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Gailhabaud, Jules; Kugler, Franz [Hrsg.]
Jules Gailhabaud's Denkmäler der Baukunst (Band 2): Denkmäler des Mittelalters, Erste bis fünfte Abtheilung — 1852

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https://doi.org/10.11588/diglit.3502#0269

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Der Dom St. Martin von Mainz.

Der Dom von Mainz wurde im Jahre 978 durch den sieben und fünfzigsten Bischof von Mainz, den
berühmten Willigis, das Haupt der deutschen Kirche und Kanzler Kaiser Otto's II gegründet. Willigis
war ein Mann von grosser Klugheit und Gelehrsamkeit, besonders aber ein grosser Kirchenbaumeister.
Er war so glücklich seinen Dombau nach ein und dreissig Jahren, nämlich im J. 1009 beendet zu sehen,
wo er die neue Kirche den heiligen Martin und Stephan weihte. Aber zum Unglück wurde dieselbe am
Tage ihrer Einweihung selber durch Feuer zerstört. Die Feier dieser Einweihung hatte mehrere Bischöfe und
andere vornehme Personen in dem neuen Dome versammmelt, dessen Inneres gegen Abend erleuchtet
wurde; da ergriff, man weiss nicht durch welchen Umstand, das Feuer die Decke und verbreitete sich
schnell über das ganze Gebäude. Die Geschichte erzählt uns nicht, was von dem Bau des Willigis dem
Brande entging, aber das scheint gewiss, dass sein Dom von Stein erbaut war. Erstlich lässt sich dies
aus der langen Bauzeit schliessen und dann haben wir eine Art Bestätigung davon in dem Zeugnisse
eines Schriftstellers des fünfzehnten Jahrhunderts, des Abtes Tritheim, der wie wir denken seine Nach-
richten aus guten Quellen schöpfte, die vermuthlich heute nicht mehr vorhanden sind; Tritheim erzählt
aber, dass Willigis seinen Dom um die genannte Zeit mit vielem Aufwand und von Grund auf aus schönen
Hausteinen neu zu bauen begann. *)

Die Decke, die im J. 1009 verbrannte, war gewiss aus Holz, und mag den Holzdecken der römischen
Basiliken ähnlich gewesen sein. Am Ende des X Jahrhunderts baute man häufig die Decken noch aus
Holz; die Kunst gewölbte Decken über grosse Räume zu spannen war damals in Deutschland noch nicht
sehr weit vorgeschritten, und wenn man auch die Wände einer Kirche aus Stein aufführte, so war doch
die Decke derselben gewöhnlich aus Holz construirt.

Erzbischof Willigis begann gleich nach dem Brande wieder den Bau seines unglücklichen Domes
mit grossem Eifer, er erlebte aber die Vollendung desselben nicht mehr, denn er starb schon zwei Jahre
nach dem Brande, im J. 1011 in hohem Alter, nachdem er sechs und dreissig Jahre sein Erzbisthum ver-
waltet hatte. Seine Nachfolger führten den Dombau nur langsam weiter, der erst unter Bardo, dem
sechszigsten Erzbischof von Mainz im J. 1037 vollendet wurde. Bardo weihte in diesem Jahre den Dom
von Neuem in Gegenwart Kaiser Conrads II ein.

Aber schon vierzig Jahre darauf, im J. 1081, zerstörte ein zweiter Brand den Dom wieder und mit
ihr noch drei andere Kirchen, die in seiner Nähe standen.

Der Styl im Grossen wie auch die Details, sowohl Profile wie Ornamente, sodann der gut aus-
gesprochene Character des östlichen Theils des Domes von Mainz lassen annehmen, dass er zum Theil
wohl von dem ersten Bau des Willigis herrühren möge. Die beiden Seiteneingänge, die sehr alt aussehen,
tragen zur Bestätigung dieser Annahme bei. Die runde Apsis und die beiden Seitenthüren scheinen uns
dem Bau Bardo's anzugehören. Die Apsis mit ihrer zierlichen oberen Gallerie hat die grösste Aehnlichkeit
mit der des Domes von Speier, die aus der zweiten Hälfte des XII Jahrhunderts datirt und dieser als
Vorbild gedient haben mag.

Das schöne Schiff unseres Domes wurde vom Erzbischof Bardo von 1011 bis 1037 erbaut mit Aus-
nahme der Gewölbe, die aus dem Ende des XII oder dem Anfange des XIII Jahrhunderts herrühren.
Im Jahre 1191 zerstörte ein neuer Brand den Dom noch vollständiger als die früheren. Die Restauration
des Schiffes, die Erzbischof Conrad von Witteisbach unternahm, kann erst um das Jahr 1196 beendigt
worden sein; denn die Chronisten erzählen, dass erst in dieser Zeit das Dach des grossen östlichen
Thurmes vollendet wurde; und es ist anzunehmen, dass man nicht das Höherliegende werde angefangen
haben ehe man nicht das Niedrigere beendigt hatte. Zwei Jahre später, 1198 wurde Kaiser Philipp von
Schwaben, der Sohn Friedrich Barbarossa's, zu Mainz durch den Erzbischof von Tarent gekrönt, da Erz-
bischof Conrad in Palestina war. Wenn bewiesen werden könnte, dass diese Krönung im Dome statt
fand, was höchst wahrscheinlich ist, so würde ein Beweis dafür da sein, dass damals die Restauration
des Schiffs des Domes mindestens ihrer Vollendung nahe war.

Am Ende des zwölften Jahrhunderts oder in den ersten Jahren des dreizehnten erbaute man das
westliche Querschiff und das westliche Chor. Der Bau dieser Theile rückte nur langsam weiter, das Land
war durch Krieg und Raub erschöpft, und die Einkünfte des Staats und der Geistlichkeit flössen nur
schwach dem Domschatze zu. Zuletzt waren die Baugelder so gering, dass Erzbischof Siegfried II eine

*) His temporibus Willigisus majorem Ecclesiam de domo S. Martini novam a f'iimlamentis pulohro tabnlafo lapideo pretio-
sissime exstruere coepit.
Denkmäler der Baukunst. CXXXX. Lieferung.
 
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