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194

Weiberlist.

Frau Katharina Löffler, geborene Unger, antwortete auf
diese Eröffnung ihres Mannes nichts, obwohl sie den Mund
zu einer Erwiderung bereits geöffnet hatte. Der Gegenstand,
auf den sich Herr Löffler berief, war ihr so neu, daß sie zuerst
ihre Gedanken sammeln mußte. Den ganzen folgenden Tag
kreuzten sich in ihrem Innern die listigsten Einfälle, um ihren
Gatten wieder an das Haus zu fesseln. Allein merkwürdiger
Weise blieb Herr Löffler an diesem Abend zu Hause, obwohl
die Neubestellung des Vereinsvorstandes stattfinden sollte.

Gedankenvoll saß er neben seiner Frau, die ihn mit Liebe
und Wohlwollen betrachtete. Auch am Tage darauf schlug die
Stunde seines gewohnten Ausganges, ohne daß er sich von der
Stelle bewegte. War er unwohl, daß er so einsilbig wurde?
Studirte er eine Rede, die er im Vereine halten sollte? Auf
alle Fragen seiner Frau antwortete er nur mit einem Seufzer.
Wie froh wäre sic jetzt gewesen, wenn er wenigstens „Herr
Präsident, meine Herren!" gesagt hätte. Was half ihr die
gewünschte Veränderung seines Lebenswandels, wenn Kummer
und Sorge sein Gemüth verzehrten? Anfänglich dachte sic: es
drückt ihm das Herz ab, daß er nicht Präsident geworden ist.
Aber das Benehmen des Registrators wurde ein so sonderbares,
daß die gewöhnlichen Erklärungsgründe nicht mehr ausreichten.
Als Frau Löffler nämlich eines Tages den Ueberrock ihres
Mannes in den Kleiderschrank hängen wollte, fiel ihr das Ge-
wicht desselben auf. Sie griff in die beschwerte Tasche und zog
— wer beschreibt ihren Schrecken? — einen geladenen Revolver
heraus. „Himmel!" dachte sie, „er will sich in seinem Tief-
sinn um's Leben bringen. Ach! würde er doch wieder wie

sonst den Hausschlüssel zu sich stecken, der wenigstens nicht los-
geht!" Aber ihre beunruhigenden Entdeckungen hatten mit dem
Revolver ihr Ende noch nicht erreicht. In Zwischenräumen von
Tag zu Tag kamen in der nächsten Zeit mehrere polirte Dolch-
messer zum Vorschein, welche sie in bester Verpackung jedes
Mal auf die Seite schaffte, damit sich Herr Löffler in seinem
Lebensüberdruß nicht versucht fühle, eine Ader zu öffnen. Dieser
forderte über das Verschwinden seiner Waffen keine Erklär-
ungen, benahm sich aber immer auffallender. Kein Tag verging,
an dem nicht neue Symptome der gravirendsten Art der ängst-
lichen Frau zu denken gegeben hätten. Endlich fragte sie den
Hausarzt um Rath.

„Beobachten Sie ihn auf's schärfste," sagte er mit ge-
runzelter Stirne, „lassen Sie durchaus kein schneidendes Instrument
in seiner Nähe; Fläschchen und Pülverchen, die sich in in seinen
Taschen vorfinden sollten, senden Sie mir zur chemischen Unter-
suchung. Ich fürchte beginnende Geistesstörung."

Frau Löffler war lauter Auge, und was sie sah, wurde
immer untröstlicher. Ihr eigener Kleiderschrank sah schon aus
wie der Kramladen eines Messerschmieds vor Eröffnung des
Jahrmarkts, während Herr Löffler nach jedem Raub, den sie
vollführte, in hoffnungsloseres Brüten versank. Sein Blick
hatte einen so mißtrauisch-wilden Ausdruck angenommen, sein
Schlaf war so gestört, daß sie ihres Jammers kein Ende mehr
wußte. Eines Tages bemerkte sie, daß er sich ohne seinen
Stock auf die Kanzlei begab, am Mittag aber einen solchen

[ zurückbrachte, den sie noch nie gesehen hatte. Als sic bei nächster
Gelegenheit das neue Bambusrohr untersuchte, fand sie, daß es
ein Stockdegcn war. So schnell sie ihre Füße trugen, eilte sie
damit in das nächste Magazin und vertauschte ihn gegen einen
ganz gleich aussehenden, der keinen Degen enthielt. Aber bald
darauf schien der fehlende tödtliche Stahl in Herrn Löfflers
Augen zu blinken, so schrecklich war der Blick, mit dem er am
folgenden Tage seinen neuen Stock betrachtete. Umsonst ver-
legte Frau Löffler alle Liebenswürdigkeit, deren sie in ihrer
Angst fähig war, in die Abschiedsworte, mit denen sie den

rüthselhaftcn Gatten bis unter die Hausthüre begleitete. Der
Registrator brach sein düsteres Schweigen nicht. Aber auch sie
vermochte um 12 Uhr vor Schrecken kein Wort hervorzubringen,
als er mit zwei dänischen Doggen in das Zimmer trat und sich
an den Mittagstisch setzte, auf den die beiden Bestien in
glühender Freßgier zn seiner rechten und linken Seite die Köpfe
legten. Kaum wagte sie in dieser unheimlichen Nachbarschaft
den Löffel zum Munde zu führen und athmete erst auf, als er
mit den Hunden wieder auf die Kanzlei gegangen war.

„Er ist verrückt!" dachte sie, als sie wieder eines Gedankens
fähig war. „Jetzt thut Eile noth!" Sie eilte zum Arzt und
theiltc ihm Alles mit. Noch am gleichen Vormittage wurden
alle Vorbereitungen getroffen, um den Erkrankten unter kundige
Obhut zu bringen. Zwei handfeste Wärter verbargen sich in
seinem Schlafzimmer.

Der Abend kani und mit ihm Herr Löffler, den seine
beiden Hunde begleiteten.

„Ich habe den Doggen das Futter in der Küche zurecht
gemacht!" sagte Frau Löffler, geborne Unger, so harmlos, als
ob nichts geschehen wäre.

Als die Bestien in der Küche eingeschlossen waren, wollte
sich der Registrator zu Tische setzen, um seinen Hunger zu stillen,
da traten die Wärter aus dem Nebenzimmer und ersuchten ihn,
ihnen zu folgen.

„Hektor, Diana!" kreischte Herr Löffler.

„Jetzt redet er auch noch lateinisch!" jammerte Frau
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Weiberlist"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

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Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Selbstmordversuch
Apathie
Sorge
Angst <Motiv>
Ankleiden
Ehepaar <Motiv>
Mantel
Abschied <Motiv>
Karikatur
Ehemann <Motiv>
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 65.1876, Nr. 1639, S. 164
 
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