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Der alte Mandl.

alters die ersprießlichsten Dienste in der Politik leistete, wie er
denn auch im inneren Kreise der bayerischen Landesverwaltung
und beim Hofhaushalte segensvoll wirkte. Mandl stand bei seinem
Fürsten hoch in Ehren. Maximilian nannte ihn nur seinen Mann.

Jetzt wieder, wie schon so oft, hatte Mandl sich in Staats-
Geschäften am Wiener Hofe mehrere Monate aufgchalten. Be-
stimmungen des westphälischen Friedens waren dort zum Aus-
trage zu bringe» und Mandl hatte auf's Neue zur Zufrieden-
heit Bayerns und Oesterreichs seine große Begabung gezeigt.
Nun sollte der Kammerpräsident nach München erfolggekrönt
heimkehren, wo Maximilians Dank seiner harrte.

Umgeben von seinen Großen und Ministern erwartete der
Kaiser den bayerischen Bevollmächtigten. Mandl erschien. Znm
Befremden des Monarchen und des Hofes trug der Bayer — eine
kräftige, gedrungene Gestalt, noch ungebeugt, obschon mehr als
sechzig Jahre über seinen silberweißen Scheitel dahingczogen, —
heute nicht jene Elastizität zur Schau, jene Heiterkeit, welche
gewöhnlich sein großes blaues Auge strahlend, seine aufrichtigen
Züge jugendlich erscheinen ließen. Umflort von Wehmuth war
heute Mandl's Blick; wie gebrochen von Gram schritt der Greis
durch die Reihen der Höflinge zum Throne vor. Und indem er
sich vor der Majestät auf ein Knie niedcrließ, hielt er ein mit
schwarzem Wachsinsiegel behangenes Schreiben dem Kaiser ent-
gegen und sprach mit zitternder Stimme:

„Genehmigen Eure Kaiserliche Majestät als meinen letzten
Dienst hier zu Wien die Ucberreichung dieses Schreibens; es
kömmt aus München und enthält eine schlimme Mär'!"

Ferdinand nahm das Schreiben, öffnete es, überslog's und
sprach bestürzt: „Vernehmt, Ihr Herren, eine Trauerkunde!

Unser geliebter Vetter, Churfürst Maximilian von Bayern, ist
todt, todt mein Jugendfreund, der Schirm und Held Germa-
nicns! O welch' ein Verlust für das Reich, welch' ein Schmerz
für Uns, die wir den großen Fürsten so warm geliebt! —
Freiherr Johann von Mandl, an Ihnen ist es nun, das Wohl
Bayerns zu wahren! Noch ein minderjähriger Knabe ist der
Nachfolger Maximilians, Ferdinand Maria, dessen Mutter uns
dieses Trauerschreiben sendet! Nöthig ist dem Jünglinge ein
treuer Rnthgeber, ein Mentor. Nöthig ist dem ganzen deutschen
Reiche ein starker Bayernfürst. Daß Ferdinand Maria ein sol-
cher werde, dafür sollen Sie sorgen, Freiherr von Mandl!
In Unserem Antwortschreiben nach München werden Wir Ihrer
gar ehrenvoll erwähnen. Empfangen Sie in dieser Abschieds-
stunde als Zeichen Unserer kaiserlichen Gnade dieß Angedenken!"

Und Ferdinand nahm von einem Sammtkissen, welches
Edelknaben darreichten, eine kostbare goldene Kette und hing sie
um Mandls Nacken. An der Kette glänzte des Kaisers Bild.

„Seien Sie", so sprach der Monarch, indem er Mandl
die Hand bot, welcher sie ehrerbietig an die Lippen führte,
„was Sie Maximilian gewesen, nun auch dem jungen Ferdi-
nand: sein Mann!"

Elf Jahre sind seit jener Audienz verflossen. Der Schau-
platz ist verändert, auch Vieles verändert in den Dingen.-

„Unversöhnlich also? Besinnen Sie sich, Baron! Ihr

Sohn hat gemacht schon öfters Avancen meiner Tochter Eleonora
und meine Tochter empfindet große Affection für Signore Si-
gismondo. Geben Sie Ihr Jawort, Baron!"

„Was, mein Sohn und so eine stolze Italienerin? Sigis-
mund ist ganz einverstanden mit mir; er will Ihre Tochter
nicht!"

„Aber die Allerhöchsten Personen wünschten mir schon zu
gratuliren."

„Herr, ich sag's Ihnen frei heraus, Ihre Spekulation
wird Ihnen nicht durchgehen! Ich weiß, mein Sohn ist zur
Churfürstin gerufen — wird aber nicht anbeißcn! Um Sic
aus Ihren Schulden durch meines Sohnes Lebensglück zu reißen,
ihn einer — einer Hofdame zu opfern, dazu .Hab' ich mein
ererbtes und mein verdientes Vermögen nicht so fest zusam-
mengehalten! Nun wissen Sie meine Meinung, ich red' gern
deutsch heraus."

„Sind das Ihre letzten Worte? Wenn es Sic nur nicht eines
Tages gereut — —!" murmelte der Zudringliche und wandte
sich hastig znm Gehen.

„Fürcht' mich nit!" entgegnete der Erstcre, welcher beim
plötzlichen Meilen des Anderen ihm ruhig nachblicktc und ein
gutmüthig sarkastisches Lächeln nicht unterdrückte.

Es bildeten diese Reden das Ende eines erregten Zwie-
gespräches, welches um die zehnte Morgenstunde eines Märztages
des Jahres 1662 in einem der Korridore der chursürstlichen
Residenz zu München zwei Herren führten: der Hofmarschall

der Gemahlin Ferdinand Maria's, der Churfürstin Adelheid von
Savoyen, Gras Luigi di Sommaruga, und der alte Freiherr
Johann von Mandl, Herr auf Deutenhofen, Churfürstlicher
Durchlaucht Kammerpräsident, geheimer Rath und Propst des
bayerischen Lehenhofes. Die beiden Männer waren hier auf
ihren gewohnten täglichen Morgenwcgcn zusammengckommen.
Nun die Unterredung beendigt, wandte sich Jeder, wohin er zu
gehen hatte: Sommaruga zu den Gemächern Adelheids von Sa-
voyen, um seinen Dienst zu beginnen, der greise Präsident zu
den Zimmern des Churfürsten Ferdinand Maria.

Noch war Mandl Vortragender Rath wie zu Zeiten Ma-
ximilians, doch war sein Einfluß geringer geworden. Zu seinem
Schmerze mußte der alte Mandl gar oft sehen, wie dem Ver-
gnügen des Hofes die Noth des Volkes nachstand. Auch hatte
er es erlebt, daß ihm das Hofhaushalt-Departemcnt, welches er
zu Maximilians Zeiten nebst seinen anderen Stellen verwaltet
hatte, „in Gnaden wegen seiner ohnehin großen Uebcrhäufnng
mit Geschäften und vorgerückten Alters halber" abgenommen
und dem mit Adelheid nach München gekommenen savoyischcn
Grafen Sommaruga übertragen wurde, einem überschuldeten
Manne, der mit echt welscher Keckheit die Vermählung seiner
Tochter mit dem Einzigen der Söhne Mandls anstrebte, welcher
sich noch unbeweibt befand, mit dessen jüngstem Sohne Sigismund.
Die Churfürstin interessirte sich lebhaft für diese Partie. — —

Der alte Mandl steht jetzt in der Antichambera seines
Fürsten.

„Durchlaucht werden heute keinen Vortrag cutgegennchmcn",
sprach der Kämmerer Graf Pcrusa, der mit Gravität aus des
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