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Die Weihnachtsglocken.

wollte er von jener Stätte fliehen. Da begann das Glocken-
geläut, und auch ihm ward der Ton der Glocken zur Stimme,
die zu ihm redete in vernehmlichen Worten: „Franz! Franz!
wohin? Dort drüben liegt Einer in Todesnoth und Todesangst!
i Dn kannst ihn retten. Seine Seele ist auf Deinem Haupt!

* Bedenke, was Du thust!"

Aber auch der Jager wußte dieser Stimme zu antworten:
„Ist cs nicht mein ärgster Feind? Will er mich nicht verderben?
Wenn ihn Gott hinabgeslürzt hat in's Unglück, um mich zu
retten, soll ich's vereiteln? Wenn ich ihn hcrausziehe, geht er
und bringt mich um all mein Lebensglück!"

„Franz, Franz!" riefen die Glocken wieder, „um Dein
Lcbensglück? Was wird Dein Lebcusglück sein mit solcher Schuld
aus Deinem Gewissen? Keines Menschen Mund wird Dich
vielleicht anklagen, wenn sie ihn finden werden, eine Leiche.

! Aber in Deinem Innern wird ein Ankläger sein, und der wird
nicht schweigen Dein Leben lang! Und wenn Dn nun Förster
wirst, und Küthe Dein Weib, wird nicht all' Deines Lebens
Zeit etwas in Deiner Seele sein, was Du Deinem Weibe nim-
mer offenbaren möchtest! Oder möchtest Du es wagen, ihr zu
erzählen: ich fand ihn, ich hörte sein Hülferufcn, aber ich ging
hinweg und ließ ihn verschmachten!"

Der Jäger stand still, er hatte die Faust geballt, er war
! zornig wider die. mahnende Stimme der Glocken, aber er mußte
aus sie hören.

„Wird nicht diese Stimme, die Stimme der Glocken,"
so klang cs weiter, „fortan, so oft Du sie hörst, Dich an die
Schuld dieser Stunde mahnen, und wenn Du alt und grau
geworden und stehst am heiligen Abend mitten im Wald, und
die Glocken erheben ihren Ruf, wird der böse, finstere Schatten
nicht auf Deine Seele fallen, der Schatten, den diese Stunde
auf Dein Glück, Dein Leben und Deine Ruhe wirst für alle,
alle Zeit?" Franz stampfte mit dem Fuß. „Gott im Himmel!"
rief er, „es ist Unsinn! aber ich kann nicht anders! sie rufen
zu laut, zu laut! Ich thue mir selbst den größten Schaden,

I aber ich kann nicht anders, ich will ihm hcraushelfen!" Und
stracks kehrte er um, seinen Entschluß nuszuführen.

Klaus hatte nach unsäglich schwerem bitterem Kampfe sich
wiederum in das Unvermeidliche ergeben und saß in dumpfem
! Hinbrüten — da fiel abermals der Schimmer eines Lichtes in
! jene Finstcrniß, und abermals wogte die Hoffnung auf und

> mitten in ihr war die Angst nochmaliger Enttäuschung und
wiederholten Kampfes. „Franz Zcpdcl, bist Du cs?" fragte
er zaghaft.

Und die Antwort klang hernieder: „Ich bin es, ich will
! Dich heraufholen!"

„Franz, erbarme Dich, Du sollst cs nicht bereuen, ich

> werde Dir's nicht vergessen", erwiderte die Stimme unten.

Des Jägers Fackel leuchtete in die Grube; d'rauf steckte
Franz die brennende Fackel in den Schnee, denselben ringsum
j feststampfeud, daß sie einen Halt fand; er legte sich aus den
Boden am Rand der Grube und laugte tief herab mit dem
Arm. „Nun, fass' an, fest!" rief er herab, und als er seine
! Hand umklammert fühlte, zog er und hob, und endlich war der

Gefangene aus der Grube. Er trug die Spuren der schreck- !
lichcn Stunden an sich, wohin die blutenden Finger gegriffen,
im Gesicht, auf dem Pelz, überall batten sic Blutflecken hinter- >
lassen. Als Klaus im Schein der Fackel seine Hände beschaute, j
erschient er: „Ich Hab' von alledem nichts gefühlt und gemerkt
in der Todesangst!" sagte er dumpf. „Und nun, Franz, ihn' i
mir die Liebe au und geleite mich heim, ich mag keinen Schritt
allein gehen, so steckt der Schreck' und die Angst in meine»
Gliedern!" Franz willfahrte gern. Schweigend schritten sie durch
den Wald und kamen im Torfe an. Tie Leute waren alle
schon schlafen gegangen, obschon es noch nicht spät am Abend
war; galt cs doch morgen mitten in der Nacht aufzustcheu zum
Kirchgang. Auch im Kretscham schlief schon Alles. Franz pochte
die Schlafenden heraus. Justine stieß einen Schreckcnsschrei aus,
als sie Klaus erblickte. „Jesus Maria! Erbrichter! was ist ge-
schehen?" In kurzen Worten wurde ihr das Nöthigstc mitge-
thcilt. Klaus verlangte zu Bett. Ter Jäger geleitete ihn nach
der Kammer und half ihm beim Auskleiden. „Und nun lass'
Dir von Justinen eine warme Biersuppe machen," sagte er, als !
sich der Erschöpfte gelegt hatte. „Thnc das, Justine, und bring'
ein paar Lappen und Salbe und verbinde mir die Hände, sie
fangen an, recht weh zu thuu!" sagte Klaus und fügte hinzu:
„Bleibe hier, Franz, bis die Justine wiedcrkommt!"

'Als diese gegangen, das Verlangte zu besorgen, fuhr der
Erbrichtcr fort: „Franz, such' doch dort, in meiner Tasche muß j
ein Schlüssel stecken. Hast Tn ihn? Nun schließe einmal da die
Truhe auf und bring' mir die Papiere, die drinnen liegen!"
Als Franz seinem Begehr entsprochen, ließ er sich die Papiere
auf seinem Bett der Reihe nach vorlcgc». „Siebst Tn, das
sind Schuldbriefe," sagte er, „wenn ich 'was übrig hatte au
Geld, Hab' ich's in die Stadt gcthan zu dem Jude» Lazarus
und dem reichen Hosfmaun. Hier sind drei, jeder zu hundert Gul-
den. Tie nimm Du; die sollen Deine Aussteuer sein zur Hoch-
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Die Weihnachtsglocken"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Barth, Ferdinand
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Mann <Motiv>
Gebirge <Motiv>
Böhmen
Frömmigkeit
Jäger <Motiv>
Glocke
Karikatur
Weihnachten
Abgrund <Motiv>
Notlage
Gefahr <Motiv>
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 55.1871, Nr. 1380, S. 202
 
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