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Die Gartenkunst — 8.1906

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Olbrich, Joseph Maria: Projekt für eine Gartenvorstadt am hohlen Weg bei Darmstadt
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https://doi.org/10.11588/diglit.22778#0100

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VIII, 5

DIB

GARTENKUNST

80

Naturbedingungen anpalst, erhebt es die rohen Massen
auf die Stufe einer Landkultur. Sie sehen heute in dem
Gelände am hohlen Weg diese erste Arbeit geleistet. Alles
ist noch Natur, dienstbar gemachte Natur. Dieses dicht
an die Peripherie der Stadt anschliefsende und hier be-
sonders berücksichtigte Gartenland findet seine Grenzen
an der Dieburgerstrafse, an der Mauer der Fasanerie,
der Kranichstoinerstrafse und an dem Wall der Odenwald-
bahn. Über letzteren dringt der Zugangsweg, von der
Dieburgerstrafse kommend, inmitten des Baulandes ein.
Es ist dies der hohle Weg, Der Weg, der heute diesen
Namen trägt und an einfachen aber reizvollen und ge-
segneten Gärten vorbei in freies Ackerland bis an den
Baumwall der Fasanerie führt, er bleibt in meinem Plane
mit all seinen natürlichen Schönheiten erhalten und ist
stimmt, die Hauptstrafse der neuen Gartenvorstadt zu worden.

Die ersten Menschen, welche diese Spur in das Land
getreten, die mit dem einfachen Ful'spfad eine praktische
Verbindung zwischen Stadt und Wald geschaffen haben,
diese ersten Wegebauer leitete dabei nur der richtige In-
stinkt, so kurz und bequem dorthin zu gelangen, wo eine
Bestimmun»' zu erfüllen war. Genau in der Mittelhöhe,
zwischen den Tief- und Hochlagen des Geländes, zieht
der Weg dahin. Zu beiden Seiten dieses Weges führen
andere nach den Tiefen und über die höheren Lagen nach
der Dieburgerstralse und dem Oberfeld. Nach der Fixie-
rung des Hauptweges in der neuen Anlage waren weitere
feste Punkte in den Grenzen des Geländes durch Strafsen
miteinander zu vorbinden. Feste Besitzstände, wie der
Karlshof, die Ziegeleranlagen an der Kranichstoinerstrafse
mufsten umgangen, die bestehenden Villen, das Restaurant
am heiligen Kreuzberg, der Steinbruch mit in die Neu-
anlage gezogen werden. So führen Wogolinion von der
Dieburger- nach dor Kranichstoinerstrafse, von der äul'seren
Ringstrafse nach den Grenzen der Fasanerie. In dieses
Netzwerk von Linien brachte das feste Gefüge des Bau-
blockes Ausmafs und System. In anderer Art worden
die konstruierenden Bestandteile eines Baublockes in-
mitten einer Gartenstadt gebildet sein als solche, dio den
Forderungen dor Stadtzentren entsprochen sollen. Hier
wie dort ist aber nicht dio Stralse das bildende, erbauende
Element im Ausdruck dos zukünftigen Stadtbildes, sondern
der Charakter, die Art des Baublockes. Dieser Charakter,
wie oi' sich aus den Erfüllungsbodingungen einer Garten-
stadt ergibt, wird durch ein besonderes Überwiegen der
Natur, also des Gartons gegenüber dorn Hauso näher
präzisiert. Dio Anzahl der aneinandergereihten Bau-
parzellen in einem Baublock wird eine zweckmäfsige Norm
nicht überschreiton, die Ausmafse dieser einzelnen Bau-
gründe sich in ortsüblichen Zahlen bewegen. So sind bei
Gruppen, die durch das Reihenhaus gebildet werden, 450
Quadratmeter Grundfläche als Minimum vorgesehen, das
sich bei/freistehenden Häusern bis zu 1000 Quadratmetern
erweitert. In sichtbare, das Stadtbild stark beeinflussende
Erscheinung tritt nun innerhalb des Baublocks das Haus,
sowie die' Stellung mehrerer solcher Häuser zueinander-
Grundsätzlich war darauf gesehen worden, dal's ein Haus
das andere in seiner Wirkung unterstützen soll und diese

