Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Gartenkunst — 8.1906

DOI Artikel:
Müller, Albert: Natur und Kunst im Gartenbau
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.22778#0126

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
VIII, 6 DIE GARTENKUNST 115

und Schumiinnscher Musik, der architektonische Garten
aber mit einem Armeemarsch oder Walzer verglichen.

Als ob die Musik von Beethoven und Schumann Natur-
nachahmung wie der Landschaftsgarten sei, etwa im
Sinne der Yogelstimmcnimitation, als ob diese Kunstwerke
nicht musikalische Konstruktion und Gesetzmäfsigkeit
zeigten.'*)

Zwar der betreffende Redner spricht von seinem Garten
nicht als von einer Naturnachahmung, er nennt es „die
Wesensziige der Landschaft wieder in Erscheinung treten
zu lassen" und fahrt dann in einem Zuge fort: „Wenn ich
Schwertlilien und Wasser- oder Sumpfpflanzen zur Ver-
wendung bringen will, so lege ich nicht einen Graben an
in Form eines Beetes (wie Lichtwark verlangt), sondern an
tiefster Stelle des Gartens einen Tümpel, und um diesen
gruppiere ich die Gewächse, die mir meine Naturbeobachtung
als dorthin gehörig gezeigt hat, in einer Zusammenstellung,
wie sie der Wirklichkeit draufsen entspricht."

Ist das etwa nicht Naturnachahmung'] Warum soll
nicht offen gezeigt werden, dafs hier die ordnende Menschen-
hand im Spiele war'' Warum sollen die Blumen in form-
losen Gruppen im Garten zerstreut werden? Liegt es nicht
im Interesse des Gärtners selbst, der mit soviel Pleifs auf
Züchtung edler Gattungen bedacht ist, diese in einheit-
licher stilistischer Masse dem Beschauer eindringlich
vorzuführen gleich einem geschliffenen Kristall in würdiger
Passung.

Noch mehr als bei dem Park und dem Hausgarten
springen die Schwächen, die der Naturalismus zeigt, bei
dem Vorgarten ins Auge, diesem Zwittergebilde im mo-
dernen Städteplan. Zwischen Architekturmassen, Gitter-
werk, Trottoirkanten und Strafsenpflasterung eingekeilt,

*) Es wird hier Bezug genommen auf meinen Darmstädter
Vortrag. Ich habe in demselben von der Formenfülle und
Formenschönheit des Pflanzenmaterials gesprochen, dessen
eigenartige Schönheit und Grazie unter dem Zwange architek-
tonischer Geset/.märsigkeit niemals voll zur Geltung gebracht
werden könne. Ich habe dann wörtlich gesagt: „Und wenn
mir jemand kommt und sagt: Ja, Ihr landschaftlicher Garten
mag sehr schön und reizvoll sein, mir ist aber die klare Linien-
führung und übersichtliche Ordnung im architektonischen
Garten sympathischer, dem möchte ich antworten: Nun dann
wird es Ihnen mit der Musik ähnlich ergehen und ein Marsch
aus dem Armeealbum oder ein Straulsscher Walzer, deren
Rhythmus und Melodiengefüge leichter zu erfassen sind, Ihren
Geschmack näher liegen, wie ein Schumann oder gar ein
Beethoven." Ich wundere mich, wie man meine Worte so
falsch verstehen kann, dafs man denkt, ich habe bei der Heran-
ziehung von Beethoven und Schumann an naturalistische
Nachahmungen von Vogelgezwitscher und dergleichen gedacht.
Ich habe keinen Vergleich zwischen architektonischen und land-
schaftlichen Gärten einerseits und Armeemarsch bezw. Walzer
und Beethoven-Schumann andererseits angestellt, sondern ich
wollte die Verständnislosigkeit gegenüber den Schönheiten, die
in der zwanglosen Linienführung und Gruppierung einer guten
sogenannten landschaftlichen Gartenanlage stecken können, ver-
gleichen mit dem Verständnis, das wohl zur Würdigung eines
Armeemarsches ausreicht, aber einem Beethoven oder Schumann
gegenüber versagt. Heicke.

drängt alles auf architektonische Gestaltung dieses Pieck-
chens Erde.

