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Geymüller, Heinrich von; Geymüller, Heinrich von [Contr.]
Die Baukunst der Renaissance in Frankreich (Heft 2): Struktive und ästhetische Stilrichtungen, Kirchliche Baukunst — Stuttgart: Bergsträsser, 1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.67518#0162
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480

66o.
Ste.-Clothilde,
aux
Andelys.

nungen (eine jonische und zwei korinthische) vor dem Mittelschiff hat, während
vor den Seitenschiffen über dem Erdgeschoss zwei heile Halbgiebel bloss von einem
kleinen (Zeigenden Gesims begrenzt, zum Gesims der zweiten Ordnung des Mittel-
baues führen. Diese Halbgiebel sind ganz glatt; nur ein Rundfenster mit quadra-
tischem Rahmen, Segmentgiebel und Seitenconsolen Rechen davon ab, so zu sagen
als Bekrönung der unteren Travee, in welcher die Seitenschiffsthüren sind. Ueber
diesen Halbgiebeln, in deren Flucht und äusserer Hälfte erheben sich Strebepseiler
bis zur halben Höhe der oberen Ordnung, mit Segmentgiebeln abgeschlossen, mit
Nische und Guirlandenfries verziert. Von ihnen steigt ein* Strebebogen, mit kleiner
Arcatur, bekrönt bis zur Mitte der Höhe der dritten Ordnung hinauf.
Durch die Gliederung des Mittelichiffs mit ihren zwei Seiten- und der etwa doppelt so breiten
Mitteltravee gehört dasselbe zur Gruppe jener thorthurmartigen Compositionen, die man in den Fig. 315
bis 317 finden wird. Nur dass, wie in Ecouen und Anet, in den Seitentraveen die Säulenpaare durch
ein durchgehendes Gebälk verbunden sind , in Auxerre jede Säule ihr verkröpftes Gebälk hat. Dadurch
entliehen vier durchgehende Strebepfeiler, jeder aus drei 3/4-Säulen übereinander, deren Aufbau durch
die Ausladungen der Piedestale, Kapitelle und Gebälke reich belebt wird. Eine reich durchbrochene,
gerade durchgehende Balustrade schliesst das dritte Geschoss ab, und über demselben bekrönt ein giebel-
artiger Aufbau die Fagade und verdeckt das Dach. Er beliebt aus einem Rundfenster in einer Attika
mit Spitzgiebel in der Breite der unteren Mitteltravee und reichen Seitenconsolen, Vasen u. s. w. seitwärts
über den schmalen Traveen.
Die Ordnungen sind cannelirt und so lireng behandelt, dass man sie falt in die Zeit von 1550
setzen möchte, liatt 1623. In den Seitentraveen sleht man drei Nischen mit S-Giebeln, Segment- und Spitz-
giebeln. In der Mitteltravee sind: unten das Rundbogenthor, im ersten Stock ein Spitzbogenfenller mit
dreitheiligem Masswerk, im zweiten Stock ein Rundbogenfenster mit ähnlichem Masswerk.
Die Engel, welche in den Bogenzwickeln sitzen, zeigen dagegen von Stockwerk zu Stockwerk den
Louis AVZZ.-Charakter in ausgesprochener Weise, so dass das Datum von 1623 den Beginn, das von 1653
den Abschluss des Baues bezeichnen kann. Die jonischen Pilasler der Seitenschiffe gehören einer etwas
höheren Ordnung an als die des Mittelschiffs und haben, so wie die Seitenthüren, Fensternischen und
Guirlanden, den Charakter der Zeit Ph. de l’Ormds.
Diese P'agade bietet einen ganz besonderen Reiz. Das glückliche Relief und
der stolz durchgehende Aufbau der drei Säulenordnungen verleiht der Composition
das Vornehmdecorative der Hoch-Renaissance, belebt einerseits durch halbgothische
Reminiscenzen, an passender, wenn auch untergeordneter Stelle, malerisch ab-
geschlossen andererseits durch das kräftige Relief und die bekrönenden Vasen des
gut gegliederten und abgestuften Giebelbaues.
4) Sonstige Kirchen-Fagaden.
Hier muss die schöne, gutbehandelte Vorhalle an der rechten nördlichen Seiten-
Fagade der Kirche von Livilliers erwähnt werden, die wie eine kleine Capelle vor-
springt. Zwei Säulen vor Pilastern mit dorischem Gebälk und Blattkapitellen, in der
Art jener am Thurm der Winde zu Athen, rahmen das zurückliegende Rundbogen-
thor zwischen zwei Nischen mit Segmentgiebeln ein. An den Seitenfagaden slehen je
zwei Strebepfeiler als Pilasler mit verkröpftem Gebälk gebildet, um den Schub des casiet-
tirten Tonnengewölbes aufzunähmen, welches zu beiden Seiten auf einer Consolenreihe
vorspringt. Der Bau scheint aus der Zeit von Jean Goujoris Altar der Schlosscapelle
zu Ecouen oder des Portals von Anet zu sein (siehe Fig. 187 u. 108).
An der Kreuzschiff-Fagade der Kirche Ste.-Clothilde im Grand-Andelys(Fig. 163 1021)
im Stile der Hoch-Renaissance bleibt die Composition die der französischen Kirchen

1021) Facs.-Repr. nach: Roüyer, E. u. A. DarCel, a. a. O., Bd. I, BI. 28.
 
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