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Das Kondez-vous.

„Ich möchte Dich sehen, wenn ich einen solchen Brief erhielte!"
„Ich würde ihn in's Feuer werfen."

„Oder auch nicht!"

„Süße Jenny!"

Oskar zuckte die Achseln.

„Mit Euch kann man über solche Dinge nicht streiten,"
cntgegncte er unwillig, „Ihr behaltet stets das letzte Wort."

„Und das ärgert Euch, weil Ihr es gerne haben möchtet.
Wcßhalb ist Deine Wange so roth?"

„Meine Wange?"

„Sich nur in den Spiegel, Du niüßtcst die Röthe doch
fühlen können."

Oskar trat vor den Spiegel, es gährte und kochte in seinem
Innern, er hatte den Lakai erwürgen können, wenn er nur zur
Stelle gewesen wäre.

„Es ist nichts," sagte er so unbefangen wie möglich, „ich
kann keine auffallende Röthe entdecken."

„Weil Tu sie nicht sehen willst."

Betroffen wandte Oskar sich um; so zornig hatten die
Augen seines schönen Weibchens ihn noch nie angeschaut, wie
sic es jetzt thaten.

„Ich weiß nicht, was Du willst," versetzte er, „Du scheinst
es darauf abgesehen zu haben, mir einen Beweis zu geben —"

„Machen wir der Komödie ein Ende," fiel Jenny ihm
in's Wort, indem sie sich hastig erhob, „es ist schon so weit ge-
kommen, daß Du Dir von der Person eine Ohrfeige geben läßt!"

„Jenny!"

„Leugne nicht, ich habe es gesehen, einen solchen Mann
kann ich nicht achten, und wo keine Achtung ist, da ist auch
keine Liebe."

Einen Augenblick stand Oskar stumm vor Bestürzung, eine
flammende Röthe übcrgoß sein Antlitz.

„Wenn Du das gesehen hast, so wirst Du auch gesehen

l haben, daß es ein Mann war, der sich an mir vergriff, ehe
ich es ahnen konnte," sagte er mit bebender Stimme.

„Ein Mann?" lachte Jenny. „O, wie schlau!"

„Ja, ein Lakai!"

„Wirklich?"

„Liebes Kind, ich bitte Dich —"

„Ich bin Dein liebes Kind nicht, gib den Titel Anderen,
die gerechteren Anspruch darauf haben."

„Nun ist es zu toll!" rief der junge Mann, der nicht
länger an sich halten konnte, „Du hast gesehen, daß der Lakai,
mit dem ich in Wortwechsel kam —"

Der Eintritt des Stubenmädchens nöthigte ihn, abzubrechen.

Das Mädchen brachte einen Brief, der dieselbe Adresse
trug, wie der des vergangenen Tages. Verwirrt, überrascht be-
trachtete Oskar lange die Adresse, dann öffnete er ihn hastig.

„Wird wohl eine Entschuldigung und Abbitte wegen der
Ohrfeige sein," spottete Jenny.

„Guten Morgen, Jenny!"

„Ich hoffe, er wird das Räthsel lösen," erwiderte Oskar.

„Für mich ist cs kein Räthsel."

„Weil Du nur zu gerne an meine Schuld glaubst!"

„Weil Deine Schuld bewiesen ist."

„Wo sind die Beweise?"

„Auf Deiner Wange!"

„Süße Jenny!"

„Halt den Schnabel, dummer Vogel!" rief Oskar wüthcnd.

„Papchen will Zucker!"

„Armes Thier, Du bist allein treu," sagte Jenny, indem
sie dem Vogel Zucker gab.

„Das ist wirklich zu toll!" rief Oskar, den Brief auf
den Tisch werfend, wenn ich nur wüßte, wer mir diesen schänd-
lichen Streich spielt!"

Jenny nahm den Brief auf.

„Ich habe Dir auch gchstern Widder vcrgehbcns erwähltet,"
las sic, „wenn Du heute nicht kohmst, hüte Dir vor meiner
Rahche. Söhnst mit treuer Lihbe. Oder soll ich mit Madahmc
einmahl sprechen? Ich fürchte ihr nicht. H."

„Da steht es ja deutlich genug," sagte die junge Frau
zornig, „mit mir will, sie sprechen? Sie droht Dir mit der
Veröffentlichung des zarten Geheimnisses!"

Oskär ging, die Hände auf dem Rücken gekreuzt, mit großen :
Schritten auf und ab, um seiner Erregung Herr zu werden.

„Es ist ein abscheulicher Streich," knirschte er, „wenn ich !
den Schuft entdecke, dann —"

„Bemühe Dich nicht," unterbrach Jenny ihn spottend, „es
wird Dir nicht gelingen, mich zu überzeugen."

„Du glaubst mir also nicht?"

„Ich möchte die Frau sehen, die es thäte!"

„Dann bedaure ich —"

„O, es ist ganz unnöthig, das Band kann ja wieder ge-
trennt werden. Unter den obwaltenden Umständen ist es das
Beste, ich werde zu meinen Eltern znrückkehren und Du kannst
Deine Abende der Person widmen, ohne Vorwürfe von meiner
Seite befürchten zu müssen."
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Das Rendez-vous"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Mann <Motiv>
Ehepaar <Motiv>
Geste <Motiv>
Ehefrau <Motiv>
Karikatur
Ehekonflikt
Frau <Motiv>
Ehemann <Motiv>
Spiegel <Motiv>
Satirische Zeitschrift
Thema/Bildinhalt (normiert)
Ohrfeige

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 55.1871, Nr. 1369, S. 114
 
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