Fliegende Blätter (55.1871 (Nr. 1355-1380))

tue

Grrichtsvrrhandlung.

In einem der souveränen Bisthümer Hutten sich i„ einigen
Oberümtern gegen das Ende des vorigen Jahrhunderts die
Prozesse unter den Bauern so sehr vermehrt, daß seine bischöf-
liche Gnaden auf allerunterthänigste Anzeige sich genöthigt sahen,
um diesem Hebel einigermaßen zu steuern, einen eigenen Spezial-
commissär abzuschicken, um wo möglich dieselben auf gütliche
Weise zu vergleichen. Dieser Spezialeommissär, ein angesehener
Adeliger und bischöflicher Hofmann, an einem Oberamte ein-
getroffen beginnt und vollendet sein Commissorium mit den vor-
gerufenen Parteien in nachfolgender Weise.

Commissär: „Seine bischöfliche Gnaden haben mit gro-
ßem Bedauern Euere unchristliche Streitsucht vernommen und
mir aufgetragen, Euch auf das Allerstrengste zu ermahnen, Euch
zu vergleichen."

(Die Bauern stecken die Köpfe zusammen, sprechen still; endlich
treten einige Wenige auf mit der Erklärung, sich zu vergleichen,
und werden hiezu in das Amtszimmer gewiesen.)
Commissär (mit erhobener Stimme zu den klebrigen):
„Also, Ihr wollt Euch nicht vergleichen! Ich sage Euch aber, !
wenn Ihr Euch nicht vergleicht, so bin ich von seiner bischöf-
lichen Gnaden, Eurem gnädigen Landesherrn, bevollmächtigt,
hierüber ein Protokoll aufnehmen zu lassen. Bedenkt Euch;
ein Protokoll!"

> Erschrocken über die drohende Protokollsaufnahme melde» sich
wieder einige Parteien zum Vergleich und treten in das Amts-
zimmer über.) _ |

Commissär (mit strenger Miene zu den Uebrigen): „Also
Ihr bleibt halsstarrig und fürchtet Euch nicht vor einem ge-
richtlichen Protokoll — einem gerichtlich commissarisch auf-
genommenen Protokoll!"

(Hierauf erklärt sich wieder eine Anzahl zum Vergleiche und
geht ab.)

Commissär (mit gesteigerter Stimnie

): „So, Seine bi-

schöflichen Gnaden haben mir befohlen, das besagte Protokoll
sehr ausführlich mit Eurem Aamen und Ltand niederschreibeu
zu lassen. Gut. Das Protokoll wird also geschrieben und
von Jedem von Euch mit eigener Hand unterzeichnet. Versteht
Ihr mich, das Protokoll wird — unterschrieben!"

(Wieder tritt eine Anzahl geängstet von dem angedrohten geschrie-
benen Protokoll zum Vergleiche ab.)

Commissär <mit großer Kälte und drohendem Blicke):
„Gut, Ihr wollt also nicht im Guten dem christlichen Beispiel
der Uebrigeti folgen. Ich sage blos einfach noch: das Pro-
tokoll wird an seine bischöflichen Gnaden eingesendet; «mit ge-
steigerter Stimme): das Protokoll wird — eingesendet! Herr
Aktuar schreiben Sie!"

(Bis auf einige Wenige erklären sich die noch Vorhandenen zum
Vergleiche und treten ab.)

Commissär (die Wenigen niitleidig anblickend): „Also,
Ihr wollt Euch nicht vergleichen, das Protokoll aufnehmen,
schreiben, unterzeichnen und es auf die Einsendung au-
kommenlassen? Wißt Ihr, was geschehen wird? Ihr erhaltet eine
Resolution. Ich sage nicht mehr als, es kömmt auf das Pro-
tokoll — eine Resolution; so laßt es darauf aukommen!"

„Nein? wir wollen dieses nicht auf uns ankommen lassen.
Auch wir vergleichen uns."

Gebe Gott, es ginge heut' zu Tag auch noch so.