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Geymüller, Heinrich von; Geymüller, Heinrich von [Contr.]
Die Baukunst der Renaissance in Frankreich (Heft 2): Struktive und ästhetische Stilrichtungen, Kirchliche Baukunst — Stuttgart: Bergsträsser, 1901

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.67518#0171
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489

Einiges über den Ursprung dieser Formen in Italien sei hier gesagt, einerseits um den Zusammen-
hang der französischen Fagaden mit denselben verständlicher zu machen und andererseits auch um die
originellen Züge, die sie bewahren, klarer erscheinen zu lassen.
Bei dem fast gänzlichen Mangel an ausgeführten Kirchenfagaden der Hoch-
Renaissance in Italien und besonders in Toscana ist es nöthig, diesen Zusammenhang
zu zeigen und daran zu erinnern, dass, obgleich keine Veranlassung zum Bauen vor-
handen war, die Stilentwickelung in den Ideen der Architekten ihren logischen

680.
Entwickelung
dieses Typus
in
Italien.

Fortgang nahm. Der Beweis hierfür ist in den unausgeführten Entwürfen vorhanden.
Ebenso blieb, trotz des Mangels an Ausführungen, der jeweils herrschende Ideen-

kreis und die Geschmacksrichtung der
tonangebenden italienischen Meister
den in Italien sich aufhaltenden frem-
den Architekten nicht unbekannt und
galt für sie jeweils als die damalige
» Haute Nouveautei.
Wir haben zum besseren Verständniss in
Fig.164103’’) eine italienische Composition wieder-
gegeben, welche helfen wird, den Entwickelungs-
gang dieser Fagaden-Richtung besonders klar
zu zeigen. Es ist der Entwurf des jüngeren
Antonio da Sangallo für die Kirche San Gio-
vanni dei Fiorentini in Rom, die allerdings
nicht zur Ausführung gelangte. Wenn man
diese Composition mit anderen Entwürfen des-
selben Meisters für St.-Peter in Rom vergleicht,
sieht man deutlich, wie die Entwickelung dieses
Typus schon an St.-Peter im Wesentlichen um
1520 stattgefunden hatte 1035 1036 1037).
Man braucht nur an einer St.-Peter-
Fagade, wie die aus der Umgebung oder der
Schule Raffael'?, slammenden, die wir Bl. 42,
Fig. 1, gegeben haben, die Thürme fortzulassen,
so ist die Gliederung und der Aufbau dieses
Typus fertig da.
Um alles zusammenzufassen, kann
man sagen: es ist die mehr oder
weniger glückliche Uebertragung der
kräftigeren Gliederungsformen mittels der rhythmischen Travee, der Halbsäulen,
Pilaster und Nischen, die Bramante in seinen St.-Peter-Entwürfen entwickelte, auf
das Gesammtmotiv, welches L. B. Alberti an der Fagade von S. Maria Novella zu
Florenz aufgestellt hatte. Diese Kirche und die Concurrenzentwürfe des Giuliano
da Sangallo und Michelangelo von 1516 für die Fagade von San Lorenzo zu
Florenz 103 7) sind der erste Wiederhall des gewaltigen Eindrucks, den die Gliede-
rungen Bramante's in seinen Entwürfen und Modellen für St.-Peter in Italien
hervorriefen.
Die Gliederung des Erdgeschosses mittels eines durchgehenden Gebälks und eines Giebels in der
Mittelpartie, mit Rundbogen um die Thür darunter, zurückliegender Seitenpartie und vortretenden Ecken,


1035) Facs.-Repr. nach der Originalzeichnung Antonio da Sangallo' s d. % bereits in unteren „Urspriingliclien Ent-
würfen für St.-Peter in Rom" a. a. O. mitgetheilt. BI. 42, Fig. 2.
1036) Siehe ebendas, Bl. 41, Fig. 1 und Bl. 42, Fig. 1 u. 2.
1037) Wir haben sie sämmtlich abgebildet in den Monographien beider Meister in: Architektur der Renaisfance in
'Toscana etc. a. a. O.
 
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