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Gailhabaud, Jules; Kugler, Franz [Hrsg.]
Jules Gailhabaud's Denkmäler der Baukunst (Band 2): Denkmäler des Mittelalters, Erste bis fünfte Abtheilung — 1852

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https://doi.org/10.11588/diglit.3502#0063

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Die Eingangshalle des Atriums der Kirche von Lorsch.

Lorsch, im Mittelalter Lauresham genannt, ist am rechten Rheinufer im Grossherzogthum Hessen
gelegen, zwischen Manheim und Darmstadt und von jedem dieser Städte 2^ Meile entfernt. Diese alte
Abtei kommt schon im Niebelungenlied unter dem Namen Lome vor; in diesem wird Frau Ute, die WittW6
Dankrats und Mutter Chriemhildens als ihre Stifterin genannt, die auch dort beerdigt sein sollte. Die
Chronik des Klosters Lorsch aber erzählt uns, dass im Jahre 704 tinter dem Fränkischen Könige Pipin
dieses Benedictiner Kloster vom Abte Gundeland erbaut und die Kirche desselben im Jahre 774 im Beisein
Karls des Grossen, seiner Frau Hildegard und seiner beiden Söhnen Carl und Pipin eingeweiht worden
sei. Die genannte Chronik erwähnt dabei, dass Abt Gundeland diesen Bau „nach Art. der Antike und in
Nachahmung der Alten" ausgeführt habe.') Diese Bemerkung ist sehr wichtig und wird in unsrer Bestimmung
über das Älter der noch vorhandenen Reste des Klosters von besonderem Einflüsse sein.— Im Jahre 1090
verzehrte eine Feuersbrunst Kirche und Kloster, die darauf wieder neu gebaut wurden. Von diesem
zweiten Bau rühren höchst wahrscheinlich die noch vorhandenen Reste der Kirche her, die nach Moller
jetzt zu einem Kornspeicher benutzt werden. Es war eine dreischiffige Basilika mit hölzernen Decken,
kleinen im Halbkreis geschlossenen Fenstern, und die Wände des höheren Mittelschiffs ruhten auf Halb-
kreisgurten, die von Säulen getragen wurden. Diese noch jetzt in ihren Resten existirende Kirche war
also nach Art der römischen christlichen Basilika gebaut, die nach den Worten der Chronik zu schliessen
wahrscheinlich auch das Muster für die frühere Kirche gewesen war. Sie hatte auch wie die römischen
Basiliken einen Vorbof oder ein Atrium, wie dasselbe früher die alte Peterskirche in Rom besass, und
die Kirche S. demente daselbst und die Abteikirche Laach (bei Andernach am Rhein) noch heute besitzen. —
Im Jahre 1231 machten Kaiser Friedrich II und Pabst Gregor IX dem Erzbischof von Mainz, Siegfried III
mit der Abtei Lorsch ein Geschenk, der darin Mönche vom Cisternzienser Orden einsetzte, denen bald
darauf welche vom Praemonstratenser Orden folgten. Im Jahre 1504 wurde Lorsch von den wilden
Horden Wilhelms von Hessen beraubt und verwüstet, und 1555 wurden daraus die Mönche durch den
Pfalzgrafen Friedrich II vertrieben. Während des dreissigjährigen Krieges hatten die Gebäude der Abtei
grausam zu leiden. Die alte, an kostbaren Werken so reiche und schöne Bibliothek des Klosters wurde
nach Heidelberg gebracht.

