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Die Weihnachtsglocken.

1(52

Fackel eines Krieges, der ein Menschenalter hindurch seine Schreck-
nisse immer weiter verbreitete, zahlreiche Städte und Klöster in
Böhmen und weit über dessen Grenzen hinaus in Schutt und
Asche legte und ungezählte Opfer dahinrasftc, dem in Konstanz
Verbrannten zu fürchterlicher Sühne.

In den ersten Jahren dieses Krieges waren die gegen
Mitternacht gelegene» Gauen Böhmens, nnd vornehmlich die jen-
seits des Gebirges, verschont geblieben von den Drangsalen dieser
blutigen Zeit. Nur die Kunde all des Erschrecklichen war hin-
übergedrnngcn und hatte die Herzen mit Furcht und Abscheu
erfüllt, denn an den Bergen hin, hüben und drüben, wo deutsche
Abstammung und Sprache herrschte, waren die Bewohner der
Kirche treu geblieben und hörten nur mit frommem Entsetzen
von all der neuen Ketzerei und ihrem siegreichen Umsichgreifen.
Dem heiligen Vater und seinen Cardinälen aber verursachte die-
selbe picht nündcr schwüle Stunden; dem gräulichen Abfall mußte
gesteuert werden, und als das wirksamste Mittel für solche Schä-
den (ui früheren Jahren vielfach erprobt) wurde allenthalben
in deutschen Landen das Kreuz gepredigt zur Kriegsfahrt wider
die ketzerischen Böhmen. Diese aber, von dem Feldherrngeiste
Ziska'S geführt, schlugen ein Kreuzheer nach dem anderen in
wilde Flucht, erfüllten alle Länder Europa'» mit dem Rufe
ihrer Unbesiegbarkeit und brachen, über die Gebirge ziehend, zur
Vergeltung des erlittenen Angriffes in die Nachbarländer ein.
Mit ihren Schaaren und Wagenburgen durchzogen die Taboritcn
nnd Horebitcn und wie sie sich sonst iioch nannten (Namen,
deren Klang in fernen Städten und Dörfern ein banges Grausen
hervorrief) ringst die Gauen, Schrecken nnd Entsetzen vor ihnen
her, Brandstätten, Schutthaufen und Lcichcnhngel der Erschlagenen
hinter ihnen, bis sic, vollauf mit Beute beladen, von dem sieg-
reichen Hccrcszug hcimkchrten. Da empfanden denn auch der
Sechsstädte Land und Leute all' des Krieges Gräuel und Drang-
sal in reichem Maße. In den langen Kriegsjahrcn war den
Verwilderten jene religiöse Gluth, welche anfangs die Böhmen
begeisterte, abhanden gekommen, der Krieg war zum Handwerk
geworden und bestand nur noch in immer wiederholten Raub-
zügen; zumal seitdem die adligen Herren, welche drüben auf
den zahlreichen Berggipfeln in ihren festen Häusern saßen, der
Hussitcn Partei ergriffen, um unter solchem Banner den alten
Groll und Ingrimm an den Städten auszulasscu, den sie seit
langer Zeit im Herzen trugen, ob deren wachsender Macht.

Seit im Jahre (420 die erste Taboritenschaar über das
, Gebirge gezogen, liefe, entsetzliche Spuren der Verwüstung zu-
rücklassend, war kaum ein Jahr dahingegangcn, in welchem nicht
neue Schwärme Schreck und Gräuel, Brand und Verheerung
in die bebenden Gauen getragen, und Albrechtsdorf, hart an
den Bergen gelegen, hatte des Krieges Roth und Elend in
furchtbarer Weise fühlen müssen. Denn je mannhafter die be-
uachbartc Stadt hinter ihren Mauerwändcn sich der Feinde er-
wehrte,. je höher sich der Leichenhaufen der vergeblich stürmen-
den Feinde vor den unbezwnngeneu Mauern und Thoren anf-
thürmte, je erfolgloser sie das Kloster, mitten im öden Gcbirgs-
j thal auf dem hohen Felskcgel erbaut, mit ihren Brandpfcilen
beschossen, um desto ingrimmiger fielen die Feinde dann über

die ungeschützten offenen Dörfer her, und Albrechtsdorf, das
dem Kloster zu eigen war, mußte den Zorn und raubgierigen
Grimm der Hussiten um so maßloser empfinden.

