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Geymüller, Heinrich von; Geymüller, Heinrich von [Mitarb.]
Die Baukunst der Renaissance in Frankreich (Heft 2): Struktive und ästhetische Stilrichtungen, Kirchliche Baukunst — Stuttgart: Bergsträsser, 1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.67518#0260
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578

773-
Die Gesammt-
wirkung.

774-
Mängel
der
Kuppelpfeiler.

775-
Die Pilaster-
Ordnung.

776.
Die anderen
Theile.

7) Das Innere.
Beim Eintreten ist der Eindruck von der Thür aus immerhin derjenige eines
grösseren Raumes mit schönem Tambour. Der ganze Raum wirkt licht und obgleich
wenig Gegensätze von hellen und dunkleren Theilen die Raummaßen belebend
gliedern, ist die Lichtwirkung keine schlechte. Bei der sehr bedeutenden Höhen-
wirkung der Kuppel aussen ist man etwas erstaunt, wie aus Fig. 203 ersichtlich ist,
dass die innere Höhenwirkung der Kuppel eine viel niedrigere ist1206).
Beim Eintreten wirken aber auch sofort eine Anzahl Fehler störend auf uns
ein. Die Maße der Kuppelpfeiler ist grösser als die der Oeffnungen der Kreuz-
arme. Daher springen die Kuppelbogen nicht elastisch raumöffnend empor.
Störend wirken sofort die freien Säulen, die zu zweien an jedem Kuppelpfeiler
vorstehen. Sie slehen im Wege, da sie ganz unnütz erscheinen und nur ihr eigenes
Gebälk, welches nichts stützt, tragen. Der weite Vorsprung des letzteren wirkt im
Gegensatz zur überall sonst vorkommenden Pilaster-Architektur besonders schwer.
Es verengt den Raum, schneidet in der Zone der Kämpfer und Zwickel in den-
selben ein und zerstört das einheitliche Emporwachsen. Sie bilden weder als Reihe
noch als rhythmische Gruppe einen wenigstens für sich schönen Säulenkranz wie die
Halbsäulen in den Nebenkuppeln thun, und stehen mit der Thätigkeit der Architektur-
formen zu offenbar in keinerlei Verbindung.
Sie tragen weder zum structiven Aufbau, noch zur Bildung der Form des
Raumes bei und stehen einfach »im Wege«. Ils font tout fimplement encombrants.
Ferner slört , dass dies Gebälk vorne im Grundriss kreisförmig, die Mauer dahinter aber, wie in
St.-Peter, aus drei geraden Linien gebildet ist. Sehr unangenehm gedankenlos ist die Form der Zwickel-
füllungen mit der runden Ausbauchung unten. Gar nicht kirchlich, nicht einmal monumental wirkt das
Boudoir- oder Salon-Motiv des rautenförmigen Netzes mit Lilien und Medaillons am durchgehenden Posta-
mente des Tambours.
Die hohen ssachnischenförmigen Vertiefungen an den Kuppelpfeilern unterhalb der Zwickeln, welche
die kleinen Arcaden nach den Nebenkuppeln enthalten, sind etwas kraftlos gebildet und befriedigen
nicht ganz.
Sehr schön wirkt dieselbe korinthische Ordnung an allen übrigen Stellen in
Form cannelirter Pilaster. Ihre schönen Verhältnisse und Kapitelle erinnern an die
edle Behandlung bei den Strebepfeilern der Schlosscapelle zu Versailles. Schön com-
ponirt sind die Cassettenfelder der Kuppel- und Gurtbogen.
Bei den Fenstern über dem Gebälk am Ende der Kreuzarme fühlt man an deren Form, dass sie
nicht mit der Innenform des Gesammtraumes harmonisch zusammenstimmend componirt sind. Es ist, als
ob sie die ohnedies nur angedeuteten Apsiden abschnitten. An der Innenseite der Fagade stört dieselbe
Fensterform weit weniger, weil sie in einer geraden Mauer angebracht ist. Es ist dies das Fenster, dessen
Aussenwirkung dagegen so störend ist.
Die Wirkung der runden Nebenkuppeln ist eher gut. Hier bilden die Halbsäulen einen wirklichen
runden Kranz. Hart und unvermittelt wirkt, dass die Kuppeln allein farbig decorirt sind, alles Untere
dagegen nur die kalte Steinfarbe zeigt.
1206) Der lichte Durchmesser des Tambours ist nach Go_ffet 25 m, der der unteren Kuppel 27,iom; die Gesammthöhe
von der Spitze des Kreuzes bis zum Aussenpssaster 103 m; die Aussentheile des quadratischen Unterbaues 57,eom.
 
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