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Die Gartenkunst — 8.1906

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Virchow, Ernst: Wilhelmsmühle in alter und neuer Zeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.22778#0058

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46

DIE GARTENKUNST

VIII, 3

Lücken von 8, 21, 30 und 31 m hinterlassen. Damit
war Cur Vetter, welcher damals Hofgärtner war, die Frage
brennend geworden, wie in Zukunft das Bild zu behandeln
sei. Kr entschlol's sich, eine Ersatzpflanzung in ange-
messener Entfernung von den alten Bäumen in Vorschlag
zu bringen, und nachdem höheren Ortes .sein Plan Billigung
fand, erfolgte 1880 die Pflanzung dieser Bäume. Die Be-
fürchtung, dal's die alten Fichten bald zugrunde gingen,
erfüllte sich zum Glück nicht, so dal's wir uns noch bis
zum Jahre 1903 an den alten ehrwürdigen Bäumen freuen
konnton.

Als ich im Jahre 1898 die Hofgartenverwaltung in
Wilhelmshöhe übernahm, mufsto ich bald einsehen, dal's
es eine der peinlichsten Aufgaben für mich sein würde,
zur rechten Zeit die richtigen Mal'sregeln für die Behand-
lung dieser Pflanzung in Vorschlag zu bringen.

Es gab zur Entscheidung dieser Frage zwei Ausgangs-
punkte, der eine bestand in der Pflicht, die mit grofseii

Scheraatischo Darstellung der Kaskaden mit den von Vetter
gepflanzten Fichten im herangewachsenen Zustand.

Opfern hergestellte Vettersche Ersatzpflanzung zu erhalten,
der andere gründete sich auf das Bewufstsein, dal's die
alten Bäume trotz der grofsen Lücken ein Bild boten von
so unbeschreiblichem Reize, dafs es nur zu natürlich war,
dafs ich dasselbe so lange als möglich zu erhalten trachtete.

Diese' Rücksichtnahme auf die alten Bäume kam aber
einer grundsätzlichen Preisgabe der Vetterschen Bäume
gleich, welche von den 40 m hohen Riesen nur 17 m
entfernt waren, also von fallenden Bäumen zerschmettert
werden mül'sten.

Wenn ich anfangs die Anschauung verschiedener hoch-
geschätzter Kollegen, Maler und Architekten teilte, dal's
man die alten Bäume schonen und die Lücken durch
schnellwüchsige Gehölze schliefsen sollte, so konnte ich
doch nicht die Preisgabe der Vetterschen Bäume verant-
worten und. als'im Jahre 1902 der grol'se rechte Eckbaum
über dem Plütobassin abstarb, sah ich auch ein, dal's mit
Nachpflanzungen- nicht zu helfen sei. Aber — bildeten
Vetters Bäume einen Ersatz? Nein — darin sind sich
alle einig, welche sich mit der Frage beschäftigt haben.
Ich habe damals eine grol'se Zeichnung der Kaskaden an-
fertigen lassen, auf welcher durch Klappen die Wirkung
der alten und der Vetterschen Bäume verglichen werden
konnte; wunderbar war es, wie der Gesamteindruck ge-
stört wurde, sobald an Stelle der alten auf diesem Bilde
die neuen Bäume zu sehen waren. Worin beruhte diese
verblüffende Wirkung'.' Früher rahmten die 40 m hohen
Fichten die Kaskaden und das Oktogon gleichmäfsig ein,
es entstand eine gleichmäl'sige Verjüngung des ganzen
Bildes. Als aber die alten Bäume fielen, lagen nicht nur
die Kaskaden,. sondern auch das Oktogon kahl und nackt
vor uns, es entstand ein Mifsverhältnis, welches auf den
Dimensionen beruhte. Die Kaskaden sind wie gesagt
17 Iii — an den Bassins 28 m — breit, das Oktogon
dagegen mit seinem massigen Aufbau 70 m. Dieses Mifs-
verhältnis verschwand in dem Guernierischen Projekte
durch Angliederung von Hecken und eine die ganze An-
lage im Abstände bis zu 70 m abschliel'sende Baumreihe.

Solange die alten Bäume standen, nahmen die Kaskaden
die ganze Breite dos Bildes ein, nach Wegfall der Bäume
verlieren sie sich zwischen zwei etwa 30 m breiten Rasen-
streifen.

Dieses doppelte Mifsverhältnis gibt uns heute ein Bild,
in welchem lediglich das mächtige Oktogon wirkt, indem
es herabgerückt erscheint; wenige werden vermuten, dafs
der Fufs desselben sich 100 in über den Fufs der Kas-
kaden erhebt. Die Kaskaden alter stören das Bild,
welches ohne dieselben ohne Zweifel erheblich wirkungs-
voller sein würde

Man konnte also die Vetterschen Bäume nicht als
einen Ersatz betrachten, was sie auch vielleicht nicht sein
sollten. Auch'-an. eine Durchführung des Guernierischen
Projektes war schon allein der Kosten wegen nicht zu
denken. Weitere Erwägungen führten schliefslich zu der
Auffassung, dal's die vom Landgrafen Wilhelm IX. ge-
wählton Reihen, weil sie die zwischen Kaskaden und
Oktogon mangelnde Proportion herstellten, das einzig-
richtige waren, und so wurde, nachdem der Kaiser sich
 
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