Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Gailhabaud, Jules; Kugler, Franz [Hrsg.]
Jules Gailhabaud's Denkmäler der Baukunst (Band 2): Denkmäler des Mittelalters, Erste bis fünfte Abtheilung — 1852

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.3502#0180

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Die Kirche Saint-Front zn Perignenx.

Als Caesar Gallien unterjochte, wurde Perigord von einem Volke bewohnt, das er die Petrocorii
nennt. Der Landstrich, den dieses Volk bewohnte, wurde anfangs zu dem aquitanischen Celtenland ge-
rechnet, und später unter der Regierung Valentinians zu der Aquitania secunda. Die Hauptstadt Vesone
(Vesunna) war blühend unter römischer Herrschaft. Wahrscheinlich nahm Vesone um das siebente Jahr-
hundert nach mehrmaliger Zerstörung den Namen Petrocorium oder Petrigordium an, aus dem der heutige
Perigueux geworden ist. Aber die jetzige Stadt verdankt ihren Ursprung der alten Vesone nicht allein,
sondern noch einer andern Stadt, die sich nach und nach um ein sehr altes auf einer Anhöhe gelegenes
Kloster gebildet hatte, welches das hochverehrte Grab des heiligen Fronto in sich fasste. Diese neue
Stadt, die wegen jener beiden Umstände Puy - Saint • Front hiess, war ganz geschieden von der anderen,
die man vorzugsweise die Stadt, die Cite nannte. Als Suger Puy - Saint - Front zu einer städtischen
Commune constituiren wollte, widersetzte sich die Cite, von der jenes abhängig war, und es entstand
daraus ein sehr unglücklicher Krieg, der endlich im Jahre 1220 mit einem Vertrage endigte, nach dem
beide Städte in eine vereinigt wurden. Die vereinigte Stadt erfreuete sich grosser Vorrechte; sie hatte
ihre eigene Verwaltung und stand unmittelbar unter dem Könige. In der Folge wurde sie von Philipp
August den Engländern genommen, die die Herren Aquitaniens waren, durch Ludwig, den Heiligen, wieder
zurückgegeben, von Philipp dem Schönen wieder genommen, von Neuem im Jahre 1360 durch den Vertrag
von Bretigny zurückgegeben, bis sie endlich unter Carl V, der sie eroberte, den königlichen Domainen
einverleibt wurde, zu denen sie seit jenem Könige bis zu den neuesten Zeiten gehörte.

Man kennt von der Geschichte der Kirche Saint-Front sehr wenig; eine grosse Zahl von Urkunden,
die sich auf sie bezogen, wurde im sechszehnten Jahrhundert während der Religionskriege zerstört. Alte
Chroniken erzählen, dass der heilige Fronto, der Apostel dieser Gegend und der erste Bischof von
Vesone, der im ersten Jahrhundert lebte, eine Kapelle an dem Orte erbauete, auf dem jetzt die Kathedrale
steht oder unmittelbar daneben gegen Südwesten. Im Anfang des sechsten Jahrhunderts ersetzte ßischof
Chronopus der Zweite diese Kapelle, wenn sie überhaupt existirte, durch eine Kirche, die er nach dem
heiligen Fronto nannte. Man weiss nicht, wann diese letztere zerstört wurde, und vermuthet, dass
dies um die Zeit der Einfälle der Normannen geschah.

Man glaubt allgemein nach dem Zeugniss des Paters Dupuy, der folgende Stelle einer alten Hand-
schrift anführt, die sich einst in dem Besitze des Pfarrers von Saint-Antoine befand ): „Hie episcopus
(Froterius) tnacjnnm monasterium aedificare coepit," dass die gegenwärtige Kirche um das Jahr 990 unter dem
Bischöfe Froterius von Gourdon erbaut, und am 21. März 1047 durch den Erzbischof von Bourges, Aymon,
eingeweiht worden sei, als Gerhard von Salignac Bischof war **). Ein ausgezeichneter Forscher,
de Verneilh, der aus diesem Baudenkmal ein besonderes Studium gemacht hat, glaubt nach gleich-
zeitigen Chroniken die Erbauung desselben von 1010 bis 1047 setzen zu können, welche Chroniken einen
Zeitraum von vierzig Jahren zwischen der Abreise des Bischofs von Perigueux nach Palästina und der
Einweihung der Kirche feststellen, er glaubt dies ferner aus dem Datum der Gründung der Marcuskirche
in Venedig, das wir kennen, schliessen zu dürfen, die er für einen Prototypus von Saint-Front nimmt, eine
irrthümliche Annahme, wie wir weiter unten zeigen werden. Beide Meinungen differiren wenig, wie man
sieht, und kommen darin überein, dass Saint-Front vor der zweiten Hälfte des elften Jahrhunderts erbaut
sei. Uns erscheint es hingegen äusserst wenig wahrscheinlich, dass dem wirklich so sei. Dass eine
Kirche durch Bischof Froterius erbaut und im Jahre 1047 eingeweiht worden sei, daran darf man nicht
zweifeln, da historische Zeugnisse dafür vorhanden sind. Aber dass dies die Kirche sei, die wir jetzt
sehen, mit ihren korinthischen Capitellen und ihren Kuppeln, daran dürfen wir zweifeln. Zunächst ist die
Ornamentation, so viel wir darnach urtheilen können, dem Style nach, wenn auch nicht der Ausführung
nach, um vieles weiter als diejenige, der wir gewöhnlich im Anfange des elften Jahrhunderts begegnen;
sie zeigt jenen Einfluss antiker Monumente, der sich, wie wir auch schon anderwärts zu bemerken Ge-
legenheit fanden, viel bemerklicher im zwölften als im elften Jahrhundert macht. (M. s. die Capitelle auf
Tafel III Fig. 7.) Sodann sind in Saint-Front die grossen Gurtbogen spitzbogig, ein Umstand, der immer
zumal im Süden sehr charakteristisch ist, wo der Spitzbogen sich im Allgemeinen viel später als im
Norden zeigt, worauf man bei Bestimmung des Alters des Bauwerks viel zu wenig Gewicht gelegt hat.
Endlich giebt es noch zwei Stellen in alten Chroniken, die der Pater Labbe ***) anführt, die positiv

*) Estat de l'eglise du Perigord, t. I, p. 208.
**) A. a. O. t. II, p. 12. Diese Weihung findet sich in dem Calendarium des grossen Buches vom heiligen Sillain.
***) T. II, p. 219.

Denkmäler der Baukunst. IL Lieferung. 2>ic ■ftirdjc Saint: {front tu perigueux. 1.
 
Annotationen