Unterstützung in der Gesamterscheinung ruhige und grol's-
zügige Bilder ergebe. — Hier ein Nutzgarten vor dem
Hause, dort ein gleicher hinter dem einfachen Bau; hier
ein kleines Sommerhaus in der Flucht der Stralse, dort
ein ganzes Haus als freies Eck am Platzrand aufgestellt.
Uberall eine wechselseitige Arbeit, die an alle konstru-
ierenden Details der zukünftigen Schönheit denkt, die vom
Garten nach der Strafse zu und wieder von der Strafso
zurück nach dem Baublock zu bildet und erschafft. So
bestimmten sich die Umrifslinion des Baublocks und damit
auch die Fluchtlinie dor anliegenden Strafsen. Dal's bei
solcher Arbeit, die das Hauptgewicht auf eine gründliche
Bearbeitung des Baublockes legt, auch anders geartete
Baublockgrenzen entstehen können, worden Ihnen, meine
Herren, die Linien des Bebauungsplanes genau zeigen.
Der alte, sonst übliche Wog, Stadtpläne zu zeichnen, ist
damit verlassen worden. Man hatte gerne aus Bequemlichkeit
vergessen, dafs die Strafse des Baublocks wegen da ist,
und nicht der Baublock der Stralse wegen. Selten sind
die Strafsenseiton zueinander parallel; immer erweitern
oder verengern sich dieselben, je nachdem es der Zweck
oder das folgende Schaubild, dem man entgegenschreitet,
verlangt. Sowohl dio langen, geraden, als auch die
breiten, sehr beliebten kurvenartigon Wegetracoen haben
mit diesen Grundsätzen ihre dogmatische Wirkung eingebüfst.
Nicht der rein ästhetische Grund, weil die geraden Strafsen
langweilig sein sollen, die kurvenartige, eigenartige, ein-
gebildete Reize erschaffen, war bestimmend, sondern einzig
und allein die Absicht, dem Baublock eine untergeordnete,
weil von diesem erschaffene, Platzvorlage als Zugangsweg
anzugliedern. Je mehr Akzente und Gliederungen im
Baublock, desto mehr Akzente und Gliederungen im
Stral'senzuge.

Der Mal'sstab der kloinen einfachen Wohnhäuser mit
den traulichen Giebeln und hohen Dächern, die Entfernung
derselben voneinander beoinflulst wieder rückwirkend
die Ausmafse für die Strafsenlängen. Es wäre z. B.
widersinnig, am Ende einer kilometerlangen, geraden
Strafse den Giebel eines solchen kleinen Hauses als Ab-
schluls vorzufinden. In kurzen Intervallen brechen sich
dio Strafsenzüge, um auf Baum- und Hausgruppen, auf
Brunnen- oder Ruheplätze zu führen. Ein Verschieben
der Strafsenenden gegeneiandor, ohne jedoch dem Ver-
kehre, selbst für dio Schnelligkeit des Automobils hinder-
lich zu sein, bildet dann immer von neuem geschlossene
Einheiten an den Strafsenkreuzungen. Wie richtige
Interpunktionen in der Rede, sind dann im weiteren Laufe
dor Stralse die alten Baumbestände, dio vorspringenden
Häuser, grofse, geschlossene Blumengärten und ab-
zweigende Wege verteilt, dio wieder zu schlichten Bildern
führen. Dann als ein Ruhepunkt im Herzen der ge-
samten zukünftigen Anlage -liegt der Marktplatz. Dort,
hinter dem Lindenbaume, lugt das Haus des Bäckers
mit seinem Laden hervor, nebeneinander liegen der
Schlosser und 'fischler, der Metzger und Fischhändler,
der Papier- und Gurtlerladen. Seitlich des Neptunbrunnens
steht das breite Haus des Kaufmanns, das gröfste am
Platze, dann wieder ladet ein lustiges Schild zum Eintritt
 
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