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186

Mein Ring.

so dürfen Sie eine Tasse Thce, welche ich Sie bitte in meiner
Gesellschaft einzunehmen, nicht abschlagen; mein Diener wird
bereits das Nöthige hierzu besorgt haben. Ich bringe noch ein
Stündchen in Ihrer angenehmen Gegenwart zu und fahre als-
dann nach Hanse."

Wer war glücklicher als ich! Eine Viertelstunde später
saßen wir im behaglichen Zimmer bei gcmüthlich summendem
Samowar in anregendster Unterhaltung beisammen. Ich Pries
innerlich meine Keckheit, mit der ich meiner holden Schönen
meine Begleitung angeboten und welche mich in diese reizende
und bencidenswcrthe Gesellschaft geführt. Denn schön und jung
war sie, ausgestattet mit allen Vorzügen einer verschwenderischen
Natur, an welchen meine trunkenen Augen sich kaum satt zu
sehen vermochten; dazu jedenfalls vcrmöglich, denn die elegante
Toilette ließ fast mit Bestimmtheit darauf schließen — kurzum, ich
gratnlirte mir selbst zu meinem unverdienten Glück und schloß
bereits hieran die weitgehendsten Combinationen.

Der Thee war fertig. Ich athmete hoch aus, sah bald
verlegen zur Erde, bald starr und glühend in das schwärmerische
Auge der Reizenden, goß, in ihrem Anschauen verloren, wenigstens
ein Achtelliter Rum in die Tasse, sah wieder zur Erde, und —
ärgerte mich beinahe. — Warum gab sie mir nicht Anlaß, ihr
näher zu rücken? Warum wurde sie auf einmal so schweigsam?

„Die Zeit wird Ihnen wohl lang werden, mein Fräulein!"
unterbrach ich die eingetretene Panse, „so allein in finsterer
Nacht in der Kutsche gefangen sitzen und . . . ."

„Wenn Sie mich aufrichtig bedauern, mitleidiger Herr, so
sollten Sic meine Gefangenschaft mit mir theilen!"

Donnerwetter! das war deutlich! — ich hatte all' meine
Courage wieder. „Himmlisches Wesen!" ries ich entzückt, „Sie
vertrauen sich mir an? O, Sie machen mich zum Glücklichsten
aller Sterblichen!"

„Die Floskel ist sehr abgenutzt, mein Herr. Wie oft
mögen Sie allein dieselbe verbraucht haben!"

Der Bediente trat ein und meldete, es sei angespannt.

„Wir wollen eilen," rief die Liebenswürdige, hing sich
schnell einen Pelz um, nahm mich bei der Hand und sagte
schelmisch: „Kommen Sie, Menschenfreund!"

Nach Verlauf von fünf Minuten saß ich neben der An-
gebeteten in dem traulichen Dunkel des Wagens, der rasch über
die Fortuna-Brücke der Margarter Barriore zueiltc.

„Geh' den Weibern zart entgegen,

Du gewinnst sie, auf mein Wort;

Und wer rasch ist und verwegen,

Kommt vielleicht noch besser fort,"

sagt Goethe, und er hat Recht. Saß ich nicht, infolge meiner
liebenswürdigen Keckheit, der Schönsten der Schönen gegen-
über? Hatte ich nicht ein rasendes Glück? Mögen doch meine
Leser mich beneiden, meine Leserinnen die Nase rmnpfen ob
des etwas bedenklichen Leichtsinns meiner Angebeteten, — einmal
nur ist man jung, darum nütz' ich die nie wiederkehrende blühende
Zeit, und darum drück' ich alle Freuden stürmisch an mein Herz
— und darum drückte ich der Holden sanft das weiche Händchen,
und trank Seligkeit aus dem Himmel ihrer Augen! —

„Warum so still, mein Fräulein?" unterbrach ich sie nach
einer Pause.

„Ich beneide ein Wesen, das ich nicht kenne!"

„Wie soll ich das verstehen?" fragte ich verwundert.

„Nun ja, ich beneide Ihre zukünftige Frau, — Sie sind
ein höchst liebenswürdiger Mann!"

„Sie Lose, Sic wollen mich foppen!"

„Nicht doch! — Sie sind auch wohl bereits Bräutigam?
Sollte der köstliche Brillantring an Ihrem Finger nicht ein Ge-
schenk der Glücklichen sein? Wie er blitzt! zeigen Sic doch einmal!"

Ich zog den Ring vom Finger und drückte ihn in das
zarte Patschchcn. Sie stand auf, lehnte sich etwas ans dem
Fenster, und betrachtete lächelnd den Brillanten, da — —
„Mein Gott!" rief sie, und fuhr erschreckt zurück, „Friedrich
halt! Um's Himmelswillen, ich habe den Ring fallen lassen!"

Sie wollte aussteigen. „Nicht doch, mein Fräulein," ries
ich, „beruhigen Sie sich nur, ich werde ihn gelviß gleich wieder
finden!" Mit diesen Worten hatte ich den Schlag geöffnet, stieg
hinaus und suchte in einer kleinen Entfernung nach dem . . . . —
Ist es möglich? Trau' ich meinen Augen? Trau' ich meinen
Ohren? — Der Wagen fuhr im schnellsten Galopp weiter, und
ein Lachen — mir schien's der Hölle entstiegen — gellte in meine
Ohren. Das schöne Mädchen war nichts weiter als eine ge-
meine Diebin und hatte mich auf die schändlichste Weise uw
meinen größten irdischen Schatz gebracht!

Da stand ich nun mitten in der Nacht auf der Chaussee
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Mein Ring"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Rum
Elektrische Lampe
Paar <Motiv>
Wohnzimmer
Tee <Motiv>
Teegeschirr
Tisch <Motiv>
Annäherung
Gespräch <Motiv>
Karikatur
Sofa <Motiv>
Sitzen <Motiv>
Satirische Zeitschrift
Thema/Bildinhalt (normiert)
Verliebtheit <Motiv>

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 65.1876, Nr. 1638, S. 186
 
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