Da lohten die Hütten und Höfe der Schutzlosen in hellen
Flammen auf, in Schaaren wurde das Vieh hinweggetriebcn
und wenige Stunden vernichteten, was Fleiß und rastlose Mühe
in langen Jahren erworben. Und wenn, nach Abzug der wüsten
Horden, die Geflüchteten furchtsam und scheu aus den Felsen-
schluchten im Walde zurückkchrten, die aller Orten in den Bergen
sich hinzogen, manch' tief versteckten Schlupfwinkel den Geäng-
steten bietend, dann starrte die klägliche Verödung der Brand-
stätten die Verzweifelten an, und die Rauchwolke, welche lang-
sam und trüge aus der schwebenden Gluth unter dem Aschen-
haufen emporstieg, verkündete ihnen, wie Hab und Gut ver-
nichtet und Alles dahin sei, was sic besessen.

Was aber blieb den Beraubten und Verarmten übrig,
als, in der Hoffnung, künftig verschont zu bleiben vor neuen
Verwüstungen und Drangsalen, die niedergcbrunnten Hütten
wieder aufzubauen und die verwüsteten Felder auf's Neue zu
bestellen. Und so gruben und schaufelten sie dann rastlos mit
starren müden Blicken stumpfer Verzweiflung in dem Schutt,
sammelten, was etwa von Eisen und Erz des Feuers Gluth
widerstanden, reinigten den Platz und bauten neue Hütten, um
im folgenden Jahre (und oft währte es nicht einmal so lange)
auf's Neue verscheucht durch den Schreckensruf: „Tie Böhmen
kommen!" lvicdcr hinanszuflüchtcn in die Felscnschluchten im
Walde. Ziveimal schon in jenen dreizehn Jahren, die seit dem
ersten Einfall der Hussitcn unter unaufhörlicher Sorge und Angst
dahingezogen waren, hatten nach hastiger Flucht mit der werth-
vollsten Habe die schüchtern Zurückkehrenden ihre Häuser nieder-
gebrannt gefunden, noch öfter ivar ihnen das Vieh von der
Weide geraubt worden; denn seit die Herren drüben unter der
Hussiten Fahne getreten, war der Feind ganz nahe, und die
Gefahr da, che es sich die Geängstigten versahen.

So war das Jahr 1433 herangekommen, nnd zu all'
dem Elend und der Roth, die Menschen so überreich und er-
finderisch ihren Nebenmenschen bereiten können, war in diesem
Jahre neue Noth und Drangsal hinzugctreten, die nicht in des
Menschen Hand liegt. .

Frühzeitig hatte die Lcnzessonne von den Gefilden den
letzten Schnee hinwcggczehrt, bald nach Lichtmeß bedeckten die
grünen Sprossen der Wintersaat die Felder, und die Herzen
freuten sich des frühzeitigen Lenzes, und die üppig aufkeimendc
Saat versprach den Hoffnungsvollen eine reiche Ernte. Als
aber Tag für Tag an dem dunkelblauen Himmel die Sonne
aufsticg und mit unsäglicher Gluth des Mittags über den Fluren
stand, als einen Tag wie den anderen der Himmel unbewölkt
und in erschrecklicher Klarheit, als wäre er ehern, auf die Ge-
filde niederschautc, da versiegte tief hinab in den Boden des
Winters Feuchtigkeit, nnd die Halme auf dem Felde, das Gras
der Wiesen wurden falb und welk. Die Tage kamen und gingen
und wurden zu Wochen; wie sehnsuchtsvoll und verlangend aber
immer das Auge der mehr und mehr Geängstigten umherschaute
an des Himmels Rand, ob denn nirgendwo eine rcgcnvcrhcißendc
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