512
705-
Einleitendes.
706.
Notre-Davie
zu
Verfailles.
707.
St.-Sulpice
zu
Paris.
Am Noviciat der Jesuiten war der Rhythmus der Gliederung klar, gut und
streng gedacht, wenn auch ohne irgend etwas Neues; aber die Verhältnisse, in welchen
alles das gegeben wurde, waren eher schwer; besonders die Seitenconsolen, das
Mittelfenster und die Cartouche im Giebelfeld. Dagegen möchte die jonische Pilaster-
Ordnung im Verhältniss zur dorischen zu klein gewesen sein.
Im Charakter ihrer Detaillirung reihen sie sich der strengen Richtung Palladids
würdig an. Sie vermeiden auch die Mängel einer Anzahl italienischer Baroccofa^aden,
an welchen die Detailbehandlung das Aussterben jedes individuellen religiösen und
künstlerischen Gefühls offenbart und diesen Mangel durch die Frechheit inhaltloser
Formenexercitien zu verbergen sucht, die für jede edle künstlerische Empfindung
ebenso beleidigend als trostlos sind.
Immerhin giebt es auch unter den Barockfagaden in Italien hie und da einige,
die man schliesslich doch den kälteren französischen vorziehen wird, da sie entweder
einen grossartigeren Zug in den Massen und deren Gliederung entfalten, oder aber
in letzterer ein grösseres belebteres Relief und eine bessere schärfere Profilirung
zeigen, wie z. B. Crespi's Fagade von S. Paolo oder Pellegrini’s von 5. Fedele,
beide zu Mailand, oder auch luvarcts Fagade von S. Criftina (1718) in Turin mit
dem malerischen Relief ihrer Gliederung, den erfreuenden Verhältnissen und den
reichbelebten Bekrönungen.
2) Fahnden mit Thür men.
Wir hatten bereits Gelegenheit, zu sehen, dass in der ersten Periode der Re-
naislance gothische Thürme ausgebaut, andere, wie in Gisors, begonnen wurden.
Auch in der zweiten Periode der Renaissance, 1610—1745, scheint das gothische
Ideal einer Front mit zwei Thürmen dasjenige der Architekten für grössere Kirchen
und Kathedralen geblieben zu sein.
Die von Bernini begonnene Ausschmückung der Fagade von St.-Peter zu Rom
mittels zwei Thürmen kam ausserdem dieser Richtung in Frankreich noch zu Hilfe.
Von Notre-Dame zu Versailles (1684—86) geschah bereits die nöthige Er-
wähnung1082). Dass hier die freien Säulen bloss vor dem Mittelbau slehen, an den
Thürmen aber nur Pilaster sind, macht sich gut. Sie sind weit gekuppelt, mit paarweise
verkröpftem Gebälk. Im oberen Geschoss ish letzteres und ihr Giebel gerade durch-
geführt. Dies Alles, sowie das Vortreten der Thürme an den Ecken der Fa^ade,
das noch stärkere Vortreten des Mittelbaues sind lauter gute Elemente, y. H. Man-
fard hatte offenbar Besseres mit ihr beabsichtigt, als die Mittel gestatteten. Der
kümmerliche Oberbau der Thürme slört sehr 10 83).
Das Project Meifsonnier s (1726) für die Fa^ade von St.-Sulpice wurde wegen
des Typus, dem sie angehört, bereits beschrieben (slehe Art. 702, S. 5°9)- Wir
haben jedoch ihre Darstellung in Fig. 172 neben Fig. 173 gesleht, damit man
durch den Vergleich zweier fall gleichzeitig für denselben Bau entstandener Fatjaden
den Unterschied in den damals herrschenden Strömungen besser erfaßen könne.
Unsere Fig. 173 1084) zeigt die in der Concurrenz von 1732 preisgekrönte Fatjade
für St.-Sulpice, wie sie von Servandony 1085) entworfen und bis auf die Thürme aus-
1082J Siehe Art. 307, S. 243.
1083) Dieser Typus mit kümmerlichen, ungenügenden Thürmen findet sich auch um diese Zeit in Italien an der Kathe-
drale von Frascati (1700 fertig) und in Neapel an S. Filippo Neri.
1084) Facs.-Repr. nach: Blondel, J. Fr. Architecture franQaife, a. a. O., Bd. II, Fol. 168.
1085) Siehe Art. 439, S. 327.