Dies wären die hauptsächlichsten historischen Daten, die sich auf das Kloster Lorsch und seine
Kirche beziehen. Wir wollen uns jetzt zur Betrachtung eines Restes der letzteren wenden. Es ist ein
kleines, später zur Kapelle eingerichtetes Gebäude von 34^ Rheinl. Fuss Länge (I0m 88), 22| Fuss Breite
(7m 18) im Aeusseren gemessen, und von dem Boden bis zur Oberkante des Hauptgesimses 23^ Fuss
C7m 40) boch. Es zeigt an der westlichen und östlichen Facade zwei Geschosse; das untere wird von
drei im Halbkreis geschlossenen Arcaden gebildet, an den Pfeilern derselben springen nach aussen Halb-
säulen vor; dieselben sind von sehr schlanker Proportion, haben etwa 13 untere Durchmesser zur Höhe,
attische Basen und schlanke, mit der Höhe des Säulenschaftes wohl proportionirte Capitelle, die das
römische composite nachahmen, und aus dem unteren Theile des korinthischen Capitells mit dem
umsehen darauf zusammengesetzt sind. Die Akanthusblätter und ionischen Schnecken zeigen noch
deutlich den Schnitt der späteren Antike. Moller will bemerkt haben, dass diese Säulen rund gearbeitet
und zur Hälfte vermauert seien, und stellt deshalb die Vermuthung auf, dass sie einem anderen,
vielleicht gar römischen Gebäude etwa aus dem nahen Worms entnommen seien, was möglich aber
unerweisbar ist, Auf diesen Halbsäulen ruht ein Simswerk von fast 10 Zoll Höhe C"m 255) dessen
verzierter Haupttheil ein umgekehrtes römisches Cimatium — wie solches in der spätesten Zeit
der römischen Antike gebildet worden sein mag — mit Perlenschnur darunter und einigen Riemchen
darüber bildet. Besagtes Simswerk bildet einen scheidenden Gurt zwischen dem unteren und oberen
Geschoss. Letzteres ist mit einer Reibe eigenthümlichster Spitzarcaden decorirt; es sind ihrer an Zahl neun,
so dass auf jede Arcade des unteren Geschosses drei derselben kommen. Kleine 5 Fuss hohe Pilaster, deren
Schäfte sich auf einfachen Sockeln erheben und mit drei Riefeln (man sehe auf dem Blatte der Details
ihren eigenthümlichen oberen Schluss) versehen sind, deren Capitelle aber die ionischen Voluten über
zwei Cimatien zeigen, welche letztere recht eigentlich mit dem Namen „Eierstäbe" benannt werden könnten,
«la sie statt der ursprünglich gedachten Blätter mit abgerundeter Spitze wirkliche Eier in einer Art Um-
rahmung zeigen, wie solche Cimatien auch anderwärts vorkommen. Diese Pilaster dienen Winkelschenkeln
zur Stütze, die man wohl etwas uneigentlich „gerade Spitzbogen" genannt hat. Man kann sich dieselben
a»s einem dem Principe des Wölbebaues vorangehenden Strebeconstructionssysteme hervorgehend denken,
iiach welchem man zur Ueberdeckung von Oeffnungen zwei gegen einander gestemmte Steintafeln auf
fester Basis aufruhend anwendete. Dergleichen Constructionen wie Formen sind nicht unerhört, erstere
kommen bei fast allen alten Völkern, Aegyptern, Pelasgern, Tuskern u. s. w. vor, und als decorative Formen
erscheinen dieselben an römischen Sarcophagen aus christlicher Zeit und auf Miniaturen des VII und
VIII Jahrhunderts und an einigen Bauwerken des Mittelalters."') Diese Spitzen werden von einem Simswerk
gebildet, das aus einer Platte, Welle und darunter befindlichen zwei Riemchen besteht. Unter fünf dieser
Spitzen befinden sich kleine im Halbkreis geschlossene Fenster, und über ihnen unmittelbar das Kranzgesimse,
J'as aus einem Karnies mit darunter befindlichen Consolen besteht, deren Profil ebenfalls die Karnieslinie zeigt,
letztere befinden sich an einer Platte, die sich von dem Mauergrunde der Facade mittelst einer Kehle abhebt.
Die Säulen, der die Geschosse scheidende Gurt, die Pilaster und ihre darauf ruhenden Spitzen, die Felder
zwischen ihnen und dem Hauptgesimse, so wie letzteres selber sind von einem harten und weissen Steine
gearbeitet, der durch das Alter geschwärzt ist. Die übrige Wandfläche ist aber mit einem Täfelwerk aus

Denkmäler der Baukunst. LXXXXVIII. Lieferung.
 
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