Wehrlosen erschlagen.

Mathias schwieg. Da nickte leise wie zustimmend der Am-
meister und — es nickten die Stettmeister und übrigen Räthe
mit Ueberzeugungstreue.

Auch Frau Margareth wurde vernommen. Sie gab mit
von Kummer erstickter Stimme, doch mit der an ihr gewohnten

Energie dieselben Erklärungen ab, wie Gertrud. Doch schon
so weit war die Ansicht der Richter gegen Isaak und die Seinigen
gekehrt, daß der erste Stettmeister unter dem Bcifallslächcln
sämmtlicher Räthe äußern konnte, Frau Heberlin habe ihre mit
ihrer Enkelin verabredeten Angaben gut cinstudirt.

Die Gegenüberstellung beider Frauen mit Mathias hatte
keinen anderen Erfolg, denn die Fluth von Vorwürfen und Ver- !
wünschungcn Beider, ja selbst der Fluch der ehrwürdigen alten
Frau, den sie auf das Haupt des Ehrlosen herabschleuderte,
prallten ab an der ehernen Stirne des Verstockten. Mit kaltem
Lächeln erkürte er dieß feindselige Benehmen als aus dem Grunde
veranlaßt, daß er die begangenen Gemeinheiten nicht verheim-
licht, sondern der Wahrheit und Pflicht gemäß dargestellt habe.

Zu diesem Stadium war Isaaks Prozeß gediehen, als er
selbst endlich aus seinem Kerker geführt ward vor ein Gericht,
das ihn verurtheilte noch bevor es ihn gesehen oder gehört
hatte, denn Jeder der ungerechten Richter hatte schon vorher
in seinem Innern den Untergang des Meisters beschlossen. Hier-
durch war ja zudem allein die Gefahr zu vermeiden, daß Isaak
auch für eine andere Stadt ein Kunstwerk erschaffe, wie es Straß- j
bürg allein besitzen wollte.

Ungebeugt von dem schweren Unglück, das auf ihm lastete,
und ungebrochen von der langen furchtbaren Kerkerhaft stand
der starke Mann vor seinen Richtern und vertheidigte sich gegen
das ihm angemuthcte Verbrechen des vorsätzlichen feigen Mordes.
Alle seine Angaben stimmten mit denen der beiden Frauen über-
ein; keinen Umstand verschwieg er und endlich zog er zur Be-
kräftigung seiner Worte den sorgfältig bewahrten Zettel, die
Verschreibung des Junkers Zettlitz, hervor und legte ihn zur
Prüfung in die Hände des Gerichts.

Sichtlich überrascht bei dieser neuen Wendung, welche die
Untersuchung durch diesen mächtigen stummen Zeugen zu nehmen
schien, besichtigten die Räthe den Zettel von allen Seiten und
reichten ihn endlich dem anwesenden Kläger mit der Frage, ob
die Schrift von seinem verstorbenen Sohne herrühre.

Sei cs nun, daß die in etwas aufgeregter Stimmung
flüchtig hingeworfeuc Schrift der gewöhnlichen Handschrift des
verstorbenen Junkers wirklich nicht vollständig gleich, sei cs, daß
die mit dem Stifte geschriebenen Charaktere etwas verwischt und
dadurch den Augen des alten Vaters fremd vorkamcn oder sei
es endlich, daß der Freiherr befürchtete, durch das Anerkennen
der Schrift könne der Mörder seines Sohnes vielleicht der
rächenden Strafe entgehen — wer vermöchte den wirklichen
Grund anzugeben? — genug der alte Zettlitz gab die Erklärung
ab, die Schrift scheine ihm nicht von der Hand seines Sohnes
herzurühren.

Beifällig nickten wieder Ammeister, Stettmeister und Richter
nach der Reihe. Doch um alle. Zweifel völlig schwinden zu .
machen, beschloß man Mathias vorführen zu lassen, um zu
prüfen, welchen Eindruck der Zettel auf ihn mache.

Doch Mathias war schlau und besaß viel Geistesgegen-
wart; nicht im Mindesten bestürzt erschien er, als man ihm
den Zettel vorlegte, er frug vielmehr völlig unbefangen, was
| er damit solle.
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