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106

Das Eendez-vous.

Die Augen Jenny's blickten stier auf das Billet, dann
betrachteten sie noch einmal die Adresse.

Es war kein Zweifel, diese Zeilen galten ihrem Gatten,
er war ihr — untreu!

Ganz recht, gestern Abend war er nicht ausgegangen, an
den Tagen vorher dagegen hatte er die Abende draußen ver-
bracht. Sagte er nicht, er habe einigen Freunden versprochen,
ein Stündchen in die Weinschenke zu kommen, und das Ver-
sprechen müsse er halten, wenn er nicht den Vorwurf auf sich
laden wolle, daß er unter dem Pantoffel stehe?

O, cs war schändlich, abscheulich — schon in den Flitter-
wochen betrog er sie! Was sollte das später geben?

Das durfte sie nicht so geduldig hinnehmen; wenn er eine
Andere liebte, nun, so mußten die Fesseln wieder gelöst werden,
oder — nein, mit dem Gedanken, daß sie jetzt auch thun und
lassen dürfe, was sie wolle, konnte sie sich nicht befreunden, so
süß auch der Gedanke an die Rache war.

In leidenschaftlicher Aufregung wanderte sie auf dem Tep-
pich auf uud ab, der Brief lag neben dem Kochbuch und der
Papagei in dem großen Messingbauer am Fenster schrie unauf-
hörlich sein: „Guten Morgen, Jenny — süße Jenny — Pap-
chen will Zucker haben!"

Sonst hatte sie an jedem Morgen ein halbes Stündchen
dem klugen Vogel gewidmet, den Oskar abgcrichtct und ihr ge-
schenkt hatte, heute beachtete sie ihn nicht, und Papchcn begann
ernstlich böse zu werden über diese ungewohnte Vernachlässigung.

„Der dumme Vogel!" sagte die junge Frau endlich, indem
sie eine Decke über ihn warf.

In demselben Augenblick trat Oskar ein; mit heiterem
Lächeln näherte er sich seinem Weibchen, aber das Lächeln ver-
schwand von seinen Lippen, als er ihr in das zornglühendc
Antlitz blickte.

„Um Gotteswillen, was ist vorgcfallen?" fragte er be-
stürzt. „Hat der Vogel Dich geärgert?"

• „Er macht mich nervös."

„Liebes Kind, Du hast doch sonst —"

„Ich will, daß er hinausgeschafft wird!" unterbrach Jenny
ihn eigensinnig.

Oskar schüttelte den Kopf und nahm die Decke hinweg.

„Armes Papchen," sagte er, „sei lieb —"

„Süße Jenny!"

„Das dumme Thier!" schmollte die junge Frau, die
Oberlippe trotzig aufwerfend.

„Guten Morgen, Jenny!"

„Daß Du auf dem Blocksberge wärest!"

„Papchen will Zucker haben!"

„Warte, Papchen, ich werde Dir ein Stückchen geben,"
sagte Oskar, abermals den Kopf schüttelnd. „Liebes Kind, wie
kannst Du nur dem Thiere zürnen?"

„Natürlich, Dir ist er au's Herz gewachsen, Dir —"

„Aber, mein Gott, diese ungestüme Heftigkeit, was ist
den» vorgefallen? Heute Morgen warst Du noch so heiter."

Die junge Frau lachte, aber es war ein krampfhaftes
Lachen, welches ihrem Gatten den Schweiß auf die Stirne trieb.

„Ich soll wohl noch heiter bleiben, wenn ich den Beweis
erhalte, daß Du mich hintergchst und betrügst?" fragte sie mit
gepreßter Stimme. „Ich soll schweigen, gar darüber lachen !
und —"

„Daß ich Dich betrüge?"

„Deine Verlegenheit ist der beste Beweis! O, es ist !
schändlich, nie ist eine Frau so abscheulich betrogen worden,
aber ich schweige nicht, hörst Du, ich schweige nicht."

„Ja, das höre ich," erwiderte Oskar betroffen, „sei doch
nicht gleich so heftig, hier muß ein Mißverstündniß —"

„Das sagen die Männer Alle, wenn sie ertappt werden,
aber ich lasse mich nicht betrügen, mag es biegen oder brechen,
ich kann entsagen, wenn es sein muß, ich kann das Opfer
bringen!"

„Das begreife, wer kann!" sagte der junge Mann rath-
los. „Entsagen — Opfer — Betrug!"

„Es frappirt Dich, daß Du schon so rasch entlarvt bist,"
fuhr Jenny fort, „Du hättest gestern Abend auch Deine Freunde
besuchen sollen, ein Versprechen muß man halten!"

„Dieser Spott —"

„Süße Jenny!"

„Schaff' den Vogel hinaus!"

„Kind, so sei doch ruhig!"

„Aber ich will nicht ruhig sein, ich kann es nicht sein!" !

Erst jetzt siel der Blick Oskars auf den Brief; ahnend,

daß er hier den Schlüssel des Rüthsels finden werde, hob er j

ihn auf. Er las die Zeilen, schüttelte den Kopf und lachte dann !
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Das Rendez-vous"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Wut
Wohnzimmer
Ehepaar <Motiv>
Vögel <Motiv>
Missverständnis
Karikatur
Papageien
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 55.1871, Nr. 1368, S. 106
 
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