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Das Bendez-vous.

Die junge Frau hatte das in sehr energischem Tone ge-
sagt und es lag eine so trotzige Entschlossenheit in ihrem Blick,
daß Oskar die Aufrichtigkeit ihrer Worte nicht bezweifeln konnte.

Er protestirte ebenso energisch gegen die Anklage, die sich
ja nur auf Scheinbeweise stützte, aber sein Protest hatte kein
anderes Resultat, als daß er ans den Lippen des schönen Weibchens
ein Lächeln der Geringschätzung hervorrief.

Eine Stunde später verließ Jenny das Haus. Sie eilte
zu ihrer Mutter, um dieser würdigen Dame ihren Schmerz und
Kummer auzuvertrauen.

Aber diese war eine sehr verständige Frau, die kein Ur-
theil füllte, ehe sic für die Schuld des Angeklagten vollgiltige
Beweise erhalten hatte.

Sie zeigte sich freilich sehr entrüstet über den Betrug ihres
Schwiegersohnes, rieth aber ihrer Tochter, nicht zu schnell den
Gatten zu verdammen, ein entscheidender Schritt sei rasch gc-
thau, nachher könne keine Reue ihn rückgängig machen.

Jenny kehrte ihrer Mutter zu Liebe, und um ihrem Gatten
zu beweisen, daß sie höchst ungern ihre Drohung ausführe, noch
einmal in ihre Wohnung zurück.

Das Stubenmädchen sollte sie am Abend begleiten, sie
wollte eine Zeugin haben, um den Ungetreuen schlagend über-
führen zu können.

Daß Oskar hiugehen würde, bezweifelte sie nicht, er mußte
ja, wenn er nicht den Zorn der betreffenden „Person" auf's
Aeußerste reizen und sie nöthigen wollte, seiner Gattin den
schändlichen Betrug zu offenbaren.

Oskar aber dachte mehr au die erhaltene Ohrfeige, als an
das Rendezvous.

Er wollte schon dcßhalb die Ecke wieder aufsuchen, um
den unverschämten Lakai zu züchtigen, der so verwegen gewesen
war, sich an ihm zu vergreifen.

In seinen Mantel gehüllt und mit einem Stock bewaffnet,
erwartete er hinter einem Mauervorsprung seinen Gegner.

Er sah sich in seiner Erwartung nicht betrogen; der Lakai
kam, ein lustiges Marschlied pfeifend, die Hände in den Taschen
seiner Beinkleider.

So schritt er an dem Harrenden vorbei, ohne ihn zu be-
merken. Aber in demselben Augenblicke psisf der Stock durch
die Luft und hageldicht fielen die Streiche auf den Rücken des
Lakai's nieder.

Warte, Du infamer Schlingel, ich will Dich lehren!"
knirschte Oskar, unermüdlich den Stock schwingend, „Respekt
sollst Du haben, Himmelhund! Wer ist Dein Herr? Heraus
mit der Sprache, Schlingel, ich will wissen, wer Dein Herr ist!"

Diese Sprache schien dem Lakai zn imponiren, er nahm
die Prügel geduldig, als etwas Gewohntes hin, und machte
nicht einmal den Versuch, die Flucht zu ergreifen.

„Wer sind denn Sie?" fragte er, eifrig bestrebt, den
Hieben auszuweichen.

„Schurke, was kümmert es Dich!"

„Mehr, wie Sie glauben."

„So, da wäre ich neugierig."

„Lassen Sie den Stock ruhen!"

„Nein, nein —"

„Dann werde ich auch meine Fäuste gebrauchen. Sind
Sie denn nicht hier, um ein junges Mädchen zu erwarten?"

„Freilich."

„Und zwar meine Geliebte?"

„Narr, was geht mich Deine Geliebte an?"

„Ja, wer sind Sie denn eigentlich?"

„Himmel, es ist mein Heinrich!" rief eine weibliche Stimme
in diesem Augenblick, und zum großen Erstaunen Oskar's trat
sein Stubenmädchen zwischen ihn und seinen Gegner.

Der Lakai warf sich stolz in die Brust.

„Mein Herr, wer Sie auch sein mögen," sagteer, „erklären
Sie mir der Wahrheit gemäß, ob Sie diese junge Dame er- ,
wartet haben."'

„Nein."

„Es ist ja mein Herr!" flüsterte das Mädchen.

„Dein Herr?" fragte der Lakai bestürzt. „Na, da bin
ich schön angekommen."

„Also Deinetwegen habe ich mich mit diesem Burschen
herumbalgen müssen?" nahm Oskar zornig das Wort. „Das
sind mir saubere Geschichten!"

„Na, hören Sic, ich weiß noch immer nicht, ob Sie es
nicht absichtlich gethan haben," versetzte der Lakai erbittert, „Sic
wußten ja, daß ich hier mit ihr zusammentreffen wollte!"

„Ich wußte es, Schlingel?"

„Weßhalb wären Sie sonst hierhergekommen? Sie haben
meine Briefe erbrochen —"

„Deine Briefe?" >

„Ja, gestern und heute. Sie haben sie gelesen und da
wollten Sie das Rendezvous verhindern!"

Jetzt ging dem jungen Manne ein riesengroßes Licht auf. j

„Also Du hast die Briefe geschrieben?" fragte er, erleichtert ,
aufathmend. „Weßhalb waren sie an mich adressirt? Weßhalb !
trugen sie keine Unterschrift?"

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Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Das Rendez-vous"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Schneider, Hermann
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Mann <Motiv>
Rendezvous
Straßenbeleuchtung
Schlägerei
Missverständnis
Karikatur
Verabredung
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 55.1871, Nr. 1369, S. 115
 
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