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Fürbringer, Max
Untersuchungen zur Morphologie und Systematik der Vögel: zugleich ein Beitrag zur Anatomie der Stütz- und Bewegungsorgane ; mit 30 Tafeln (Band 2): Allgemeiner Theil, Resultate und Reflexionen auf morphologischem Gebiete, systematische Ergebnisse und Folgerungen — Amsterdam, 1888

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https://doi.org/10.11588/diglit.15181#0578

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1404

Gattungen als Pseudoseines ganz von den anderen Passeres (Passeridae) abtrenne und zwischen
dieselben und die Pici stelle.

Die Merkmale, welche die Pseudoseines den Pici näher bringen, wurden bereits bei diesen
(p. 1400 f.) mitgetheilt; es bleibt nur noch zusammenzustellen, was die Pseudoseines von den
Passeridae trennt, denen sie übrigens in ihrem Habitus, in ihrer Fussbildung (auch mit Rücksicht
auf die geringe Heftung der Aussenzehe, sowie das eleutherodactvle Verhalten der Sehnen der
langen Zehenbeuger) und in zahlreichen anderen Eigenschaften gleichen oder sehr ähneln. Diese
Differenzen sind in der Hauptsache gegeben in der besonderen Gestalt des vorderen Endes des
Vomer ') (der aber übrigens im Grossen und Ganzen ein passerines Verhalten darbietet), in der
abortiven Beschaffenheit der Maxillopalatina ') (piciner Charakter), in dem Mangel eines Hypo-
cleiclium bei Menura ') (cf. Picidae) und in der völligen Lösung der beiden clavicularen Äste
bei Atrichia ') (cf. Capitonidae), in dem Beekenursprung des M. rhomboides profundus (picin),
in der Reduetion des M. serratus metapatagialis (Besonderheit von Atrichia), in dem Verhalten
der Insertionssehni; des M. supracoraeoideus zur Kapsel des Schultergelenkes (picin), in der sehr
kräftigen Elitwickelung des M. latissimus dorsi posterior und der partiellen Verbindung desselben
mit dem M. latissimus dorsi anterior (Besonderheit von Atrichia), in dem von der Beinmuskulatur
bedeckten Ursprünge des M. latissimus dorso-entaneus vom vorderen Rande des Ileum (picin),
in der Insertion des Propatagialis brevis in der Tiefe des M. extensor inetacarpi radialis (Menura,
cf. Gakrod, und Atrichia; piciner Charakter) und in der geringen Sondcrung des M. deltoidcs
major (picin). Die Mehrzahl dieser Abweichungen zwischen den Pseudoseines und Passeridae
bietet zugleich mehr oder minder grosse Übereinstimmungen mit dem Verhalten der Pici dar,
Übereinstimmungen, welche in vielen wichtigen Zügen so ausdrucksvoll und frappant sind, dass
Jemand, der z. B. von Atrichia ein Exemplar anatomisch zu untersuchen hätte, dem Kopf, Eüsse
und Eingeweide fehlten, sicherlich weit mehr geneigt sein würde, dasselbe zu den Pici zu stellen
als zu den Passeridae. Die Gaumcnbildung indessen zeigt ein besonderes, ziemliches primitives
Gepräge, das, ohne mit der passerinen Aegithognathie identisch zu sein, dieser doch, näher steht
als der picinen Aegithognathie, Desmognathie und Saurognathie; nicht minder bieten Eussstructur,
Pterylose (cf. Nitzsch) 2), Verdauungsapparat :<), sowie Syrinx und seine Muskulatur 4) grössere-

') Die Diff'erentiahnerkmale des Vomer, der Maxillopalatina und der Furcula von Menura sind bereits von
Huxley und W. K. Pauker angeführt worden ; die rudimentäre Beschaffenheit der Clavicula von Atrichia wurde
meines Wissens zuerst von Eyton und Garrod hervorgehoben.

a) Die vermehrte Zahl der Rectrices von Menura ist eine offenbar secundäre Dift'erenzirung, die keinen Gegen-
satz zu den echten Passeridae begründet und sich auch bei diesen (cf. Hylactes) finden kann. ('brigens scheint sie
nur im männlichen Geschlechte zur Ausbildung gekommen zu sein, während die Weibchen die primitive Anzahl
gewahrt haben.

:)) In der Ausbildung der Caeca schliessen sich die Pseudoseines den Passeres an. Docli finde ich bei dem von
mir untersuchten Exemplar von Atrichia rufescens nur 1 Caecum, während das andere spurlos rückgebildet ist,
somit ein Verhalten, das dieses Exemplar zwischen Pici und Passeres stellt. Zugleich sei daran erinnert, dass
rudimentäre Caeca ausnahmsweise auch bei den Pici vorkommen und dass bei den Passeridae ein völliger Sehwund
derselben beobachtet worden ist.

4) Nachträglich fand ich Gelegenheit, die Syrinxmuskulatur von Atrichia rufescens genauer zu untersuchen.
Dieselbe gleicht im Grossen und Ganzen der von Gakuod bei Atrichia clamosa beschriebenen, ist aber etwas kräf-
tiger entwickelt. Die beiden Mm. tracheo-bronchiales (ventralis und dorsalis; cf. p. 1091) nehmen bronchial wärt s
an Dicke zu und zeigen zugleich im Bereiche der letzten Tracheairinge tieferliegende accessorische Ursprungsbündei,
welche von diesen letzten Ringen entspringen, aber von den oberflächlichen längeren tracheo-bronchialen Muskel-
zügen noch völlig ungesondert sind. Es findet sich somit hier der erste Beginn einer Differenzirung von den Mm.
syringei vergleichbaren Muskelelementen, — ein für die Entstehung der Mm. syringei überhaupt sehr bedeutsames
Verhalten, das zugleich den oligomyoden und polymyoden (oscininen) Typus vermitteln hilft und in dieser Hinsicht
den pseudoscininen Syrinx dem oscininen näher bringt, als ich dies früher nach Gaukoo's Beschreibung vermuthete
(cf. p. i091). Gleichwohl bin ich nicht in der Lage, daraufhin die Pseudoseines als wirkliche Zwischenform zwischen
den passeriden Clamatores und Oscines aufzufassen. Sie stellen Vögel vor, deren Entwickelungsbahn etwas abseits
 
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