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Gailhabaud, Jules; Kugler, Franz [Hrsg.]
Jules Gailhabaud's Denkmäler der Baukunst (Band 2): Denkmäler des Mittelalters, Erste bis fünfte Abtheilung — 1852

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https://doi.org/10.11588/diglit.3502#0227

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Die St. Jacobskirche der Schotten in Regenshurg.

Die St. Jacobskirche der Schotten in Regensburg ist besonders wegen eines an ihrer Nordseite
gelegenen Portalbaues mit räthselhaften phantastischen Sculpturen, sodann wegen ihrer fremdartigen
Säulencapitelle im Innern höchst interessant; die Archaeologie der Baukunst des Mittelalters ist leider
heute noch nicht so weit fortgeschritten, um eine vollständige Erklärung der ersteren zu bieten und den
Styl der letzteren genau zu bestimmen, von dem man nur sagen kann, dass er der einer schrecklich
barbarisirten Antike sei.

Ueber das Geschichtliche des Bauwerks ist Folgendes zu bemerken. Um das Jahr J068 hatte ein
frommer schottischer Mönch, Marian mit Namen, zu Regensburg ein Kloster schottischer Benedictiner-
Mönche gegründet, denen im J. 1075 eine uralte zum Stift Obermünster gehörige Kapelle in Wihen oder
Weih St. Peter, welche von Karl dem Grossen oder seinem Sohne Ludwig dem Frommen erbaut worden
sein soll, zum Gottesdienst abgetreten wurde. Nach dieser wurde denn auch das Kloster mit dem Bei-
namen Weih St. Peter (ad consecratum Sanctum Petrutn) benannt. Das Kloster kam bald in Aufnahme
und nahm nach und nach so viel schottische Benedictiner in sich auf, dass das kleine Gebäude nicht
mehr gross genug zu ihrer Aufnahme war. Die Mönche hatten sich besonders durch die Erziehung und
den Unterricht der Jugend so verdient und bei den Einwohnern der Stadt so beliebt gemacht, dass um
das Jahr 1109 der damalige Burggraf von Regensburg Otto, sein Bruder Heinrich, beide Landgrafen zu
Steffanning und Rietenburg, und des letzteren Gemahlin Bertha, des Herzogs Leopold von Oesterreich
Tochter, Luitgarda Gräfin von Bogen, die beiden Grafen Gundäcker und Werner von Laber und mehrere
reiche Bürger am entgegengesetzten Ende der Stadt eine geräumige Hofstatt kauften, und darauf dem
Apostel Jacobus und der heiligen Gertrud zu Ehren eine grössere Kirche nebst Kloster für die schottischen
Benedictiner erbauten, wobei die Bürger von Regensburg den Handwerksleuten freie Speise und die
Aebtissin des Stifts Niedennünster freies Getränk lieferten. Im Jahr 1120 wurde Kirche und Kloster
bereits eingeweiht durch Bischof Ilartwich I, von Kaiser Heinrich V durch eine besondere Urkunde*)
in seinen und des Reiches Schutz genommen, und mit ausnehmenden Privilegien begabt. In der Folge
aber, als durch Pabst Innocenz die in Deutschland befindlichen zwölf Schottenklöster in Eine Congre-
gation vereinigt wurden, erhielt der Prälat des Jacobsklosters die Würde eines Praeses oder Vorstehers
derselben. Das Kloster Weih St. Peter verlor seitdem seine Selbstständigkeit und galt nunmehr nur als
ein blosses Priorat von St. Jacob.

Glaubwürdige Chronisten berichten, dass im J. 1153 eine grosse Feuersbrunst die Stadt Regensburg
arg heimsuchte und dass dabei auch die St. Jacobskirche sehr beschädigt wurde; und ferner, dass um
das Jahr 1200 Georg, der dritte Abt des Jacobsklosters, die erste Kirche ausser den beiden Glocken-
türmen hatte abbrechen und darauf eine neue Kirche ganz aus Quadersteinen und mit einem Bleidache
hatte bauen lassen. Dieser zweite Bau, der ebenfalls öfter durch Feuersbrünste gelitten hatte, erfuhr
im J. 1689 unter dem Abte Placidius Flemming eine Restauration.

Die St. Jacobskirche in Regensburg ist eine dreischiffige, im sogenannten deutsch-romanischen
Style erbaute Basilika, mit zwei schlichten viereckigen Glockenthürmen und drei Apsiden an der Ostseite;
sie ist im Innern 174 Fuss lang und 55 Fuss breit. Das Mittelschiff", das sich bei einer Breite von
21 Fuss bis gegen 55 Fuss hoch erhebt, hat eine wahrscheinlich aus der letzten Restauration herrührende
kassettirte Holzdecke, in der viereckige mit grossen sechseckigen Kassetten wechseln. Die beiden Neben-
schiffe sind mit Kreuzgewölben ohne vortretende Rippen bedeckt, und haben bei einer Breite von 14 Fuss
eine Höhe von 28 Fuss. Die hohen Wände des Mittelschiffs werden von Säulen und im Chore von vier-
eckigen Pfeilern mit Halbkreisbogengurten darüber getragen, die zusammen an jeder Seite neun Arcaden
bilden. Diese etwa sechs untere Durchmesser hohen Säulen haben alle verschieden gestaltete niedrige,
sehr phantastisch componirte Capitelle mit Abaken, die nicht viel niedriger als die Knäufe selber sind;
die attischeii Basen dieser Säulen zeigen an den Ecken ihrer Plinthen die Köpfe von Thieren und Men-
schen. Das Capitell der acht viereckigen Pfeiler im Chor, deren Intercolumnien mit gemauerten Schranken
ausgefüllt sind, besteht blos in einem Simswerk, das nach einer umgekehrten attischen Säulenbasis pro-
filirt ist. Alles Ornamentwerk zeigt sehr barbarisirte Reminiscenzen an antike Vorbilder. Die hohen
Wände des Mittelschiffs zeigen an jeder Seite zehn schlanke im Halbkreis geschlossene Fenster und eine
Fensterrose in der Mitte. Hauptschiff wie Seitenschiffe endigen gegen Osten in halbkreisförmige Apsiden.
Die Apsis des Mittelschiffs ist aussen durch fünf Arcaden decorirt, deren Bogen auf sechs schlanken

*) Da dieselbe schon im Jahre IUI ausgestellt worden, so muss Kirche und Kloster schon in diesem Jahre fertig oder doch
der Vollendung nahe gewesen sein.

Denkmäler der Baukunst. XCIX. Lieferung.
 
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