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Gailhabaud, Jules; Kugler, Franz [Hrsg.]
Jules Gailhabaud's Denkmäler der Baukunst (Band 2): Denkmäler des Mittelalters, Erste bis fünfte Abtheilung — 1852

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https://doi.org/10.11588/diglit.3502#0018

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Die Kirche St. Maria in Cosmedin zu Rom.

In dem Theil des alten Roms, der zwischen der Tiber und dem Aventinischen Hügel liegt und Velabrum
genannt wurde, den in der Gegend des Flussufers entlang Tarquinius Priscus verschönerte und den man
deshalb pulchrum littus nannte, haben sich noch bis auf unsere Zeit einige antike Gebäude tbeilweise er-
halten. Dem Rundtempel gegenüber, den man gewöhnlich wiewohl fälschlich für einen Vestatempel nimmt, *)
befand sich ein grosser peiipterischer Tempel von länglicher Gestalt, von dem sich noch Spuren erhalten
»aben. Einige Antiquare halten denselben für den von dem Consul Aemilius erbauten Tempel der Pudicitia,
andere für den der Fortuna oder der Matuta; es ist wahrscheinlicher, dass die noch vorhandenen Reste,
von denen wir gleich reden werden, einem dieser letzteren beiden Gottheiten geweihten Tempel angehört
'iahen, doch bleibt es unentschieden welchem von beiden.

In den Ruinen dieses grossen antiken Gebäudes erhebt sich die Kirche St. Maria in Cosmedin, vom
Volke la bocca dclla veritä genannt. Nach Platner **) war der hier gestandene Tempel von länglich vier-
eckiger Gestalt mit 8 Säulen in der Front und wahrscheinlich 15 an jeder Seite. Acht derselben sieht
man noch ganz erhalten in den Wänden der Kirche eingemauert; nämlich vier in der Wand der Vorder-
seite derselben, zwei im Vorgemache der Sacristei, und zwei andere in der Wand des linken Seitenschiffes;
eine dritte befand sich eben daselbst bis zur Erneuerung der Kirche unter dem Pontificate Clemens IX.
Die Säulen sind von weissem Marmor, cannelirt und von römischer Ordnung, ihr Durchmesser beträgt
etwas über 2 Fuss und ihre ganze Höhe gegen 21 Fuss; ihre Capitelle zeigen einen mit Zierrathen über-
ladenen Bau-Styl, der etwa dem des III Jahrhunderts entspricht.

Schon in den früheren Zeiten der Oberherrschaft des Christenthums war in den Ruinen dieses Tempels
nach Anastasius eine kleine Kirche errichtet, deren Erbauung eine grundlose Sage Pabst Dionysius zuge-
sehrieben hat. Die gänzliche Zerstörung des Tempels erfolgte gegen das Ende des VIII Jahrhunderts bei
er vom Pabst Hadrian I unternommenen Erbauung der grösseren Kirche. Diese gehörte ursprünglich einer
leclerlassung von Griechen, und führte daher den Namen S. Maria in Schola c/raeca oder in Schola Graecorum.
an tat. diese Benennung mit, einer Schule der griechischen Sprache zusammengebracht, die nach der Tra-
l ion ei dieser Kirche bestanden haben soll; auch lässt die Sage den h. Augustin hier in einem der Kirche
• A^f ^ Gel)äuue öffentlich Philosophie lehren. Doch ist jene Tradition vermuthlich aus der Benennung
Gern ' "^ r/raeca" entstanden, bei der nicht sowohl an eine griechische Schule sondern an eine griechische
"■ebriucht *' en *st' indem das Wort schola sehr allgemein im Sinne von Gemeine oder Versammlung
o. . , „C' dieser alte Beiname der Kirche findet sich noch heute in der Benennung einer kleinen

, .. ,. . C,1 en tueser Kirche wieder, die Via della Greca heisst. Der Beiname in Cosmedin, den auch
andere italienische Kw.v.„ *>.., ™ • ^, -, i

,1T. , , „ VUL"en innren, *•"**) ist von der Benennung eines Platzes in Constantinopel hergenommen.

Wir verdanken diesen au t . . „ ., p ,■ T* -, . ;. ^ .

i>acjiweis Niebuhr. durch ihn wird lene früher aulgestellte Herleitung dieses Bei-
namens von dem grieehie«.i, ~> • - n • i - ■» « i .. „ ■%

. t „^ _3 lu*>uien Kotruog abgewiesen, wornach derselbe etwa so viel wie „die Schone" be-

zeichnen sollte. Nach der ivi;+t , , , n • , v ^ i i i

... ... „ „ «utte des XU Jahrhunderts wurde dieser Beiname der Kirche vorherrschend, wie

pabstliche Bullen vom Jahre 117- . »v *t u / i in •,. u e-u .

~. . . , 1175 an beweisen. Den Volksnamen la bocca della venta aber iuhrt unsere

Kirche von einer colossalen »ntii,„ t» ■ • i • t i w i. n i • i •■ ir i

,,, , , ,, . , antiken Brunnenmaske, die sich im Inneren der Vorhalle und in der nördlichen

Wand derselben seit dem Jahre ir-üi . I , i -i -r il •* • i t i i i t i

TT „ "x lö<*2 eingemauert findet, nachdem dieselbe seit vielen Jalirhunderten an der

Aussenseite ener Halle angelehnt ™„ ^ . ...... rr e v ..a- . »i j i

J b^ieunt gewesen war. Es ist ein bartiger Kopf mit weit geoftnetem Munde und

darunter angedeuteten Krebsscheeren, die ihn nach Winckelmann als Triton bezeichnen. Nach einer Volks-
sage mussten früher Schwörende die Hand in den Mund dieser Maske stecken, die einen falschen Schwur
durch Schliessen des Mundes, wie man sagte, anzeigte, welche Eigenschaft sie aber nach einem und zwar
dem Wortlaute nach richtigen aber im Herzen falsch gemeinten Schwüre eines des Ehebruchs angeklagten
Weibes ■••) verloren haben soll. Diese ganze Sage knüpft sich indessen höchst wahrscheinlich an das be-
rühmte Heiligthum des Dius fidius mit dem Altar, bei dem die Eide abgelegt wurden, den Servius (der
Scholiast des Virgil) noch sah und als merkwürdig nennt, ein Heiligthum, das vielleicht erst hinter der

') Einige Antiquare wollen in ihm den Rundtempel des triumphirenden Hercules erkennen, der mit der ara maxima noch aus
der Zeit der Republik dat.rt und dem alten Tempel der Pudicitia patricia aus eben dieser Zeit gegenüber lag. - - Der so-
genannte Vestatempel ist schon im Mittelalter zu einer Kirche umgewandelt worden und heisst als solcher heute S, Stefano
delle Carozze oder S. Maria del Sole.
**) Beschreibung der Stadt Rom. III Theil.

***) Eine Kirche mit diesem Beinamen findet sich in Ravenna, eine andere zu Neapel, die auch S. Maria di Porta nuova und
S. Maria in Ceinino genannt wird.
****) Man lese diese Erzählung in der schon oben citirten Beschreibung Roms.
Denkmäler der Baukunst. LXXXVII. Lieferung.
 
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