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Gailhabaud, Jules; Kugler, Franz [Hrsg.]
Jules Gailhabaud's Denkmäler der Baukunst (Band 2): Denkmäler des Mittelalters, Erste bis fünfte Abtheilung — 1852

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https://doi.org/10.11588/diglit.3502#0157

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Die Cathedra oder der Bischofsstuhl in der Kirche San Lorenzo

ausserhalb der Mauern Roms.

Im Hintergründe des Sanctuariums der Kirche San Lorenzo ausserhalb der Mauern Konis und in der
Nähe der kostbaren Marmorsäulen, die bei dem alten Eingange der von Constantin zu Ehren des Martyrs
Laurentius erbauten Basilika stehen, sieht man eine Cathedra oder einen Bischofsstuhl, der durch seinen
decorativen Reichthum, durch die Ausdehnung und den Schmuck seiner Nebentheile eines der schönsten
Monumente dieser Art ist, die Italien besitzt. Er steht auf einem reichen Porphyr - Pflaster, das den
ganzen Hinterraum der Kirche bedeckt, und ist im dreizehnten Jahrhundert, und ohne Zweifel zu derselben
Zeit gearbeitet wie die beiden Ambonen, die das Hauptschiff schmücken und in dieser Sammlung mit-
getheilt wurden. Es ist wahrscheinlich, dass dieser ganze Schmuck der Kirche auf Befehl des Pabstes
Innocenz IV gearbeitet wurde, der nach dem Bau der Westfacade derselben unter einem seiner Vorgänger.
dem Pabste Honorius III, das Schilf und das Chor der Kirche zu meubliren für nothwendig fand. Eine
Jahreszahl an dem Bischofsstuhl setzt seine Entstehung nach der Regierung des ersten dieser beiden
Päbste; folgende Inschrift ist an ihm zu lesen:

XPI. NASCENTIS. IN SECVLV TBRO MA1VE\TIS;

ANJVVS MILLENVS QVIJVQUAGB1V VS QVARTVS, D VCES1TEN VS.

Wie in dem grössten Theil der Kirchen aus den ersten Zeiten des Christenthums ist dieser Stuhl
zum Sitz des Bischofs während des Gottesdienstes bestimmt, die zur Rechten und Linken befindlichen
Bänke aber für die übrige Geistlichkeit. Gewöhnlich hat dieser Bischofsstuhl im Hintergrunde der Apsis
und hinter dem Altare seinen Platz, und die Sitze des Clerus ziehen sich im Halbkreise an den Wänden
des Chores umher. liier bilden die Bänke für die Priester eine gerade Linie, weil das Sanctuarium der
Kirche San Lorenzo keine Apsis hat, indem der ursprüngliche Eingang in die Kirche an der Stelle sich
befand., die heute hinter der Kathedra liegt.

Fig. 1 unserer Bildtafel zeigt die Anordnung des Ganzen. Auf der ersten Stufe, die die ganze
Länge des Sanctuariums an dieser Stelle einnimmt, ersteigt man die beiden Bänke des Clerus. Ueber
diesen Bänken trägt ein Porphyrsockel die Schranken wände, welche von einem Karnis mit antiker Ver-
zierung, in der man aber den eckigen Meissel des Mittelalters erkennt, eingerahmt werden. Diese niedrigen
Schrankenwande sind jede in vierzehn Felder getheilt, welche von reichen, in Schmelzmosaik ausgeführten
Stemen-Bändern umzogen werden. Die Felder oder Füllungen wrerden durch Platten von schönem rothen
oder grünen Porphyr gebildet, deren tiefe Farbe herrlich gegen den weissen Marmor der Einrahmung
contrastirt und mit den sie umgebenden musivischen Bändern eine prächtige Wirkung macht. Hübsche
Pilaster von weissem Marmor mit Mosaikfüllungen machen das Ende der Schrankenwande und tragen mit
freistehenden kleinen gewundenen Säulen an den Ecken, deren Schäfte ebenfalls musivisch verziert sind,
den die Schrankenwand nach oben hin abschliessenden Architrav, dessen oberer Streifen mit einem musi-
vischen Sternenbande verziert ist. Der Sitz des Bischofs befindet sich in der Mitte dieser Schranken des
Sanctuariums; man ersteigt ihn auf vier Stufen; er ist mit einer grossen rothen Porphyrplatte, die von
einem schmalen Bande in Glasmosaik umgeben wird, geschmückt. Die Armlehnen werden durch zwei
aufrecht stehende Marmorplatten gebildet, deren Vorderflächen mit musivischen Bändern verziert sind; oben
sind dieselben zum Auflegen der Ellenbogen in einer Curvenlinie ausgeschnitten (m. s. den Durchschnirt Fig. 2.).

Alle diese Theile des Bischofsstuhles sind sehr einfach und harmonisch mit dem Uebrigen decorirf,
nur die Rückenlehne ist äusserst reich verziert, wovon die Zeichnung allein eine angenäherte Vorstellung
CFig. 3) geben kann. Das Gold und die glänzenden Schmelzfarben, die ernste dem Porphyr eigenthümliche
Färbung, haben in derselben nur durch Schwarz und Weiss — die einzigen Hülfsmittel, die der Kupfer-
stich bietet — wiedergegeben werden können; man kann sich aber die Wirkung denken, die diese Kreise
von verschiedener Grösse hervorbringen; da ist grüner Porphyr, dessen Tönung dunkel, und rother Porphyr,
dessen Tönung heller ist; alle diese Kreise sind von reichen musivischen Bändern umgeben, deren Details
die Figuren 5, 6, 7, 8, 9 und 10 unserer Tafel zeigen; sie lassen die unendliche Geduld erkennen, die
diese Arbeit erforderte, die grösstentheils in den Klöstern durch Mönche ausgeführt wurde, deren einziges
Bemühen war etwas Schönes hervorzubringen, um die Augen der Gemeine zu fesseln und so zum glänzenden
Schmuck der Kirche beizutragen. Die Ausführung dieser schönen Mosaiken, die man nur in Italien
antrifft, hat grosse Schwierigkeiten, weil sie mühsam in Marmor incrustirt sind und weil die geometrischen
Muster, die sie zeigen, wegen der geringen Dimensionen ihrer Stücke, aus denen sie zusammengesetzt
sind, die äusserste Sorgfalt in der Gestaltung aller dieser einzelnen Stücke nothwendig machte. Diese
Denkmäler der Baukunst. CXXXXI. Lieferung.
 
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