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Marées-Gesellschaft [Hrsg.]
Ganymed: Blätter der Marées-Gesellschaft — 5.1925

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Paralipomena
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Preetorius, Emil: Gedanken zum illustrierten Buch: Vortrag, gehalten zur Begründung der Gesellschaft der Münchener Bücherfreunde
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https://doi.org/10.11588/diglit.53469#0277

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EMIL PREETORIUS/GEDANKEN

ohne sein Wissen und Zutun zum Ausdruck seiner Seele. Der Expressionist aber zäumt
das Pferd von hinten auf: er hat seine — vielfach vermeintliche — Seelen wallung und
möchte sie am ehesten an sich d. h. ganz unmittelbar zum Ausdruck bringen, nimmt aber,
da er einer Unterlage bedarf und nichts Besseres hat, die Natur dafür her oder vielmehi'
die Formfetzen, die von einer früher sichtbaren und erlebten Natur gerade noch geblieben
sind. — Aber der Weg, den wir gegangen sind bis zu diesem Grad der Bewußtheit, der
läßt sich nicht mehr zurückgehen. Nur verspätete Romantiker und leicht fertige Analo-
gisten können solchen Glaubens sein. So gilt es, den Weg weiterzugehen bis dorthin, wo
er aus dem Nichts von heute herausführe: wo der bildnerische Drang des Menschen,der
lebendig bleiben wird, solange der Mensch ist, sich ein neues Gefäß, ein eigenes Gebild,
das er von sich aus organisch macht, aus sich heraus erschaffen hat statt der lebendigen
Formen der unsichtbar gewordenen alten Natur. Denn die neue Natur, die des heutigen
Menschen: die ist von anderem Stoff und von anderen Dimensionen,mit dem Auge nicht
erfaßbar, und wir wissen nicht, wie sie für das Auge einmal Sichtbarkeit erlangen wird.
Es mag wohl sein, daß diese Bildhaftigkeit auf einem anderen Wege komme als dem, den
seit je die Kunst gegangen. Aber wir wollen uns nicht anmaßen zu prophezeien; lehrt uns
doch das meist bestaunte philosophische Buch dieser Zeit das letzten Endes am bestimm-
testen: daß auch die weitgedehnteste, vermeintlich sicherste, klarste Kenntnis von der
Vergangenheit und den Schicksalen vieler Erdteile, ja der ganzen Menschheit uns noch
nicht fähig macht, nur einen einzigen Tag ihrer Zukunft vorauszusagen.
Nun sind wir abermals zu einem so weiten Blickpunkt gelangt, daß unser illustriertes
Buch kaum noch wahrnehmbar ist. Und ich weiß nicht, wie von solcher Ferne zu ihm
zurückkehren. So bleibt mir nur, Sie nochmals um Ihre Nachsicht zu bitten für meine
Gedankenflucht, die ihren letzten Grund darin hat, daß auch eine so kleine Schöpfung
wie das illustrierte Buch zum Symbol der größten Probleme werden muß für den,der
von der lebentragenden Wichtigkeit dieser Probleme und ihrer fast verzweifelten Dring-
lichkeit unablässig tangiert wird.
 
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