Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Gailhabaud, Jules; Kugler, Franz [Hrsg.]
Jules Gailhabaud's Denkmäler der Baukunst (Band 2): Denkmäler des Mittelalters, Erste bis fünfte Abtheilung — 1852

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.3502#0135

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Die Kirche des San Miniato bei Florenz.

(Der Text nach Albert Lenoir, Mitglied der Commission der historischen Denkmäler in Frankreich.)

Auf den Höhen in der Umgegend von Florenz, in südöstlicher Richtung von demselben', sieht
man eine schöne und alte Kirche, die dem heiligen Miniatus geweiht ist, dessen Gebeine in ihr ruhen
und der in der Mitte des dritten Jahrhunderts unter Kaiser Decius den Märtyrertod starb. Sie erhebt
sich an der Stelle eines Oratoriums, das ursprünglich dem h. Petrus geweiht war und sich aus sehr alter
Zeit herschrieb, da schon i. J. 774 eine Kirche die Stelle desselben eingenommen hatte. Karl der Grosse
dotirte sie mit vier Häusern und gab ihr den Titel einer Basilika, um das Andenken seiner Gemalin
Hildegard zu ehren. Vasari und Vincenz Borghini sagen, dass im J. 1013 der Bischof von Florenz
Hildebrand oder Alibrando, unterstützt vom Kaiser Heinrich II, dem Heiligen, und der Gemalin des-
selben, der heiligen Kunigunde, diese vom Alter und durch Barbaren zerstörte Kirche gänzlich wieder-
herstellte, sie mit Mosaiken und kostbaren aus verschiedenen entfernten Gegenden zusammengebrachten
Marmorarten ausschmückte und die Benedictiner wieder darin einsetzte, die einst den Kirchendienst bei
dem Oratorium und der früheren Kirche versehen und das Kloster während seines Wiederaufbaus ver-
lassen hatten. Sie blieben darin bis zum Jahre 1373, wo sie durch die Mönche vom Oelberge abgelöst
wurden, die noch heute die Besitzer des Klosters sind, dasselbe aber nach der Befestigung der Anhöhe,
auf der Kloster und Kirche stehen, verlassen haben.

Der nicht orientirte (mit der Apsis nach Osten gerichtete) Grundriss des Bauwerks, dem der frühere
Portikus fehlt, ist in drei Schiffe getheilt (siehe die erste Tafel der Details); wie die meisten Basiliken
schliesst auch diese hinten mit einer halbkreisrunden Apsis, und die Seitenschiffe enden viereckig; aber man
bemerkt in diesem Grundrisse einige eigentümliche Abweichungen, die schon hinreichen würden, diese
Kirche in den romanischen Baustyl zu rangiren, wenn nicht andere Details, die wir in der Beschreibung
näher kennen lernen werden, auf diesen Schluss führten.

Die beiden Säulenreihen, die die Schiffe scheiden, sind jede durch starke aus vier Halbsäulen zusam-
mengesetzte Pfeiler in drei Querabtheilungen oder Travees getheilt, eine Anordnung die in allen Punkten
der in der romanischen Architektur allgemein angenommenen analog ist.

Der Grundriss der Apsis bietet an ihrem Anfange eine Vereinigung von Halbsäulen dar, die sich
nicht in dem einfachen und ursprünglichen altrömischen Grundriss findet; der mit Säulchen geschmückte
Halbzirkel ist eine zweite Neuerung; endlich vollenden die beiden stark vorspringenden Strebepfeiler am
Aeusseren des Chores den Unterschied, den man zwischen dem Grundriss dieser Kirche und dem der
christlichen Kirchen aus den ersten Jahrhunderten feststellen muss.

Die nach Norden gegen Florenz gewendete Facade bildet mit dem daneben stehenden Kloster ein
malerisches Ensemble, wie man aus der auf unserer Kupfertafel gegebenen Ansicht ersehen wird. Das
Kirchengebäude stellt sich mit einer reichen Decoration unsern Augen dar, die die Facade in mehrere
gut unterschiedene Abtheilungen sondert. Die erste und ansehnlichste derselben nimmt die ganze Breite
der Kirche ein und enthält fünf grosse Arkaden, zu denen man auf mehreren Stufen gelangt. Sechs in
der Vorderwand eingemauerte Säulen aus Marmor mit Capitälen von antiker Form tragen wenig
vorspringende Halbkreisbogen mit marmornen Archivolten von sehr gutem Styl. Drei mit breiten
Einfassungen versehene Thüren bilden den Eingang zur Kirche; die beiden anderen nicht von Thüren
durchbrochenen Arkaden sind mit analogen Einfassungen und marmornen Füllungen versehen; der Kaum
zwischen den Halbkreisbogen wird durch breite grüne Streifen in verschiedene Felder getheilt. Ein Ge-
bälk schliesst nach oben diese untere Etage ab. Darüber folgen zu beiden Seiten die halben Giebel der
Seitenschiffe; das nach der Neigung der Dachfläche schräg ansteigende Hauptgesimse derselben stützt
sich unten auf den noch über das Gebälk des unteren Stockwerks ein wenig hinaufgeführten Eckpfeiler
der Facade, der sich an dieser Stelle durch ein denselben krönendes Gesimse markirt; zuoberst läuft dieses
schräg ansteigende Kranzgesimse gegen einen Kopf von romanischem Style, der die höchste Spitze dieser
halben Giebel bildet. Das Tympanon der Halbgiebel ist netzförmig durch Streifen von farbigem Marmor
decorirt.

Zwischen den beiden Halbgiebeln der Seitenschiffe erhebt sich die breite Giebelwand des Hauptschiffes.
Der untere viereckige Theil derselben ist mit vier kannelirten Pflastern decorirt; zwischen den beiden
mittleren Pflastern ist ein viereckiges Fenster angebracht; zur Seite der musivischen Einfassung desselben
befinden sich zwei kleine Säulen, die auf Löwen von romanischer Sculptur ruhen und ein Gebälk mit
Giebel darüber von antikem Style tragen. Ueber diesem Fenster ist ein musivisches Gemälde auf Gold-
grund angebracht: es stellt den thronenden Christus dar, die Jungfrau stehend zu seiner Rechten, und den
heiligen Miniatus zu seiner Linken.

Denkmäler der Baukunst. XLIV. und XLV. Lieferung.
 
Annotationen