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Die Gartenkunst — 14.1912

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Heicke, C.: Die deutsche Naturschutzparkbewegung
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XIV, 5

DIE GARTENKUNST.

67

werben, die noch ihre charakteristische Eigenart be-
wahrt haben. In ihnen soll die Natur in ihrem urwüch-
sigen Zustande erhalten und den von der Gefahr des
Aussterbens bedrohten Tier- und Pflanzenarten eine
sichere Zufluchtsstätte geboten werden. Wenn der be-
absichtigte Zweck erreicht werden soll, dann kann es
sich nicht um kleine Flächen von einigen Hektaren oder
Quadratkilometern handeln wie bisher, sondern es muß
die Sicherung ausgedehnter Gebiete angestrebt werden,
deren Erwerbung bei der schon weit vorgeschrittenen
dichten Besiedelung Deutschlands und Österreichs und
dem sich daraus ergebenden hohen Bodenwerte nur
unter Aufwendung erheblicher Mittel durchgeführt wer-
den kann. Es begegneten daher die Absichten des
Vereins Naturschutzpark, der auf Betreiben des Dr. R.
Floericke und unter opferwilliger und uneigennütziger
Mitwirkung des „Kosmos'“, Gesellschaft der Naturfreunde
in Stuttgart, gemeinsam mit dem Dürerbund und dem
Österreichischen Reichsverband für Vogelkunde und
Vogelschutz am 23. Oktober 1909 in München gegrün-
det wurde, bei aller freudigen Zustimmung, die ihnen
in weiten Kreisen entgegengebracht wurde, doch auch
lebhaften Zweifeln hinsichtlich ihrer Durchführbarkeit.

Aber die Zweifler sollten Unrecht behalten. Nach
der Gründungsversammlung in München, auf der zahl-
reiche Träger angesehener Namen und viele Vertreter
großer und einflußreicher Vereine aus allen Teilen
Deutschlands und Österreichs anwesend waren, fanden
im Anfänge des Jahres 19IO Besprechungen und Sit-
zungen in Wien und Stuttgart statt, bei denen die Or-
ganisation und alle Einzelheiten einer großzügigen Werbe-
tätigkeit festgesetzt wurden. Im Herbst desselben Jahres
wurde die erste Jahresversammlung in Stuttgart ab-
gehalten, und vor einigen Wochen tagten die Aus-
schüsse und die Mitgliederversammlung am 28. und 29.
Oktober 1911 in Frankfurt a. M.

Hier konnte der erste Vorsitzende, Herr Gutsbe-
sitzer Erwin Bubeck, und seine Mitarbeiter über die
außerordentlich günstige Entwickelung des Vereins und
seiner Tätigkeit berichten*). Die Mitgliederzahl hat in
dem zweijährigen Bestehen schon den Stand von 12000,
darunter der König vonWürttemberg und zahlreiche andere
Fürstlichkeiten und über 440 korporativ beigetretene
Vereine mit etwa 400000 Mitgliedern, erreicht. An Mit-
gliederbeiträgen (Mindestbeitrag 2 Mark) gingen in dem
abgelaufenen Geschäftsjahre 124000Mark ein, einschließ-
lich der von zahlreichen städtischen Verwaltungen in
Deutschland und Österreich gewährten namhaften Bei-
träge. Dazu kommt der Ertrag einer anfänglich abge-
lehnten, dann aber nach einem vom Landrat Ecker dem
Kaiser gelegentlich der Elbregatta gehaltenen Vortrag
für Preußen genehmigten Lotterie, deren erste Serie

*1 Der Jahresbericht über das II. Geschäftsjahr wird von
der Geschäftsstelle des Vereins (Pfizerstr. 5, Stuttgart) zuge-
schickt. Daselbst ist auch die Schrift „Naturschutzparke in
Deutschland und Österreich“, welche über die Ziele der Natur-
schutzbewegung ausführliche Mitteilungen enthält und mit vielen
Abbildungen ausgestattet ist, gegen Einsendung des Preises
von 1 Mark zu erhalten.

dem Vereinsvermögen einen Zuwachs von 460000 Mark
brachte und deren zweite und dritte Serie voraussicht-
lich eine weitere Reineinnahme von 1 Million Mark
bringen werden.

Bereits auf der ersten Jahresversammlung in Stutt-
gart waren die Richtlinien für die Vorarbeiten zur
Gründung der beiden ersten in Aussicht genommenen
Naturschutzgebiete, eines in der Lüneburger Heide
und eines im Alpengebiet auf österreichischem Boden,
festgestellt worden, und es konnte bei dem günstigen
Stand der Vermögensverhältnisse an deren Verwirk-
lichung herangetreten werden. In der Lüneburger
Heide wurde der schönste Punkt, der Wilseder Berg
und der angrenzende Totengrund, beide von hervor-
ragender landschaftlicher Schönheit, erworben. Der
Verein besitzt dort bereits ein Gebiet von rund ^Qua-
dratkilometer Umfang. Verhandlungen mit der preußi-
schen Regierung über die Angliederung von Forsten aus
dem Besitz des Staates und der kgl. Klosterkammer in
Hannover zur Erweiterung des Schutzgebietes sind zu
einem günstigen Abschluß gelangt.

Es darf danach der Naturschutzpark in der Lüne-
burger Heide als gesichert angesehen werden; er wird
noch durch weitere Ankäufe ergänzt und erhält eine
wesentliche Bereicherung dadurch, daß es gelungen ist,
mit den Besitzern dreier sein Gebiet berührender Ort-
schaften Verträge abzuschließen, nach denen sie sich
verpflichtet haben, ihre Wirtschaftsbetriebe in der alt-
hergebrachten Weise weiterzuführen. Die Ortschaften
selbst mit ihren Strohdächern, ihren Heidschnucken-
herden und ihrer Bienenwirtschaft werden als cha-
rakteristische Denkmäler altniedersächsischer Kultur be-
stehen bleiben.

Für einen Naturschutzpark im Alpengebiet ist
ein Bezirk in den steirischen Bergen in Aussicht ge-
nommen. Die darauf bezüglichen Verhandlungen, die
wahrscheinlich zu einer Pachtung auf ausreichend lange
Zeit führen dürften, sind schon soweit fortgeschritten,
daß der endgültige Abschluß bald erwartet werden
kann*). Am schwierigsten liegen die Umstände für die
Gründung eines Schutzgebietes in einem deutschen
Mittelgebirge. Wenn man sich die Verhältnisse im
Thüringerwald, in der Rhön, im Schwarzwald, im Harz
u. a. O. vergegenwärtigt, wo neben teilweise hochent-
wickelter Forstwirtschaft Bergwerke, landwirtschaftliche
und gewerbliche Betriebe bestehen und der Fremden-
verkehr mit all seinen Begleiterscheinungen eine bedeu-
tende Wertsteigerung des Grund und Bodens herbeige-
führt hat, Gegenden, die außerdem durch Bahnlinien und
andere Verkehrsmittel bis in die entlegeneren Teile
aufgeschlossen sind, dann wird man verstehen, daß die
Auswahl und Sicherung eines geeigneten Gebietes für
den dritten Naturschutzpark nicht leicht ist. Immerhin
hofft der Verein, auch diesen Teil seiner Aufgabe zu
lösen und vielleicht im bayrischen Wald zur Gründung
eines Naturschutzparkes schreiten zu können.

*) Der Abschluß ist inzwischen, wie uns mitgeteilt wird,
erfolgt.
 
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