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106

Zwei Quittungen.

ein Opfer meiner eigenen Liebenswürdigkeit! — Weißt Du
was, Freund? Geh' Du morgen für mich auf den Ball!"

„Ich? was muthest Du mir zu? Du weißt, ich bin kein
Freund von Abenteuern, und besitze auch in dergleichen Affairen
nicht die Routine, wie Du."

„Na, na, schweig' nur, — stille Wasser sind tief, — Du
bist ein Duckmäuser, ich kenne Dich!"

„Ich würde die bittersten Vorwürfe verdienen, wenn es
mir gelänge. Dir die Dame abspenstig zu machen."

„Sei unbesorgt. Du bist mir nicht gefährlich. Geh' hin
ans den Ball, ich erlaube cs Dir. Die Gelegenheit ist günstig
— benütze sie."

Adolph las noch einmal das Billet durch und schwieg.
Bald darauf entfernte er sich. Eugen hatte Recht — Adolph
ist ein Scheinheiliger, ein Duckmäuser. Kaum war er allein,
als er den Entschluß faßte, an Eugen Statt das Rendezvous
mit der schwarzen Maske zu bestehen. Die Wahrzeichen, woran
er sie erkennen sollte, hatte er sich genau gemerkt, und eilig
bestellte er sich ein neues Ballkostüm.

Abends um acht Uhr fuhr er in einem himmelblauen, mit
Blondenspitzen besetzten Domino auf den Maskenball. Sein
glühendes Auge zuckte wie ein Blitz durch das dichte Masken-
gedränge, um die zu finden, die er suchte. Vergebens. Schwarze
Masken sah er genug, aber einer fehlte das rothe Barett, der
andern der Silbergürtel, der dritten die weiße Schleife. Es
war erst Zehn. Vielleicht kommt sie noch. Aus Langeweile
mischte er sich in die bunten Reihen der Tänzer — die lebendigen
Rhythmen, die ohrenschmcichclndcn Melodieen der Musik flößten
ihin Appetit ein zu dem soeben beginnenden Cotillon-

Er engagirte eine als schottische Bäuerin verkleidete Dame
und stellte sich mit ihr in Reih' und Glied. Noch immer
suchte sein Auge die bewußte Maske — er fand sie nicht.
„Vermuthlich hat sich Jemand mit Eugen einen Spaß gemacht,"
reflektirte er, „vielleicht hat er sich selbst das 8iUöt-äoux
geschrieben und mir nur deßhalb weiß gemacht, daß es von
einer Dame komme, um mich hinters Licht zu führen, und in
den April zu schicken. Engen sicht das ganz ähnlich ..."

Plötzlich füllt sein herumirrender Blick auf eine schwarze
Maske, die eben in den Saal eintritt.

„Das ist sie!" rief'er aus, ließ seine Dame im Stich
und eilte zu der Unbekannten. Anfangs schlich Adolph etwas
blöde und schüchtern um die süße Maske, tvie eine Fliege um
den Honig, herum. Endlich raffte er seinen sämmtlichen Math
zusammen und tupfte mit seinem Handschuh ganz leise aus
ihren blendend weißen Nacken.

„Schöne Maske!"

„Wer sind Sie?"

„Eugen •— der Coeurbube —"

„Sind Sie es ivirklich?"

„Wie können Sie noch zweifeln?"

„So folgen Sie mir!"

Sie winkte ihm mit dem Finger. Adolph folgte ihr. Im
Vorsaal harrte ihr Diener. Nachdem er ihr den Mantel um-
geworfen, eilte er die Treppe hinab. Aus seinen Wink eilte

die Equipage der Unbekannten herbei. Die Maske und Adolph,
der falsche Coeurbube, stiegen ein. Mit unglaublicher Schnellig-
keit rollte der Wagen durch die schweigsamen Straßen und
hielt vor dem Thore eines eleganteu Hauses. Die Maske, die
sich während des Fahrens gegen Adolph äußerst freundlich be-
wiesen, reichte ihm, als auch er ausgestiegcn war, die Hand,
und bat ihn, sie durch den Vorhof in eines ihrer entlegenen
Zimmer zu begleiten. Daß er nicht nein sagte, versteht sich
von selbst. Die drei Masken erstiegen eine Treppe, die durch
Gas erleuchtet war. An der Thüre angekommen, zog sie die
Klingel, ein gallonirter Diener öffnete einen Gang.

„Endlich sind wir am Ziel, thenerster Eugen," nahm die
Dame zärtlich das Wort, als sie sich in einem geschmackvoll
mcublirten, und von einer Ampel erleuchteten Zimmer befanden,
„ich eile in mein Schlafgemach, um mein Kind zur Ruhe zu
bringen. In zwei Minuten bin ich wieder bei Ihnen." Sie
hüpfte davon. — Adolph harrte in der seligsten Erwartung

— da trat aus derselben Thür ein junger Mann, dessen Schnur-
bart, dessen ganze Haltung seinen militärischen Stand verriethen.

„Guten Abend, mein Herr!"

„Guten Abend," antwortete der überraschte Adolph mit
zitternder Stimme.

„Ich habe die Ehre, Herrn Eugen v. L. vor mir zu haben?"

„Mein Name ist Eugen —"

„Es freut mich", fiel jener ein, „daß ich Sie in meinen
vier Mauern habe. Sic werden die Güte haben, sich mit mir
zu schlagen!"

„Schlagen? — Sie belieben wohl nur zu scherzen?"

„Keineswegs, schon dreimal habe ich Sie gefordert, doch
nie sind Sie erschienen. Verzeihen Sic daher, daß ich zu einer
kleinen List meine Zuflucht genommen, um Sie in mein Haus
zu locken. Sie haben neulich auf dem Balle-des Stadtraths
B. das Fräulein Seraphine von P., meine Cousine, beleidigt,
und werden mir daher jetzt Genugthuung geben."

„Entschuldigen Sie, mein Herr," sagte Adolph, die Larve
abnehmend, „ich bin nicht der, den Sie suchen, ich bin nicht
Eugen —"

„Ich kenueSie nicht persönlich, sondern nur dem Namen nach,

— Ihr eigenes Geständnis; von vorhin lautet, daß Sie Herr Eugen
von L. seien, belieben Sie daher — Degen oder Pistolen!"

„Ich schlage mich weder auf Degen, noch Pistolen, heiße
Adolph v. R. und kenne Ihre Cousine so wenig als Sie."

„Herr, Sic lügen! Wie kämen Sie zu dein Briefe, der
Sie zu dem Rendezvous geladen?"

„Hören Sie mich an —"

„Nichts will ich hören," rief der erzürnte Offizier. „Wer
den Math hat zu beleidigen, muß auch die Courage haben, dem
Beleidigten die verlangte Satisfaction zu geben!"

„Ich habe aber Niemand beleidigt. Fordern Sie meinet-
ivegcu Herrn Eugen von L., aber nicht mich — ich schlage
mich durchaus nicht!"

„Gut, das thnt nichts, ich war darauf gefaßt!" Der
Offizier klatschte dreimal in die Hände und gleich darauf stürzten
fünf Diener herein, die sich mit spanischen Röhrchen bewaffnet
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