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Gailhabaud, Jules; Kugler, Franz [Hrsg.]
Jules Gailhabaud's Denkmäler der Baukunst (Band 2): Denkmäler des Mittelalters, Erste bis fünfte Abtheilung — 1852

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https://doi.org/10.11588/diglit.3502#0020

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Die Kirche St. Maria in Cosraedin zu Rom.

gebildetes Opus Alexandrinum, das nach einer Inschrift *) in demselben jener oben erwähnte Alphanus her-
stellen Hess.

In der zweiten Travee des Mittelschiffs liegt um eine Stufe über den Kirchenboden erhoben die Solea**)
oder der Chor, so genannt von den hier sitzenden Sängern (xpalrcu, cantores) und Diaconen. Hier befinden
sich zur Rechten und Linken die beiden Ambonen oder Kanzeln'**) von weissem Marmor und von Paonazzetto,
derAmbo des Evangeliums (zur Rechten des Beschauers auf der perspectivischen Ansicht des Inneren) auch
mit Porphyrplatten belegt. Der Sockel dieser Ambonen verbreitert sich nach der Axe des Mittelschiffs hin
zu einer Bank für die hier sitzende niedere Geistlichkeit. Auf einem kleinen Pfeiler neben dem Evangelien-
amho nennt eine Inschrift einen Paschalis als den Meister des Leuchters für die Osterkerze, der aus orien-
talischem Alabaster verfertigt war und unter Gregor XIII nach Florenz versetzt wurde. Dieser Leuchter
wurde im Jahre 1717 durch eine kleine antike korinthische Säule von weissem Marmor ersetzt, deren ge-
wundene Canneluren mit Mosaik geschmückt sind; sie dient noch heute als Leuchter für die Osterkerze.
Lm Löwe umfässt mit seinen Vordertatzen die Basis dieses Säulchens.

Von der Solea steigt man auf drei Stufen zu dem Sanctuarium oder Presbyterium hinauf. Dasselbe war
ehemals mit marmornen mit Mosaik verzierten Schranken eingegränzt, dieselben wurden aber weggenommen
und sind seitdem verschwunden. Hier befindet sich der Altar. Der heilige Tisch, die mensa sacra wird
durch eine antike Warme von rothem Granit (die Reliquien in sich verschliesst) mit darüber gedeckter
Marmorplatte gebildet; eine auf ihr befindliche Inschrift besagt, dass die Einweihung dieses Altars am
U. Mai 1123 durch den Pabst Calixtus II erfolgte.

Ueber dem Altar erhebt sich von vier Säulen aus rothem Granit getragen ein Baldachin, das sogenannte
Ciborivm.****) Dasselbe ist aus weissem Marmor und in gothischem Style gefertigt; Deodatus ist der Meister
desselben wie aus einer Inschrift an ihm „Deodatus me fecit" hervorgeht. Dieser Deodatus arbeitete es auf
Kosten des Francesco Gaetani, Cardinaldiaconus dieser Kirche und Neffe des Pabstes Bonifacius VIII. Eine
Verkündigung der Maria, das AVappen der Gaetani und andere in Mosaik gearbeitete Verzierungen schmücken
dasselbe. (Die perspectivische innere Ansicht der Kirche giebt ein genügendes Bild desselben.)

Hinter dem Altar gerade in der Axe des Mittelschiffs steht an der Wand der Apsis der Bischofsstuhl,
die cathedra, aus weissem Marmor. Es ist ein Geschenk des Alphanus, wie eine Inschrift: „Alphanus fieri
tibi fecit Virgo Maria" an ihm besagt. Er erhebt sich auf zwei Marmorstufen; zwei ruhende Löwen bilden
seine Seitenlehnen; die kreisrunde Rückwand schmückt eine Porphyrplatte, die von einer musivischen Ver-
zierung umschlossen wird.

In einem Schranke über dem Bischofsstuhl wird ein sehr heilig gehaltenes altes byzantinisches Bild
der Mariat) aufbewahrt, das Griechen vor den Bilderstürmern aus Constantinopel hierher gerettet haben.
Es ist von geringem Kunstwerth und scheint übermalt zu sein, ff)

Unter dem Chore befindet sich eine Gruftkirche oder Krypta; man steigt zu ihr auf einer kleinen Treppe
hinab, die im nördlichen Seitenschiff sich befindet. Dieselbe hat obgleich sie sehr klein und sehr niedrig
ist, doch alle Theile einer alten Basilika, wie Narthex, Mittel- und Seitenschiffe und Apsis. Die drei Schiffe
derselben entstehen durch zwei Säulenreihen, jede aus drei korinthischen Säulen und einem Pfeiler bestehend,
die die horizontale Decke der Krypta stützen. Vier dieser Säulen sind aus Granit und zwei von weissem
Marmor. In den Umfassungswänden dieser Krypta befinden sich Nischen. Kein Fenster sondern nur Lampen
und Kerzen können diese unterirdische Kirche erhellen. Hier wird am Beginn der Fasten Gottesdienst ge-
halten, der an denjenigen erinnern soll, den die ersten römischen Christen in den Katakomben von Rom
feierten.

*) Sie lautet: Alfanus tibi fieri fecit Viryo Maria

Et Oenetrix Regis Summi Patris alma Sophya.
**) Wir haben diesen bisher noch dunkeln Ausdruck in unserem Aufsatze über den Lettner der Magdalenenkirche in Troyes
erklärt. *" *•■

***) Ueber Zweck und Einrichtung der Ambonen siehe unseren eben angeführten Aufsatz.
****) KißuQiov d. i. die heilige Vorrathsstätte, so genannt von dem in einer Schachtel (Pixis) aufbewahrten Abendmahlsbrote
(als "Viaticum für Kranke), die oft die Gestalt einer Taube hatte und an dem Gewölbe des Ciboriums aufgehängt war.
+) Eine Abbildung desselben befindet sich bei Crescimbeni und in d'Agincourt, Pitture. Taf. CV. No. II.

ff) Wahrscheinlich hat die Kirche nach diesem Bilde, das sich früher wohl in der Marienkirche am Cosmedin zu Constantinopel
befunden haben mag, ihren Beinamen erhalten. L. L.
 
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