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Gailhabaud, Jules; Kugler, Franz [Hrsg.]
Jules Gailhabaud's Denkmäler der Baukunst (Band 2): Denkmäler des Mittelalters, Erste bis fünfte Abtheilung — 1852

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https://doi.org/10.11588/diglit.3502#0003

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Das Baptisterium und Grab der heiligen Constantia in Rom.

Zwei Millien von der Porta Pia in Rom und bei der Kirche der h. Agnese erhebt sich an der via
Nomentana ein rundes Gebäude, das einige Archaeologen für einen antiken Bacchustempel halten, weil
man an seinem Gewölbe die Reste einer Mosaik sieht, die Weinreben und Kinder mit der Weinlese
beschäftigt darstellt, und weil es in einer der Thür gegenüber liegenden Nische bis zum Ende des vorigen
Jahrhunderts einen porphyrnen Sarkophag enthielt, dessen Hauptseiten eben so mit Weinreben und Genien,
die Trauben lesen und keltern, decorirt sind.

Christliche Traditionen, die bauliche Anordnung des Gebäudes, die schweren gekuppelten Säulen im
Innern, die die Alten immer vermieden, endlich die Wahl des Bauplatzes über den Katakomben der h.
Agnese sind die Hauptgründe, die es als ein Gebäude aus den ersten Jahrhunderten des Christenthums
betrachten lassen. Man schreibt es der Regierung Constantins zu und glaubt, dass seine Schwester oder
seine Tochter Constantia, auf deren Bitten der Kaiser schon die benachbarte Kirche der h. Agnese auf
dem Grabe dieser jungfräulichen Märtyrin hatte bauen lassen, ihn bestimmt habe dieses kleine Gebäude
entweder zu ihrer Taufe oder zu ihrem Grabe bei der jener Heiligen geweihten Kirche zu errichten.

Der Grundriss des Denkmals ist ein Kreis (Fig. 1); an der inneren Seite der Umfassungsmauer, die
beträchtliche Dicke hat, befinden sich fünfzehn tiefe Nischen, die abwechselnd rund und viereckig sind.
Die dem Eingange gegenüberliegende ist grösser als die übrigen und enthielt jenen schon oben erwähnten
porphyrnen Sarkophag; diese Nische ist viereckig im Grundriss. Die beiden Nischen, die an den Enden
der Queraxe des Gebäudes liegen, sind ebenfalls grösser als die übrigen; im Mittelalter waren sie zu
Seiteneingängen durchbrochen. Man glaubt, dass eine Colonnade aussen um das Gebäude lief und eine
Treppe deckte, die zu dem viel niedriger gelegenen Boden der Ebene brachte. Fig. 1 zeigt diese Ergänzung.

Zwischen der äusseren Mauer des Gebäudes und seiner Mitte befindet sich ein Kreis gekuppelter
Säulen, die in den Axen breitere Durchgänge als in den anderen Zwischenweiten lassen. Dieser Säulen-
kreis trägt die runde Mauer des Mittelschiffs. Dem Haupteingange des Gebäudes liegt eine Vorhalle vor,
die heute Ruine ist; sie schliesst sich den zur Hälfte zerstörten Mauern einer sehr ausgedehnten Bauanlage
an, die die Form eines Stadiums oder eines Hippodroms hat, aber ohne Zweifel nichts anderes als ein
Atrium oder Vorhof vor, der vielleicht als Begräbnissplatz für die Christen diente, die wie die h. Constantia
bei den Katakomben der h. Agnese beerdigt sein wollten. Die Beschaffenheit des Terrains hat an diesem
Orte grosse Treppen motivirt, und an den äusseren Mauern des Hofes viele grosse Strebepfeiler nöthig
gemacht, um dieselben an dem Abhänge fester zu stellen und damit sie besser dem Druck der auf-
geschütteten Erde, mit der die Oberfläche des Hofes ausgeglichen ist, Widerstand zu leisten vermöchten.

Die Facade (Fig. 3) zeigt erstlich die Vorhalle, die jetzt zerstört ist; ihr Dach liegt mit dem des
Seitenschiffs in einer Höhe; die Spuren eines viel niedriger als das Dach des Seitenschiffes gelegenen
Daches an den Mauern des letzteren haben Veranlassung zu der Annahme einer äusseren Colonnade
gegeben, die in unserem Grundrisse angegeben worden ist. Ueber dem Dach des Seitenschiffs erhebt
sich die cylindrische Mauer des Mittelschiffs, die von zwölf Halbkreisbogenfenstern durchbrochen ist; ein
konisches Dach deckt diesen Theil des Gebäudes.

Das Innere zeigt Reichthum und Eleganz; die abwechselnd runden und viereckigen Nischen in der
Wand des Umgangs oder des Seitenschiffs sind mit Ziegeln eingewölbt; darüber läuft ein Fries in Mosaik,
aus Zügen von Laubwerk und Blumen bestehend; über ihm erhebt sich das Tonnengewölbe dieses Seiten-
schiffs; dasselbe ist ebenfalls mit musivischen Malereien geschmückt, die grösstentheils ein Netzwerk
o-eometrischer Figuren, wie Rauten, Kreise oder Sterne, in etwas an sehr verschieden gestaltete und
o-efärbte Cassetten erinnernd, darstellen. Eines der von verschlungenen Bändern eingefassten Deckenfelder
zeigt bacchische Darstellungen: mannichfaltige Züge von Reben und Weinlaub sind mit einer Menge von
Vögeln, mit Kindergestalten und selbst mit den Brustbildern unbekannter Personen belebt. Die Haupt-
gruppen dieser Darstellungen sind Karren von Stieren gezogen und mit Weintrauben beladen, die sich nach
viereckigen Kufen wenden, in denen Kinder mit den Füssen Trauben keltern, der Wein fliesst aus Löwen-
masken in bereit gestellte Gefässe. Diese Darstellungen nehmen die niedrigen Theile des Tonnengewölbes
ein und sind dem Auge des Beschauers näher als der ganze Rest der Mosaiken. Diese Gemälde trugen
zu der Vermuthung bei, dass das Gebäude ein Bacchustempel gewesen. Die Gewölbe werden durch
kleine Lichtöffnungen erhellt, die sich nach Innen erweitern und ursprünglich viereckig waren, von denen
aber mehrere im Mittelalter ver"rössert und rund gemacht wurden. In dieser Zeit hat man auch die in
der Queraxe des Gebäudes liegenden runden Nischen mit Thüren durchbrochen und darauf in den Halb-
kuppeln dieser Nischen Christusbilder gemalt, umgeben von Aposteln, Lämmern und Laubwerk.

Denkmäler der Baukunst. CXXXVIII. Lieferung-
 
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