170
Merkwürdig!!
Smsations-Extract in 17 Kapiteln und einer Berichtigung.
1. Kapitel.
Mij([i|'dics l’cöen.
Die Natur sah aus zum Photographiren. Wohin das
Auge spazierte, nichts als Sonne und Schatten. Die Lust ent-
faltete sich herrlich. Auf den Bäumen zwitscherten die Vögel
melancholisch muntere Lieder.
2. Kapitel.
Eine JlMmafrlunc in st ulst.
Während sich die im ersten Kapitel geschilderte Begeben-
heit zutrug, saß in einem Zimmer des Hauses 124" eine junge
Dame, theils in Gedanken, theils in ihre Nähmaschine auf Ab-
zahlung vertieft. Die Jungfrau schien noch kaum dem Knaben-
alter entwachsen zu sein, doch ließen ihre festgcschlossenen Lippen
ahnen, daß sie nicht anders, als Emma Lehmann, heißen könne.
3. Kapitel.
Eine inpfkeriöse .pcrfoiiEicfiUcif.
Nicht weit von der oben geschilderten Jungfrau mit asch-
blondem Haar und dunkelblauem Auge saß auf einem Stuhle
beim Tische unfern des Ofens ein Mann in Hemdärmeln.
Seine Züge waren nicht aristokratisch, doch war ein großer
Reichthum an Geistesmangel darin ausgeprägt, was aber dem
Eigenthümer derselben durchaus keine Kopfschmerzen zu ver-
ursachen schien, denn er vertilgte mit sichtbarem Behagen und
hörbarem Kauen eine sich krampfhaft windende Schlange, welche
sich jedoch bei näherer Besichtigung als eine harmlose Leberwurst
herausstellte; auch zeigte die Miene des räthselhasten Mannes
in Hemdärmeln nicht an, daß er trotz der immensen Bissen sich
auch einen nur winzigen Biß des Gewissens daraus machte,
daß er einen unschuldigen Ziegelküsc seiner Existenz beraube.
Mit empörendem Gleichmuth überblickte er eine Menge von armen
Leichen, die zu seinen Füßen lagen und die er mit kaltem Blute
gemordet hatte; zu anatomischen Zwecken konnte er sie doch kaum
verwenden, denn es waren bei näherer Besichtigung todte —
Fliegen.
4. Kapitel.
Tochter uni Unter.
„Vater!" sagte Plötzlich das junge Mädchen, indem es
sein mit rabenschwarzem Haar bedecktes Köpfchen lebhaft in die
Höhe hob und ihn mit ihren kornblauen Augen verschleierten
Blickes durchdringend anblickte. Herr Lehmann hatte eben die
Spitze seines Zeigefingers auf das winzige Muttermaal — nicht
größer als ein Zehnpfennigstück — welches sein Kinn schmückte,
gehalten, was bei ihm stets ein Zeichen war, daß er große
Gedanken fern zu halten suchte. Schön war Lehmann nicht,
doch war er nicht stolz darauf.
5. Kapitel.
In welchem >lcr sterfosser hnrzweitig ist.
Es gießt leider Novellisten, die sich darin gefallen, die
Personen ihrer Erzählung mit behaglicher Ausführlichkeit in
Aussehen, ja sogar in Kleidung zu schildern, was selbstverständ-
lich bei dem sonst geneigten Leser das Gefühl, den Mund sehr weit
zu öffnen, aufkommen läßt. Um diesen nicht hart genug zu
rügenden Fehler zu vermeiden, so sei nur im Vorübergehen be-
merkt, daß die blonde junge Dame bei der Nähmaschine, welche
im 4. Kapitel „Vater" gesagt hatte, ihr schwarzgelocktes Köpfchen
in zwei prächtigen Zöpfen, die weit bis über die unteren Schultern
herabfielen, nach Art der alten Griechen hinaufgebunden und in
einen Knoten vereinigt trug. Ihre Züge waren sehr weiß und
Merkwürdig!!
