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Gailhabaud, Jules; Kugler, Franz [Hrsg.]
Jules Gailhabaud's Denkmäler der Baukunst (Band 2): Denkmäler des Mittelalters, Erste bis fünfte Abtheilung — 1852

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https://doi.org/10.11588/diglit.3502#0019

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Die Kirche St. Maria in Cosmedin zu Rom.

Schola graeca unter Sixtus IV in dem alten runden Tempel zerstört wurde. In seiner Nähe befand sich
ein Brunnen, dessen Mündung jene Maske schmückte; auf sie ging sehr wahrscheinlich jene Thatsache
der beim Altare des Dius fidius zu schwörenden Eide von der Tradition umgemodelt über, und so hat
die Kirche ihren heutigen Volksnamen erhalten.

Unter dem Pontificate Calixtus II (1119—1124) scheint eine gänzliche Erneuerung der Kirche vornemlich
auf Kosten eines gewissen Alphanus, Kämmerers (Camerlingo) dieses Pabstes statt gefunden zu haben. Aus
dieser Zeit rührten wahrscheinlich die Wandmalereien her, die zwischen den Jahren 1649 und 1660 bis auf
wenige Reste, die noch Crescimbeni *) sah, überweisst wurden.

Unter Pias V befand sich die Kirche in sehr verfallenem Zustande; die Ausdünstung eines Sumpfes,
den das vom Palatin herabUiessende Wasser zwischen S. Anastasia und S. Giorgio in Velabro gebildet
hatte, machte diese ganze Gegend sehr ungesund und bewirkte, dass die Kirche sehr gering besucht wurde,
zu deren Vorhalle man wegen des sich im Laufe der Zeiten angehäuften Schuttes und dadurch erhöhten
Erdbodens 5 Fuss tief hinabsteigen musste. So kamen denn im Jatire 1656 die Domherren dieser Kirche
bei dem Pabste ein und baten ihn, ihr Capitel in eine andere Kirche zu verlegen. Zwar wurde nun der
Sumpf ausgetrocknet, aber die Kirche kam doch erst vom Jahre 1715 an wieder in Aufnahme, in welchem
Jahre Pabst Clemens XI den Platz vor der Kirche wieder auf die Höhe ihres Fussbodens hatte zurück-
bringen lassen. Bald darauf erfolgte eine gänzliche Erneuerung des Gebäudes, zu welcher theils der Pabst,
theils der Cardinal Annibal Albani die Kosten lieferte. Diese Erneuerung veranlasste den Verlust mancher
Alterthümer und vollendete die moderne Gestalt, in die man im XVII Jahrhundert angefangen hatte das
Gebäude umzuformen. So stellt sich denn die Vorderfacade der Kirche heut in einem Rococo-Gewände
im Styl des Borromini dar, das nach den Zeichnungen Giuseppe Sarti's unter dem Pontificate Clemens XI
zugeschnitten wurde. Das untere Stockwerk wird von Arcaden eingenommen, in der Mitte von einer Halle,
über der sich ein Giebel erhebt. Eine Attike stellt sodann die horizontale Linie wieder her, über der sich
die westliche Wand des Mittelschiffs erhebt, gegen die sich rechts und links breite Consolen anlehnen, die
die Dachneigung der Seitenschiffe verstecken sollen. Die mittlere obere Partie dieser Facade ist dann mit
Nischen, mit Bogengiebeln, kurz mit allen Accessorien dieses schlechten Baugeschmacks geziert worden.

Man geht durch ein sogenanntes Vestibulwn oder Prothyron in die Vorhalle der Kirche ein. Es besteht
dieses Vestibulum aus einem von vier Säulen getragenen Dache; diese Säulen sind antike, zwei derselben
sind von Granit, zwei von weissem Marmor; man bemerkt zwischen ihnen zwei eiserne Stangen mit Ringen,
die ehemals zur Befestigung von Vorhängen dienten.

Früher ging wahrscheinlich der Kirche ein Atrium, ein von Hallen umgebener Vorhof vorher. Man stiess
nämlich beim Aufgraben des Schuttes an dieser Stelle auf Gräber, die wahrscheinlich dem ehemaligen Vor-
hofe der Kirche angehörten, der ehemals zugleich als Begräbnissstätte der Gemeine (daher der Name Kirchhof)
benutzt zu werden pflegte. Erst später kam man darauf selbstständige Begräbnissplätze aber in der Nähe
der Kirchen und in der Weise ihrer Atrien anzulegen. (So das Campo santo in Pisa.)

Die Vorhalle oder der Narthex der Kirche ist ein langer schmaler Raum, der sich in der ganzen Breite
der Kirche derselben vorlegt. Derselbe ähnelt in keiner Weise mehr dem alten Narthex und hat wie die
Kirche selber eine Umgestaltung erfahren und wie sie eine gewölbte Decke erhalten.

Drei Thüren führen aus dem Narthex in das Innere der Kirche. Dieselbe ist eine einfache dreischiffige
Basilika, deren Mittelschiff sich eine halbkreisrunde Apsis von der Breite desselben anschliesst. Die Seiten-
schiffe werden von dem Älittelschiffe durch Säulenreihen getrennt, die mit Halbkreisbogen aus Ziegelsteinen
überspannt sind und auf diese Weise die über die Dächer der Seitenschiffe sich erhebenden Wände des Mittel-
schiffes tragen. Die genannten Säulenreihen werden der sicherern Construction wegen durch vier Pfeiler in
drei Abtheilungen getheilt, von denen die beiden vorderen an jeder Seite drei Säulen, die dritte und östliche
aber je vier Säulen zwischen den Pfeilern und der östlichen Wand der Kirche enthalten, doch so, dass da-
durch an jeder Seite nur drei Arcaden entstehen (s. den Grundriss und die perspectivische Ansicht des
Inneren der Kirche). Die Säulen sind antike und theils aus Marmor theils aus Granit. Ihre Capitelle sind
ebenfalls antik und alle verschieden. Die Fenster, die das Mittelschiff erhellen, sind klein und im Rund-
bogen geschlossen. Der Fussboden der Kirche zeigt ein aus Porphyr, Serpentin und farbigen Marmorstücken

*) Dello stato della Chiesa di S. Maria in Cosmedin. Rom 1719.
 
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