705-
Einleitendes.
706.
Notre-Davie
zu
Verfailles.
707.
St.-Sulpice
zu
Paris.
Am Noviciat der Jesuiten war der Rhythmus der Gliederung klar, gut und
streng gedacht, wenn auch ohne irgend etwas Neues; aber die Verhältnisse, in welchen
alles das gegeben wurde, waren eher schwer; besonders die Seitenconsolen, das
Mittelfenster und die Cartouche im Giebelfeld. Dagegen möchte die jonische Pilaster-
Ordnung im Verhältniss zur dorischen zu klein gewesen sein.
Im Charakter ihrer Detaillirung reihen sie sich der strengen Richtung Palladids
würdig an. Sie vermeiden auch die Mängel einer Anzahl italienischer Baroccofa^aden,
an welchen die Detailbehandlung das Aussterben jedes individuellen religiösen und
künstlerischen Gefühls offenbart und diesen Mangel durch die Frechheit inhaltloser
Formenexercitien zu verbergen sucht, die für jede edle künstlerische Empfindung
ebenso beleidigend als trostlos sind.
Immerhin giebt es auch unter den Barockfagaden in Italien hie und da einige,
die man schliesslich doch den kälteren französischen vorziehen wird, da sie entweder
einen grossartigeren Zug in den Massen und deren Gliederung entfalten, oder aber
in letzterer ein grösseres belebteres Relief und eine bessere schärfere Profilirung
zeigen, wie z. B. Crespi's Fagade von S. Paolo oder Pellegrini’s von 5. Fedele,
beide zu Mailand, oder auch luvarcts Fagade von S. Criftina (1718) in Turin mit
dem malerischen Relief ihrer Gliederung, den erfreuenden Verhältnissen und den
reichbelebten Bekrönungen.
2) Fahnden mit Thür men.
Wir hatten bereits Gelegenheit, zu sehen, dass in der ersten Periode der Re-
naislance gothische Thürme ausgebaut, andere, wie in Gisors, begonnen wurden.
Auch in der zweiten Periode der Renaissance, 1610—1745, scheint das gothische
Ideal einer Front mit zwei Thürmen dasjenige der Architekten für grössere Kirchen
und Kathedralen geblieben zu sein.
Die von Bernini begonnene Ausschmückung der Fagade von St.-Peter zu Rom
mittels zwei Thürmen kam ausserdem dieser Richtung in Frankreich noch zu Hilfe.
Von Notre-Dame zu Versailles (1684—86) geschah bereits die nöthige Er-
wähnung1082). Dass hier die freien Säulen bloss vor dem Mittelbau slehen, an den
Thürmen aber nur Pilaster sind, macht sich gut. Sie sind weit gekuppelt, mit paarweise
verkröpftem Gebälk. Im oberen Geschoss ish letzteres und ihr Giebel gerade durch-
geführt. Dies Alles, sowie das Vortreten der Thürme an den Ecken der Fa^ade,
das noch stärkere Vortreten des Mittelbaues sind lauter gute Elemente, y. H. Man-
fard hatte offenbar Besseres mit ihr beabsichtigt, als die Mittel gestatteten. Der
kümmerliche Oberbau der Thürme slört sehr 10 83).
Das Project Meifsonnier s (1726) für die Fa^ade von St.-Sulpice wurde wegen
des Typus, dem sie angehört, bereits beschrieben (slehe Art. 702, S. 5°9)- Wir
haben jedoch ihre Darstellung in Fig. 172 neben Fig. 173 gesleht, damit man
durch den Vergleich zweier fall gleichzeitig für denselben Bau entstandener Fatjaden
den Unterschied in den damals herrschenden Strömungen besser erfaßen könne.
Unsere Fig. 173 1084) zeigt die in der Concurrenz von 1732 preisgekrönte Fatjade
für St.-Sulpice, wie sie von Servandony 1085) entworfen und bis auf die Thürme aus-
1082J Siehe Art. 307, S. 243.
1083) Dieser Typus mit kümmerlichen, ungenügenden Thürmen findet sich auch um diese Zeit in Italien an der Kathe-
drale von Frascati (1700 fertig) und in Neapel an S. Filippo Neri.
1084) Facs.-Repr. nach: Blondel, J. Fr. Architecture franQaife, a. a. O., Bd. II, Fol. 168.
1085) Siehe Art. 439, S. 327.