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Gailhabaud, Jules; Kugler, Franz [Hrsg.]
Jules Gailhabaud's Denkmäler der Baukunst (Band 2): Denkmäler des Mittelalters, Erste bis fünfte Abtheilung — 1852

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https://doi.org/10.11588/diglit.3502#0031

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Die Amboneii der Kirche S. Lorenzo ausserhalb der Mauern Roms.

Die Kirche S. Lorenzo ausserhalb der Mauern Roms, die noch so viele kostbare Reste altchrist-
licher Anordnungen bewahrt, besitzt auch noch mehrere alte Kirchenmeubles, zu denen zwei Ambonen
gehören, die in Grund- und Aufriss so wie in ihren Details auf zwei unserer Bildtafeln dargestellt
worden sind.

Auf den Längenseiten der Chorschranken, die das Hauptschiff der Basiliken zieren, erheben sich
die Ambonen oder Kanzeln, die zur Verlesung der heiligen Schrift und zur Predigt bestimmt waren.
Gewöhnlich sind es ihrer zwei, wie noch heute die Basiliken S. Maria in Cosmedin, S. demente und
S. Lorenzo fuori le mura sie zeigen ). Diese Kanzeln von kostbarem Marmor gearbeitet und mit Mosaiken
verziert, sind nach einem trefflichen Prinzip und mit vieler Sorgfalt erbaut, was ihre gute Erhaltung
beweist; nach so vielen Jahrhunderten, die sie überdauert haben, sind sie heute noch unversehrt und
zeigen keine Spur von Verfall.

Diese Ambonen sind an den Langseiten der Schranken des Unterchores aufgestellt, der den hinteren
östlichen Theil des Hauptschiffs einnimmt und für die niedere Geistlichkeit, für die Lectoren und Cantoren,
die Diakonen und Subdiakonen bestimmt war; beide Ambonen stehen sich gegenüber; die Treppen, die
auf sie hinaufführen, waren nur von diesem umschränkten Chore aus zugänglich. Ungeachtet dieser
symmetrischen Stellung haben beide Ambonen doch nicht einerlei Gestalt sondern verschiedene, die durch
ihren verschiedenen Gebrauch bedingt wird; der eine diente zur Verlesung der heiligen Bücher, der an-
dere zur Predigt. Der erstere zeigt daher ein marmornes Lesepult, das nach Art eines aufgeschlagenen
Buches gebildet ist (m. s. Fig. 2 und 3 unserer Tafel), und von einem marmornen Säulchen getragen
wird, das man in unserer Zeichnung nicht sehen kann. Der Lector erstieg diese Lesetribüne auf elf
Stufen, von denen die vier ersten auf ein Podest bringen, auf dem sich die Treppe im rechten Winkel
wendet (m. s. den Grundriss Fig. 3). Das Pult war gegen den oberen Chor und somit nach dem Haupt-
Altar hin gerichtet, weshalb denn auch der Lector bei seiner Vorlesung der heiligen Schrift dorthin ge-
wendet stand, eine Anordnung, die nur im Hituale begründet sein kann.

Die ganze Anordnung und Decoration dieses Ambo ist sehr einfach. Auf einem Sockel, der aus
einem einzigen Stück reich geäderten Marmors besteht und mit einigen Simswerken verziert ist, ruhen
Tafeln von einer violetten Breccie, die durch Pfeiler von demselben Material unter einander verbunden und
gehalten werden. Beide, Tafeln wie Pfeiler, stehen auf einem durchlaufenden Fussgesiins und werden
oben durch ein Simswerk gekrönt. Die oberste Partie des Ambo, nämlich diejenige, welche das Lesepult
umgiebt, ruht auf einem etwas vorspringenden Simse, und ist eben so wie das Uebrige aus Marmortafeln
und dazwischen stehenden Pfeilern construirt und mit einem Simswerk nach oben abgeschlossen. Marmorne
Kugeln sind auf den oberen Gesimsen über den Pilastern immer da aufgesetzt, wo es die oberen Con-
stitutionen nicht hindern.

Der zweite Ambo, dessen Grundriss Figur 1 und dessen Ansicht die andere Bildtafel zeigt, war
zur Predigt bestimmt und dient dazu noch heute. Er steht dem vorher beschriebenen gegenüber und auf
der Südseite des niederen Chores. Er hat eine Verstümmelung erfahren, indem der im Grundriss punetirte
Theil der Treppe, auf der der Diaconus nach gehaltener Predigt wieder vom Ambo herabstieg, heute nicht
mehr vorhanden ist. Trotz dieser Verstümmelung ist dieser Ambo doch noch einer der schönsten, die
man in Italien sieht, sowohl wegen des kostbaren Marmors und der schönen Mosaiken, mit denen er
geschmückt ist, als auch wegen seiner edlen Verhältnisse. Die nach dem Chor gewendete Facade
desselben besteht erstlich aus einem Unterbau, der zwei Stufen als Sitze für die Cleriker und an der
Ostseite eine Treppe enthält, die mit fünf Stufen zu dem ersten Treppen - Podest bringt. Bis hierher ist
dieser Ambo dem gegenüberstehenden noch ganz ähnlich. An der östlichen Seite dieser Treppe erhebt
sich auf einem Sockel eine reiche gewundene Säule, deren Canneluren mit brillanten Mosaiken ausgefüllt
sind; ihre attische Basis, die auf zwei ruhenden Löwen steht, ist zart profilirt, ihr korinthisches Capitell
nicht ohne Eleganz, eine eiserne Spitze überragt dasselbe und ist als Dorn für die Osterkerze bestimmt. —
Auf diesem Unterbau folgt der eigentliche Ambo, derselbe besteht aus einem unteren rechtwinkligen Theil
und aus einem oberen trapezförmigen; der untere wird von einer mit Herzlaub verzierten Welle einge-
chlossen und enthält zwei grosse viereckige Porphyrtäfelungen mit einer kreisrunden in der Mitte. Diese

s

*) Diese Ambonen leiten ihren Namen nicht von dem lateinischen Zahlworte ambo her, wie der franzosische Textschreiber
irrthiimlich meint, sondern von dem griechischen ufißmr, lat. ambo, das einen erhöhten Ort, eine Tribiine bedeutet. Aus-
führlicheres über diesen Gegenstand kann der Leser in unserem Aufsatze zum Lettner der Maydalenenkirche in Trm/es finden.

L. L.

Denkmäler der Baukunst. CVII1. Lieferung.
 
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