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Gailhabaud, Jules; Kugler, Franz [Hrsg.]
Jules Gailhabaud's Denkmäler der Baukunst (Band 2): Denkmäler des Mittelalters, Erste bis fünfte Abtheilung — 1852

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https://doi.org/10.11588/diglit.3502#0280

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Der Altar der Kirche von Komburg.

Das alterthümliche Kunstwerk, das uns hier beschäftigt, bildet die Vorderseite eines Altares, der sich
in der Kirche der Benedictiner-Abtei Koniburg bei Schwäbisch Hall im Königreich Würtemberg befindet.
Die Kirche datirt aus dem Ende des XI Jahrhunderts; sie wurde nämlich im Jahre 1079 gegründet und
1088 durch den Bischof von Würzburg, Adelbert eingeweiht. Aus derselben Zeit stammt aber nicht unser
auf zwei Tafeln dargestelltes Antependium, wie wir weiter unten sehen werden.

Es war besonders gegen Ende des X Jahrhunderts, dass man Werke der Goldschmiedekunst zum Schmuck
und zur Verschönerung von Kirchengeräthschaften anwendete, eine Gewohnheit, die sich bis ins XIII Jahr-
hundert erhielt. Die Deutschen müssen sich besonders in dergleichen Kunstarbeiten ausgezeichnet haben,
denn Philipp Beroaldus (geb. 1453) besingt ihre Superiorität in dergleichen Arbeiten die sie noch im XV
Jahrhundert bewahrt hatten.

O Germania gloriosa, salve:

Tu vasa ex aurichalco et apparatum

Mensarum nitidum aere.....

Ad nos subinde mittis, etc.

(Hendecasyllabon Germaniae praeconium continent, v. 13.)

Der christliche Altar hatte von Anfang an einen anderen Zweck und eine andere Bestimmung als der
heidnische. Man verbrannte auf letzterem allerlei materielle Opfer, und seine Form war nach den verschie-
denen Culten, denen er diente, eine verschiedene. Der christliche Altar war ursprünglich nichts als ein
viereckiger Tisch, an dem die Gläubigen sich ohne Unterschied des Standes zum Liebesmahl niedersetzten.
So war denn auch seine ursprüngliche Form eine sehr einfache und er wurde aus Holz construirt; einige
Kirchenschriftsteller verlangen sogar dieses Material für den Altar in Bezug darauf, dass der Heiland der
Welt an einem hölzernen Kreuze den Tod erdulden musste. So viel ist gewiss, dass man lange Zeit die
christlichen Altäre aus Holz machte. Der Gebrauch die Altäre aus Stein zu bilden schreibt sich, wie man
glaubt, von dem heiligen Sylvester her, der auf dem römischen Bischofsstuhle vom Jahre 314 bis 335 sass.
Seit der Regierung Constantins des Grossen nämlich wurden steinerne Altäre häufiger und allgemeiner, und
gewiss ist, dass sie im Anfange des VI Jahrhunderts zur Bedingung gemacht wurden. Der heilige Gregor
von Nyssa und Johann Chrysostomus erwähnen beide steinerner Altäre als einer ganz gewöhnlichen Sache.
Das Concil zu Epone, ) das unter dem Pabste Symmachus im Jahre 509 gehalten wurde, empfahl aus-
drücklich den Gebrauch steinerner Altäre für alle Kirchengebäude.

Im XII Jahrhundert und besonders gegen das Ende desselben wurde die Decoration des christlichen
Altares eine besonders reiche und gewählte. Der Styl der Sculpturen an dem Altare von Komburg, seine
Emailverzierungen und seine ganze Anordnung erlaubt uns denselben nicht früher als gegen das Ende des
XII Jahrhunderts oder in den Anfang des XIII zu setzen. Wir sehen in ihm ein Kunstwerk aus der schönsten
und grössten Epoche mittelalterlicher Kunst.

Die auf unserem Kupfer dargestellte bronzene Tafel, die das Antependium oder die Vorderseite des
Altares der Kirche von Koniburg bildet, hat ungefähr 6| Fuss Länge und 2^ Fuss Höhe. In der Mitte der-
selben steht Christus (ungefähr 15 Zoll hoch) auf einer Kugelcalotte, die die Welt andeutet; in der linken
Hand hält er das Evangelium, die rechte ist segnend erhoben; das Haupt hat einen ovalen Nimbus mit einem
Kreuz darin. Die ganze Figur wird von einer elliptischen Aureole umgeben, die einige Alterthumsforscher
mit dem Namen vesica piscis belegt haben. In den vier Zwickeln, die sich zwischen der Aureole und ihrer
rechtwinkligen Uinschliessung bilden, sieht man die Attribute der vier Evangelisten. Die beiden grossen
Felder zur Rechten und Linken der Christusfigur sind jedes in sechs rechtwinklige Compartimente in zwei
Reihen übereinander getheilt; die theilenden Streifen bestehen aus emaillirten Verzierungen. In diesen zwölf
Feldern sind die Figuren der zwölf Apostel in halberhobener Arbeit angebracht. Sie halten nach alter Art
statt ihrer Attribute Rollen oder Bücher in der Hand, nur Petrus allein hält sein Attribut, den Schlüssel.
Die Namen der Apostel sind über ihren Häuptern zu lesen. Sie folgen von der Linken zur Rechten in
dieser Ordnung: S. Jacobus, S. Johannes, S. Petrus, S. Paulus, S. Andreas, S. Philippus, S. Taddaeus,
S. Jacobus, S. Bartholomaeus, S. Simon, S. Mathäus, S. Thomas. Jede dieser Figuren misst ungefähr elf
Zoll in der Höhe. Noch ist zu bemerken, dass S.Matthäus auf einer ähnlichen Kugelcalotte wie Christus steht.

Alle diese Figuren sind wohl proportionirf, ernst und edel; der Faltenwurf der Gewänder ist fliessend,
einfach und schön, und frei von jener steifen und symmetrischen Anordnung der Falten, die man an den
meisten Statuen des XII Jahrhunderts sieht. Wenn ein Uebergang zwischen der rundbogigen Architectur

*) Couc. Epavncns., can. 26. Altana, nisi lapidea, infusione chrismatis non sacrenlur.
Denkmäler der Baukunst. LXXXXVI. Lieferung.
 
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