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Aus dem Tagebuch

wenn mir nur im entscheidenden Moment der Name meines
Wirthes eingefallen wäre. Hätte meine ewige Seligkeit davon
abgehangen, ich hätte in dem Augenblick, als mich der Inquirent
aufforderte, jenen Rainen zu neunen, damit der Betreffende be-
hufs Feststellung meiner Persönlichkeit sofort zur Stelle geschafft
würde — ich hätte dennoch. jene Zauberformel nicht in meinem
Gedüchtniß zusammengefunden. Natürlich schwand unter diesen
Umständen dem Kommissär der letzte Funke des Glaubens an
meine Aussagen und er weigerte sich entschieden, den Manu,
welchen ich als meinen Wirth bis zur photographischen Aehn-
j lichkeit beschrieben hatte, noch zu so später Stunde (es war
! mittlerweile 12 Uhr geworden) aus dem Bette zu holen. Nicht
! meinem ärgsten Feinde — und das bin ich unstreitig selbst —
will ich eine solche Nacht, voll von Gewissens- und anderen
Bissen, im gezwungen-innigen Verkehr mit solchem Lumpenpack
wünschen.

Doch endlich dämmerte der Morgen durch die trübe», ver-
gitterten Fenster; es schallten Schritte durch den Korridor; die
Thiire knarrte, ich wurde — Dank der rührenden Sorgfalt,
welche die Regierung selbst für ihre unwürdigen Kinder hegt
— nebst den übrigen fünf oder sechs Schächern, zwar nicht
an's Kreuz geschlagen, wohl aber von einem handfesten Schließer
rasirt (was den Annehmlichkeiten des Kreuzigeus kaum etwas
nachgab) und schließlich ivieder in das Verhörzimmer gebracht.
Auf mein wiederholtes dringendes Ansuchen wird mein Wirth,
sein Name war mir während der Nacht eingefallen, citirt; nach
zehn bangen Minuten öffnet sich die Thiire und sofort
.erkennt der Gastfreund von Corinth
die Züge, die ihm theuer sind!"

Wenn schon dieser Ausgang von dem Polizei-Kommissär
kaum geahnt worden, so entließ er mich auf das Zeugniß des
wirthlichen Biedermanns hin sofort — allerdings nicht ohne
eine leutselige Verwarnung.

„Ich lebe noch, ich wag' es, noch zu leben -
Stürzt dieses Dach nicht sein Gewicht auf mich herab?!"
ruft Jemand in irgend einer Schiller'schen Tragödie, jeden-
falls aber lange nicht mit dem Rechte, als ich nach dem gestri-
gen Leidenstage cs Hütte rufen können! Noch schwanke ich,
ob es überhaupt räthlich ist, die conventivnellen Verbrechen,
ivelche ich mir gestern habe zu Schulden kommen lassen, auf-
zuzeichnen und solchergestalt meine Zerstreutheit gar noch an die
große Glocke zu hängen! — Aber — ja! Möge erstens die
fürchterliche Erinnerung an meine Schandthaten, die mir beim
Niederschreiben derselben unbedingt kommen muß, eine Straf-
verschärfung für mich sein und möge sie zweitens für jeden
Sterblichen, auch wenn er zur Zeit mit dem Laster des geistigen
Zerfahrenseins noch nicht behaftet ist, eine Warnungstafel bilden.

Also ad rem; ich hatte es bisher vermieden, auf den
Blättern dieses Tagebuches von meinen Herzensangelegenheiten
zu sprechen, und zwar aus dem einfachen Grunde, weil ich bis
ckuto keine derlei Affairen hatte.

„Wie alt sind Sie?" fragte mich mit einem ungläubigen
Lächeln ein Löioe der Gesellschaft.

eines Zerstreuten.

„Siebennndzwanzig, mein Herr —

„Und Sie wollen einem Kenner, wie ich es bin, aufbin-
den, daß Sie — ach gehen Sie, Verehrtester, und bringen Sie
Ihre Späße bei anderen Leuten an."

„Aber, ich versichere Sie —"

„Hahaha! Lächerlich — 27 Jahre und noch kein Ver-
hältnis; gehabt! Mehr als lächerlich — geradezu unmöglich!

— Ich," führt der Kenner fort, „ich kann mich durchaus nicht
rühmen, in dieser Beziehung schon das Höchste erreicht zu haben;
aber so viel versichere ich Sie: meine erste Liaison knüpfte ich
in meinem eilsten Jahre an — das erste Duell hatte ich im
dreizehnten; — als ich sechszehn zählte, vergifteten sich zwei
Schwestern gegenseitig meinetwegen aus Eifersucht (ich kann
Ihnen übrigens zur Beruhigung mittheilen, daß Beide gerettet
wurden, da sie sich in der Eile vergriffen und statt Laudanum (

— Ricinusöl genommen hatten!) — und in meinem sieben- j
zehnten Jahre trat ich dem „Verein junggesellenhafter Weiber- |
feinde aus Ueberdruß" als Ehrenmitglied bei."

(Schluß folgt.)

Gegen Zahnweh.

„Wenn Du Zahnweh hast, so nimm ein Glas frisches
reines Brunnenwasser, tauche Dein Bürstchen dreimal nach
einander in dasselbe und reibe dann den wehen Zahn so lange,
bis — das Zahnweh vorüber ist. Probatum est.“
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Gegen Zahnweh"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

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Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

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Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Mann <Motiv>
Zahnschmerz
Schmerz <Motiv>
Trinkglas
Zahnbürste
Persönlicher Rat
Waschschüssel
Hausmittel
Karikatur
Wasser
Spiegel <Motiv>
Satirische Zeitschrift
Thema/Bildinhalt (normiert)
Kopfbinde <Motiv>

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Künstler/Urheber (GND)
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Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 55.1871, Nr. 1366, S. 91
 
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