Smsations-Extract in 17 Kapiteln und einer Berichtigung.
1. Kapitel.
Mij([i|'dics l’cöen.
Die Natur sah aus zum Photographiren. Wohin das
Auge spazierte, nichts als Sonne und Schatten. Die Lust ent-
faltete sich herrlich. Auf den Bäumen zwitscherten die Vögel
melancholisch muntere Lieder.
2. Kapitel.
Eine JlMmafrlunc in st ulst.
Während sich die im ersten Kapitel geschilderte Begeben-
heit zutrug, saß in einem Zimmer des Hauses 124" eine junge
Dame, theils in Gedanken, theils in ihre Nähmaschine auf Ab-
zahlung vertieft. Die Jungfrau schien noch kaum dem Knaben-
alter entwachsen zu sein, doch ließen ihre festgcschlossenen Lippen
ahnen, daß sie nicht anders, als Emma Lehmann, heißen könne.
3. Kapitel.
Eine inpfkeriöse .pcrfoiiEicfiUcif.
Nicht weit von der oben geschilderten Jungfrau mit asch-
blondem Haar und dunkelblauem Auge saß auf einem Stuhle
beim Tische unfern des Ofens ein Mann in Hemdärmeln.
Seine Züge waren nicht aristokratisch, doch war ein großer
Reichthum an Geistesmangel darin ausgeprägt, was aber dem
Eigenthümer derselben durchaus keine Kopfschmerzen zu ver-
ursachen schien, denn er vertilgte mit sichtbarem Behagen und
hörbarem Kauen eine sich krampfhaft windende Schlange, welche
sich jedoch bei näherer Besichtigung als eine harmlose Leberwurst
herausstellte; auch zeigte die Miene des räthselhasten Mannes
in Hemdärmeln nicht an, daß er trotz der immensen Bissen sich
auch einen nur winzigen Biß des Gewissens daraus machte,
daß er einen unschuldigen Ziegelküsc seiner Existenz beraube.
Mit empörendem Gleichmuth überblickte er eine Menge von armen
Leichen, die zu seinen Füßen lagen und die er mit kaltem Blute
gemordet hatte; zu anatomischen Zwecken konnte er sie doch kaum
verwenden, denn es waren bei näherer Besichtigung todte —
Fliegen.
4. Kapitel.
Tochter uni Unter.
„Vater!" sagte Plötzlich das junge Mädchen, indem es
sein mit rabenschwarzem Haar bedecktes Köpfchen lebhaft in die
Höhe hob und ihn mit ihren kornblauen Augen verschleierten
Blickes durchdringend anblickte. Herr Lehmann hatte eben die
Spitze seines Zeigefingers auf das winzige Muttermaal — nicht
größer als ein Zehnpfennigstück — welches sein Kinn schmückte,
gehalten, was bei ihm stets ein Zeichen war, daß er große
Gedanken fern zu halten suchte. Schön war Lehmann nicht,
doch war er nicht stolz darauf.
5. Kapitel.
In welchem >lcr sterfosser hnrzweitig ist.
Es gießt leider Novellisten, die sich darin gefallen, die
Personen ihrer Erzählung mit behaglicher Ausführlichkeit in
Aussehen, ja sogar in Kleidung zu schildern, was selbstverständ-
lich bei dem sonst geneigten Leser das Gefühl, den Mund sehr weit
zu öffnen, aufkommen läßt. Um diesen nicht hart genug zu
rügenden Fehler zu vermeiden, so sei nur im Vorübergehen be-
merkt, daß die blonde junge Dame bei der Nähmaschine, welche
im 4. Kapitel „Vater" gesagt hatte, ihr schwarzgelocktes Köpfchen
in zwei prächtigen Zöpfen, die weit bis über die unteren Schultern
herabfielen, nach Art der alten Griechen hinaufgebunden und in
einen Knoten vereinigt trug. Ihre Züge waren sehr weiß und
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Merkwürdig!!"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)