WILHELM HAUSENSTEIN
170
Woher kam der Schöpfer des knienden Astronomen, der die Scheibe des Astrolabiums
aus Sankt Emmeram in Regensburg ziert? Hat römisches Bildwerk seine Kunst beglückt
oder war im Westen — wo man aber vergeblich nach Verwandtem sucht — seine Heimat?
Auch er fühlt sich dem Schönheitssinn des XII. Jahrhunderts näher als der großen Ge-
sinnung des XIII. Immerhin, auch er steht als bedeutsamer Vorläufer zu Regensburg,
ihm folgen Meister, die den Monumentalstil des Spätromanischen heraufführen. Ihn zu
vollenden, ist Altbayern nicht vergönnt; die Kultur der letzten Staufer hat andere Gegenden
gesucht, und das meiste vollzieht die eigene Kraft kleiner Landesherren — man denke an
Limburg, an Straßburg. Nur aus Kleinwerken leuchtet ab und zu die Sonne der Zeit
Wolframs von Eschenbach, wie aus dem Bild der regina coelorum, die ein Siegel des
Klosters Gars vom Jahre 1249 ziert. Am Ende des Jahrhunderts aber grüßt die Gotik das
rauhe Land; minniglich wie der zarte Kreuzträger in Wessobrunn.
EUGEN VON KAHLER
VON
WILHELM HAUSENSTEIN
ein Leben, Opal am Trottoir, liegt zwischen 1882 und 1911. Der Nährboden, aus dem
es in jäher und ausschweifender Entwicklung aufschoß, war das Morgenland: Ägyp-
ten, Tunis, wo der ins Schicksal einer europäischen Geburt und Jugend Verschlagene
erst sich selbst gefunden hat. Prag, die Stadt seines Kommens und Gehens, war ihm frei-
lich mehr als der Rahmendes ersten und des letzten Tages. Er liebte die „spätere Heimat“,
verweilte gern in ihr. Deshalb wahrscheinlich, weil sie auf einer Grenze liegt, die den
Osten vom Westen (und von der Mitte) scheidet. Im übrigen war Europa ihm, dem Men-
schen, dem Dichter und dem Malenden, eine halbe und ganze Entfremdung seiner In-
stinkte von ihm selbst. Berlin, München — dies war ihm Schranke, die ihn hinderte, mit
sich selbst übereinzustimmen; Klima, das ihn verstörte und an Leib und Seele leidend
machte. Am Norden ist er früh den leiblichen Tod gestorben. Paris — das war noch mög-
lich, weil dort das Abendländische ins Vegetabilische übergeht, ins Tropische fast, in eine
Art von tausendundeiner Nacht. Aber das Rechte war es auch nicht. Das Rechte war
Spanien — in dem Maß, in dem südwärts es maurischer wurde; das Spanien jenes Greco,
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Woher kam der Schöpfer des knienden Astronomen, der die Scheibe des Astrolabiums
aus Sankt Emmeram in Regensburg ziert? Hat römisches Bildwerk seine Kunst beglückt
oder war im Westen — wo man aber vergeblich nach Verwandtem sucht — seine Heimat?
Auch er fühlt sich dem Schönheitssinn des XII. Jahrhunderts näher als der großen Ge-
sinnung des XIII. Immerhin, auch er steht als bedeutsamer Vorläufer zu Regensburg,
ihm folgen Meister, die den Monumentalstil des Spätromanischen heraufführen. Ihn zu
vollenden, ist Altbayern nicht vergönnt; die Kultur der letzten Staufer hat andere Gegenden
gesucht, und das meiste vollzieht die eigene Kraft kleiner Landesherren — man denke an
Limburg, an Straßburg. Nur aus Kleinwerken leuchtet ab und zu die Sonne der Zeit
Wolframs von Eschenbach, wie aus dem Bild der regina coelorum, die ein Siegel des
Klosters Gars vom Jahre 1249 ziert. Am Ende des Jahrhunderts aber grüßt die Gotik das
rauhe Land; minniglich wie der zarte Kreuzträger in Wessobrunn.
EUGEN VON KAHLER
VON
WILHELM HAUSENSTEIN
ein Leben, Opal am Trottoir, liegt zwischen 1882 und 1911. Der Nährboden, aus dem
es in jäher und ausschweifender Entwicklung aufschoß, war das Morgenland: Ägyp-
ten, Tunis, wo der ins Schicksal einer europäischen Geburt und Jugend Verschlagene
erst sich selbst gefunden hat. Prag, die Stadt seines Kommens und Gehens, war ihm frei-
lich mehr als der Rahmendes ersten und des letzten Tages. Er liebte die „spätere Heimat“,
verweilte gern in ihr. Deshalb wahrscheinlich, weil sie auf einer Grenze liegt, die den
Osten vom Westen (und von der Mitte) scheidet. Im übrigen war Europa ihm, dem Men-
schen, dem Dichter und dem Malenden, eine halbe und ganze Entfremdung seiner In-
stinkte von ihm selbst. Berlin, München — dies war ihm Schranke, die ihn hinderte, mit
sich selbst übereinzustimmen; Klima, das ihn verstörte und an Leib und Seele leidend
machte. Am Norden ist er früh den leiblichen Tod gestorben. Paris — das war noch mög-
lich, weil dort das Abendländische ins Vegetabilische übergeht, ins Tropische fast, in eine
Art von tausendundeiner Nacht. Aber das Rechte war es auch nicht. Das Rechte war
Spanien — in dem Maß, in dem südwärts es maurischer wurde; das Spanien jenes Greco,