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Geymüller, Heinrich von; Geymüller, Heinrich von [Contr.]
Die Baukunst der Renaissance in Frankreich (Heft 2): Struktive und ästhetische Stilrichtungen, Kirchliche Baukunst — Stuttgart: Bergsträsser, 1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.67518#0212
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Der Ausdruck gräce legere ist übrigens hier besonders unrichtig, indem die
Säulen gerade einen sehr kräftigen Eindruck machen, und an den schönen Kapitellen
und ihrem Gesims ist im Gegentheil hervorzuheben que la gräce et la delicatesse s’y
allient ä la sobriele et ä la force elegante.
In den zwischen 1520 und 1585 etwa ausgeführten Theilen lassen (ich
sieben Phasen der Bauthätigkeit leicht erkennen. Da es nöthig ist, sie genau
zu unterscheiden, bezeichnen wir sie und ihre — bis auf einen — anonymen Meister
mit den Buchstaben A, B, C, D, E auf der linken, F und G auf der rechten Seite
von der P'agade aus gerechnet.
Meister A ist Verfasser des Projects für den Umbau des Mittelschiffs und
der zwei nördlichen Seitenschifife mit ihrer Capellenreihe. Unter seiner Leitung
wurden gebaut und fertig gemeisselt (ravalef. erstens die ganze Capellenreihe, aussen
und innen, mit Ausnahme des Thors am östlichen Ende; zweitens, von der Fagade
aus, die vier ersten Säulen zwischen den beiden Seitenschiffen; drittens, im Mittel-
schifif, die vier entsprechenden ersten Kapitelle der grossen Pilasterordnung; viertens
die innere Ecke des Kreuzschiffs an obiger Ostthür anstossend.
Meister B ist Autor der fünften (letzten) Säule, schon unter der Westmauer
des Kreuzschiffs slehend, ferner der äusseren Thür am östlichen Ende der Capellen-
reihe, endlich der Kapitellgruppe der grossen Ordnung am vorderen linken Vierungs-
pfeiler.
Meister C ist derjenige Pierre Lemercier 1105), dem, laut notariellem Act des
Me. Ledru vom 25. September 1552, die Vollendung des Thurms mit seinem wunder-
lichen kuppelsörmigen Aufsatz aufgetragen wird.
Meister D, schon zur Hoch-Renaissance gehörend, ist der interessante Künstler,
welcher die architektonischen Theile des »Christusgrabes« in der Chapelle du St.-Sepulcre
erfunden und ausgeführt hat, ferner diese Capelle mit nach innen vorgesetzten
Strebepfeilern und einem Innenthor theilweise umgebaut hat.
Meister E hat das jonische Gebälk und Kapitelle in Kämpferhöhe der Seiten-
schifife am vorderen linken Vierungspfeiler angebracht.
An der rechten Hälfte der Kirche haben wir:
Meister F, der am rechten vorderen Vierungspfeiler das dem gegenüber
liegenden entsprechende untere jonische Gebälk mit seinen Kapitellen ausgeführt hat.
Meister G ist derjenige, dem wir im Wesentlichen die übrigen Theile des
rechten Seitenschififs und seiner Capellen zuschreiben.
Es ist gestattet, in der Bildung der Pfeiler zwischen den nördlichen Capellen
eine ziemliche Verwandtschaft mit Theilen der Pfeilerbildung von St.-Euftache zu
finden. Aus dem glatten Unterbau steigen Pilaster mit rautenförmigen Rahmen in
der Mitte und an beiden Enden empor, die über ihrem niedrigen Gebälk die Gurt-
bögen aufnehmen, während zu beiden Seiten, wie in Fig. 84, Dreiviertel-Säulen,
deren Kapitelle und Gebälk unterhalb der Pilasterkapitelle bleibt, die Diagonalrippen
aufnehmen.
Auch am Aeusseren der nördlichen Capellen, wo korinthisirende Pilaster mit Rautenfüllungen breite
Rundbogenfenster mit spätgothischem Masswerk trennen, kann von einer gewißen Analogie mit den
Capellen von St.-Eufiache gesprochen werden; nur haben diejenigen von St.-Maclou bessere Verhältnisse
und einen reineren, etwas vereinfachten Stil als z. B. das südliche Kreuzschiffportal von St.-Eufiache.
Aussen ist die Chapelle du St.-Sepulcre^ neben dem Thurme, ein wahres Juwel im Stil von Chambord.
1105) Siehe Palustre, L., La Renaiffance en France, a. a. O., Bd. II, S. 9, auf Grund von: Trou, l’Abbe. Re-
cherches hißoriqties, arckeologiques et biographiques Jur la ville de Pontoi/e. Pontoise 1841. S. 94.
 
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