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154

Allerlei

Der Handelsreisende schien nämlich den üppigen Reizen
Prüfend näher gekommen zu sein, als sich für Lisei schicken
mochte, denn mit einem Male war das Mädchen, sich losreißend,
aufgesprungen, und im nächsten Augenblicke klatschte es lauter,
als es dem Handelsreisenden lieb sein mochte, auf seiner Wange.
Lisei verschwand aus der Stube, der Handelsreisende aber, der
im Anfänge ein verdammt verdutztes Gesicht machte, that, als
wäre das Ganze nur Scherz gewesen — freilich etwas derb, wie
er aber im „Dorfe" nicht anders sein könnte. Der Geschäfts-
agent, gewohnt, bei seinen zudringlichen Handelsanträgen von
manchem knorrigen Landkrämer, der die Geduld verlor, vor die
Thürc gesetzt zu werden, spielte auch dießmal nachträglich den
Ueberlegenen. Er zündete sich ruhig und behaglich eine Cigarre
an, spreizte die Beine in jener kühnen Weise, wie dieß eben
nur ein Handelsreisender vermag, und sprach dann mit einem
Schmunzeln: „Ist ein Teufelsmädel, diese Kellnerin! Gerade
so mag ich sie. Schade, daß ich heute Abends noch Weiterreise,
sonst würde sie bis morgen schon mein sein!"

Das war so hochmüthig, so siegesgewiß ausgesprochen,
daß in Franz, der es hörte, der ganze Groll riesig aufschoß.
Ehe mau sich's versah, hatte er den Großsprecher an der Brust
gefaßt und vom Stuhle in die Höhe gerissen. „Sagst Du's
noch einmal?" schrie Franz dabei.

Der Angegriffene konnte keinen Laut hervorbringen, denn
Franzens nervige Finger waren von des Handelsreisenden Brust
höher hinauf an die Gurgel gerutscht.

„Sagst Du's noch einmal?" wiederholte Franz, ließ aber
von der Cravnte des unglückseligen Geschäftsmannes los, weil
dieser ganz blau im Gesichte geworden war.

„Ich habe ja gar nichts gesagt!" stammelte er.

„Du hast gesagt," fuhr Franz beharrend fort, „daß Du
nur den Finger auszustrecken brauchst, so hängt die Lisei dran!"

„Meine Herren," entgegnetc der Fremde, indem er sich
an die Bauern um ihn herum wendete, „Sie sind Zeugen, daß
ich das nicht gesagt habe!"

Zauber.

„Keine Massamaten!" drohte Franz, und seine Hand war
wieder nahe an der blauen Cravatc. „G'meint hast Du's ein-
mal, und das ist bei uns wenigstens ein Ding!"

„Dann bitte ich tausend Mal um Entschuldigung!" sagte
mit geschäftsmäßiger Ergebenheit der geängstigte Handelsreisende.
„Zum Beweise, daß ich meinen Fehler einsehe, bitte ich die
Herren alle, auf meinen Conto einige Maß Bier zu trinken."
Damit hatte der kluge Weltmann schnell die Erbitterung be-
schwichtigt, welche sich von Franz auf die ganze Gastschaft des
Sonnenbräuhauses ausgedehnt hatte. Man ließ vor Allem Lisei
hoch leben, welche bei dieser Gelegenheit dem Kavalier ihrer
Ehre einen dankbaren Blick zuwarf. Man trank endlich Bruder-
schaft und selbst Franz kam mit dem „närrischen Kerl" von
einem gewitzigten Handelsreisenden auf guten Fuß. Franz wäre
ganz heiter geworden, wenn ihm nicht vorgekommen wäre, Lisei
sei in ihrer Entrüstung gegen den „kecken Maulmacher" nicht
so consequent, wie's hätte sein sollen. Er wurde nachdenklich-
In seiner stillen Grübelei kam er endlich zu dem Resultat, daß
der Eindruck, den der Fremde denn doch ans Lisei machte, nur
von der städtischen, eleganten Kleidung herrühre.

„Kleider machen Leute!" murmelte er zum Schlüsse seiner
Betrachtung, und wie ein Blitz fuhr ihm darauf ein Gedanke
durch den Kops, den er auch sogleich fest hielt, und wie wir
sehen werden, zur Ausführung brachte.

Als der Fremde endlich in gutem Einvernehmen mit Allen
sich verabschiedet, und den Weg zum Posthause nahm, um mit
dem Eilwagen. abzureisen, war Franz plötzlich an seiner Seite.

„Ich hätt' ein Anliegen an Sie," redete er den Handels-
reisenden an.

„Soll mich freuen, dienen zu können," erwiderte dieser und
hängte sich dabei freundschaftlich in Franzens Arm. Es brauchte
übrigens lange, bis Franz sein „Anliegen" zu sormuliren ver-
mochte. Endlich war es dem Geschäftsmann klar: Franz wollte
ihm die Kleider, die dieser am Leibe trug, sogar den Cylindcr-
hut abkaufen. Der Handelsagent sah ein „Geschäft" vor sich,
und so ward es auch bald abgeschlossen, wobei wir versichern
können, daß der Agent nicht — zu kurz dabei kam.

Rasch war die Sache in Ordnung. Der Fremde hatte i
im Posthofe seinen Koffer geöffnet, zog daraus für sich einen
anderen Rock und seinen Reisehut, und wechselte somit seinen
Anzug. Den abgelegten blauen Frack, den Cylindcrhut, und
dazu ein paar lichte Glacehandschuhe übernahm Franz. Die
Beinkleider konnten leider nicht in den Handel gebracht werden,
da man aus den ersten Blick erkannte, des Handelsreisenden
Hosen brächte Franz nicht auf seinen Leib, und wenn sic von
zwei Ochsen hinaufgezogen worden wären.

Der Postwagen fuhr mit dem lächelnden Handelsreisenden
davon, und der, gleichfalls vor sich hinlächelnde Franz ging
mit seiner glücklich erworbenen eleganten Garderobe nach Hause.

Am Sonntag hatte Franz das Geschäft mit dem Handels-
reisenden abgeschlossen, und da er seinen neuen Anzug erst am
nächsten Sonntag produciren wollte, so hatte er eine ganze Woche,
um sich inimer tiefer iu den Gedanken hineinzuleben, wie unwider- !
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Allerlei Zauber"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Oberländer, Adolf
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Kippen
Zorn
Angriff
Gaststätte <Motiv>
Aufruhr <Motiv>
Wut <Motiv>
Tisch <Motiv>
Junger Mann <Motiv>
Überheblichkeit
Handgreiflichkeiten <Motiv>
Handelsvertreter
Karikatur
Tracht <Motiv>
Reisender <Motiv>
Menschenmenge <Motiv>
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

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Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 65.1876, Nr. 1634, S. 154
 
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