HERMANN ES SWE IN / MÖ N G H UND RITTER
233
MÖNCH UND RITTER
ZUM GEDÄCHTNIS ULRICHS VON HUTTEN
(i 523 — 1923)
VON
HERMANN ESSWEIN
Er war nicht der erste weltliche Deutsche, aber der erste, der für Weltlichkeit litt, focht
und starb. Le premier qui avait mange du pape — aber nicht so glatt wie Luthers
gute geistliche und körperliche Konstitution dies Gift verdaute: Mönch zwar in den Kinder-
schuhen, aber dann zeitlebens ein irrender Ritter ohne den Rückhalt und ohne das Rüst-
zeug der großen, der mittelalterlichen Religiosität. Die neue konnte erst nach Ablauf des
18. Jahrhunderts geboren werden und erniedrigten Königen des Geistes die Streitaxt aus
den Händen winden.
Ungeistlich, nicht ungeistig — und ein Leben tagtäglicher Kreuzigung. — Keine Philoso-
phie, keine Kunst, kein transzendenter Raum, in den die Qual eines hienieden heimatlosen
Willens hätte hineinwachsen können mit Sternenhieroglyphen der Einbildung, und darum
wider den weisheitsvollen Rat des Epikuros schließlich immer unheilvoller angewie-
sen auf die fallstrickevollen Aktualitäten einer bis ins Aussichtslose partikularisierten
Politik.
Siech und verzweifelt. Stark und getreu unter toten Sternen. Sinceriter citra pompam.
*
Die erste Lebenstat des jungen Ulrich von Hutten war eine Tat der Ehrlichkeit und Rein-
lichkeit, auch wenn nichts als jugendliche Ungeduld zu Genußreicherem, Erregenderem
als zu den humanioren Studien sie angestiftet hätte. Ein mehr Geduldiger und minder
Ehrlicher hätte bequem auch einer unter den vielen Observanten jener Mönchs-Liberti-
nage werden können, von denen die damalige Welt voll war. Wissen wir denn, ob der von
Reuchlin gehaßte und im „Sergius“ gestrafte Holzinger nicht ein — Hutten war ohne Be-
gabung zu ritterlicher militia vitae? Ja mehr, wir können vollkommen sicher sein, daß
echt Huttenscher Lebensenthusiasmus in zahllosen Fällen getrost in der Kutte blieb und
sie damit weit mehr befleckte als Ulrich, indem er sie, und sei es nach getanem Profeß,
vom lebensgeilen Leibe warf.
233
MÖNCH UND RITTER
ZUM GEDÄCHTNIS ULRICHS VON HUTTEN
(i 523 — 1923)
VON
HERMANN ESSWEIN
Er war nicht der erste weltliche Deutsche, aber der erste, der für Weltlichkeit litt, focht
und starb. Le premier qui avait mange du pape — aber nicht so glatt wie Luthers
gute geistliche und körperliche Konstitution dies Gift verdaute: Mönch zwar in den Kinder-
schuhen, aber dann zeitlebens ein irrender Ritter ohne den Rückhalt und ohne das Rüst-
zeug der großen, der mittelalterlichen Religiosität. Die neue konnte erst nach Ablauf des
18. Jahrhunderts geboren werden und erniedrigten Königen des Geistes die Streitaxt aus
den Händen winden.
Ungeistlich, nicht ungeistig — und ein Leben tagtäglicher Kreuzigung. — Keine Philoso-
phie, keine Kunst, kein transzendenter Raum, in den die Qual eines hienieden heimatlosen
Willens hätte hineinwachsen können mit Sternenhieroglyphen der Einbildung, und darum
wider den weisheitsvollen Rat des Epikuros schließlich immer unheilvoller angewie-
sen auf die fallstrickevollen Aktualitäten einer bis ins Aussichtslose partikularisierten
Politik.
Siech und verzweifelt. Stark und getreu unter toten Sternen. Sinceriter citra pompam.
*
Die erste Lebenstat des jungen Ulrich von Hutten war eine Tat der Ehrlichkeit und Rein-
lichkeit, auch wenn nichts als jugendliche Ungeduld zu Genußreicherem, Erregenderem
als zu den humanioren Studien sie angestiftet hätte. Ein mehr Geduldiger und minder
Ehrlicher hätte bequem auch einer unter den vielen Observanten jener Mönchs-Liberti-
nage werden können, von denen die damalige Welt voll war. Wissen wir denn, ob der von
Reuchlin gehaßte und im „Sergius“ gestrafte Holzinger nicht ein — Hutten war ohne Be-
gabung zu ritterlicher militia vitae? Ja mehr, wir können vollkommen sicher sein, daß
echt Huttenscher Lebensenthusiasmus in zahllosen Fällen getrost in der Kutte blieb und
sie damit weit mehr befleckte als Ulrich, indem er sie, und sei es nach getanem Profeß,
vom lebensgeilen Leibe warf.