Es legt beredtes Zeugnis ab von dem Mangel allen
Stilgefühls, dafs auch hier versucht wird, Naturgebilde, wie
Täler und Höhen etc., vorzutäuschen. Wie manches Bau-
werk würde viel monumentaler erscheinen, wenn dieses
vor dem Gebäude liegende, für den Vorgarten bestimmte
kostbare Stück Bauland stilistisch ausgestaltet würde
durch terrassenförmige Anlagen mit architektonisch ge-
ordneter Bepflanzung. Während man jetzt das peinliche
Gefühl hat, als sei einer jener Orte willkürlich bepflanzt,
wo früher ein Schild mit der Aufschrift „Hier kann
Schutt abgeladen werden" stand. Wie erzieherisch
würde gerade hier eine vorbildliche gesetzmäfsige Gestal-
tung sein, weil da die Gründe der Gesetzmäfsigkeit für
jeden, der nur sehen will, so klar vor Augen liegen.

Mit Unrecht wird aber der Gartenkünstler für den
Vorgarten verantwortlich gemacht. Ich bin im Gegenteile
überzeugt, dafs vieles besser sein würde, wenn bei Pest-
legung der städtischen Bebauungspläne der Gartenfachmann
gehört würde. Man dürfte dann wahrscheinlich doch nicht
so oft finden, dafs ganze Reihen von Vorgärten vorge-
schrieben werden, deren Lage niemals eine gedeihliche
Entwickelung des Pflanzenwuchses zulassen, weil kein
Sonnenstrahl hineinfallen kann.

Mein Weg führt mich oft durch eine solche Vorgarten-
strafse, diese Gartenplätze erscheinen mir immer als ein
Gräberfeld mit einer Unzahl Umfassungssteinpfosten gleich
Leichensteinen mit protzenhaften Eiseneinfriedigungen, aber
dahinter Staubwinkel und Moderduft. Es riecht nach
Blumenleichen und man wird traurig gestimmt.
Ab und zu findet sich ein frischer Mieter und junger
Anfänger und Idealist, der mit Eifer zu graben und zu
pflanzen beginnt. Bald aber gibt er das fruchtlose Bemühen
auf, und das Plätzchen liegt brach wie die anderen da-
neben.

Selbst bei Vorgartenstrafsen mit besserer Lage sind
die Bedingungen für das Wachstum der Pflanze auf der
einen Seite des Strafsenzuges, wie jeder von Ihnen weifs.
günstiger als auf der anderen. Wieviel richtiger wäre es nun.
den Vorgartenstroifon auf der oinenSeite der Häuserfront weg-
zulassen und dafür den der anderen besser gelogenenProntum
soviel zu verbreitern. Die Besitzer dieser Vorgärten würden
mit gröfserem Interesse die Pflege des ausgedehnteren
Platzes übernehmen, wo es sich wenigstens der Mühe lohnt.
Die Bewohner der vorgartenlosen Häuser würden, wenn
auch nur als Beschauer, Genufs und Freude an der gegen-
überliegenden, gut entwickelten Gartenreihe haben. Auf
alle Fälle aber würde ein erfreulicheres Strafsenbild Zu-
standekommen. Besonders aber dann, wenn trotz aller
Individualisierung des einzelnen Gartens eine, der Archi-
tekturmasse entsprechende Archit ektu rgartonanläge
keine Disharmonie mehr in das tektonische Gefüge des
Strafsenzuges bringt.

Es tut not, dafs in diesen Dingen Wandel geschaffen
werde, darum möchte ich Ihnen, meine Herren, nochmals
zurufen: Befolgen Sie den Rat aller mit der Gartenkunst
 
Annotationen