Fliegende Blätter (55.1871 (Nr. 1355-1380))

Ländliche Logik.

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Ein müder Wanderer hält Rast
Vor einer ländlichen Schenke:

„Lieb' Frau, ich bin kein hungriger Gast,
Macht' blas ein braves Getränke."

Tic Wirthin brachte her den Wein,

Ihr braunes Aug' erglänzte.

Sie lächelte gar hold und fein,

Als sie den Trunk kredenzte.

Er aber blickt' in Kümmerniß,

Und wischte den Mund mit Trauer:

„O Wirthin, wie ist Dein Lächeln süß,
Und doch Dein Wein so sauer!"

Sie aber sprach: „Es thul mir leid,

Glaubt mir, nichts ist gewisser,

Doch wenn ich auch saure Gesichter schneid',
Wird der Wein davon doch nicht süßer."

Craffus.

Guter Rath

Jedweder Ruderschlag ist ein Gebet
In Sturm und Roth! —

Durch massig Händcfalten, zaghaft Wimmern
Kannst Angst und Tod
Du nicht verscheuchen — nur Gefahr ver-
schlimmern.

Arbeite, ringe mit der besten Kraft,

Im schivankcn Schiff —

Das Steuer faß', die Bahn kühn überschaue,
Bleib' fern dem Dliff,

Verzage nie, und Deinem Gott vertraue!

Charlie £ _

Moderne Musikstücke oder: Leicht,
schwer und am schwersten.

Leicht ist die Dutzendwaare componirt,
Schwer wird sie von den Fingern einstudirt,
Denn an dem dünnen Kerne hängt als Schwanz
Ein schwieriger Passagen-Firlefanz.

Am schwersten aber, das kann ich beschwören,
Fällt's Einem: die Misere anzuhören.

Au die Materialisten.

Ich habe nun die erste Position,

Von Eurer Lehre angenommen:

„Der Geist ist eine Eigenschaft des Leibes."
Bin weiter schließend dann zur Eonclusion
Ganz folgerichtig hingekommcn:

„Der Mann ist eine Eigenschaft des Weibes."

Toleranz.

„Liebe Mama, Onkel Karl und Tante
Louise küssen sich aber oft! — „Ei nun, die
sind ja jetzt Mann und Frau, da dürfen sie
sich küssen." — „Aber warum klißt Dich denn
der Papa gar nicht, der ist doch auch Dein
Mann?" — „Papa küßt nicht gern, mein
Kind." — „O doch, liebe Mama; erst gestern
habe ich gesehen, ivic er die Gouvernante ge-