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Marées-Gesellschaft [Hrsg.]
Ganymed: Blätter der Marées-Gesellschaft — 5.1925

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Paralipomena
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Hausenstein, Wilhelm: Eugen von Kahler
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https://doi.org/10.11588/diglit.53469#0292

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EUGEN VON KAHLER 171
von dem Barres gesagt hat, er, der Kretenser, sei ein heimlicher Sarazene gewesen. Das
Rechteste war das arabische Afrika.
Bemühungen um die Formen europäischer Malerei konnten darum für ihn nie zu etwas
Entscheidendem ausschlagen, das seiner Art das Wesentliche gegeben hätte. Vom europä-
ischen Malen aus kann das Wesentliche an ihm auch nicht begriffen werden. Vom
Europäischen aus wird sein Malen wahrscheinlich leicht etwas Dilettantisches bewahren
— das erst auf seiner orientalischen Seite verschwindet, um dort in eine spontane (zugleich
tief traditionelle und äußerst kultivierte) Sicherheit köstlicher Improvisationen überzu-
gehn. Daß er bei Knirr, Stuck und Habermann zu lernen versuchte, ist kaum mehr als
ein Faktum der äußeren Biographie. Höchstens daß ein Zusammenhang mit der von
Hause aus phänomenalen, schier ein wenig exotischen Geschmeidigkeit Habermanns
empfunden werden kann. Es darf auch nicht vergessen werden, daß in einem frühen
Damenbildnis (das offenbar der Zeit bei diesem Lehrer angehört) eine feine, ja schöne
Möglichkeit westlichen Malens angedeutet scheint. Doch die andere Tatsache ist stärker:
daß nämlich diese Möglichkeit nur eine erste Phase sein konnte, aber nicht den endgül-
tigen Ausschlag gegeben hat. Pariser Dinge, aus mannigfachen Anregungen und unter
verschiedenen Einflüssen (von den Impressionisten bis zu Signac) entstanden, sind offen-
bar entzückend geraten. Unmöglich, daß eine so lebendige und zumal so tief elastische
Begabung nicht unter allen Himmeln eine Bewegung aus sich geholt, einen Geschmack
aus ihren Heimlichkeiten heraufgefördert hätte. Dennoch sind diese Pariser Dinge aus
Restaurants, Parks, aus dem Bois nur Provisorien seines Talents, das zu viel Nerven hatte,
um unter ungünstigen oder nur relativ günstigen Bedingungen untätig stillzusitzen. Das
Eigentliche, die Entdeckung der eigenen Wesenheit geschah erst auf der Fahrt nach
Osten.
Hier liegen auch die Ursachen, weshalb sich diese Begabung so verschiedenartig bekun-
det. Fatal wäre das Verschiedenartige nur, wenn es auf einer und derselben Ebene stünde.
In Wahrheit handelt es sich um den Unterschied zwischen Vorläufigem und Endgültigem;
und daß auch das Vorläufige so gut geriet, beweist nur einen Antrieb zu starker Span-
nung der Nerven selbst unter europäischem Klima.
Das Endgültige. In den morgenländischen Naturstudien liegt es noch nicht. Pariser Dinge
sind oft besser als diese Studien. Aber wie könnte Endgültiges in orientalischen Natur-
studien liegen? Naturstudien, Skizzen — ein europäischer Gedanke, mit einem europä-
ischen Vorbegriff und Schulbegriff, dem impressionistischen, an die morgenländischen
Dinge hinangebracht. Nein. So war die neue Situation nicht zu bewältigen. Das Orienta-
liche mußte nicht im Auge, das von München und Paris kam, sondern im Blut erlebt
werden, das, in Jahrtausenden unterirdisch kommunizierend, selbst aus Osten kam. Als
Dichtung, als Imagination mußte es eines Tages aus dem geheizten Blut wuchern. Das
Orientalische anders nehmen hieß vielleicht kolonisieren, profitieren; aber es hieß nicht
 
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