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RICHARD SEEWALD
BRIEF AUS LATIUM
VON
RICHARD SEEWALD
Aus Rom einen Brief zu schreiben, ist nicht sehr einfach. Glücklicherweise bin ich in
diesem Augenblick nicht in Rom, sondern in Arsoli. Das ist Latium an der Grenze
der Abruzzen, eine weite Landschaft, in die ich schaue, ein breites Tal, sanft ansteigend
an den Seiten und in der Ferne begrenzt von schön geformten Bergen. Und dies Tal ist
voll vom Frühling, einem strotzenden Frühling, wenn es erlaubt ist, diese beiden Begriffe
zu vereinigen. Aber hier streiten Pappeln und Weiden, wer am schnellsten seine vom auf-
steigenden Saft geröteten Äste mit Blättern schmücken kann, und diese goldgrünen Blätt-
chen machen, daß die Bäume aussehen wie jene naiven Bäume, die die Maler in dem
RICHARD SEEWALD
BRIEF AUS LATIUM
VON
RICHARD SEEWALD
Aus Rom einen Brief zu schreiben, ist nicht sehr einfach. Glücklicherweise bin ich in
diesem Augenblick nicht in Rom, sondern in Arsoli. Das ist Latium an der Grenze
der Abruzzen, eine weite Landschaft, in die ich schaue, ein breites Tal, sanft ansteigend
an den Seiten und in der Ferne begrenzt von schön geformten Bergen. Und dies Tal ist
voll vom Frühling, einem strotzenden Frühling, wenn es erlaubt ist, diese beiden Begriffe
zu vereinigen. Aber hier streiten Pappeln und Weiden, wer am schnellsten seine vom auf-
steigenden Saft geröteten Äste mit Blättern schmücken kann, und diese goldgrünen Blätt-
chen machen, daß die Bäume aussehen wie jene naiven Bäume, die die Maler in dem