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Göbel, Heinrich
Wandteppiche (III. Teil, Band 1): Die germanischen und slawischen Länder: Deutschland einschließlich Schweiz und Elsass (Mittelalter), Süddeutschland (16. bis 18. Jahrhundert) — Leipzig, 1933

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https://doi.org/10.11588/diglit.13167#0049
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Basel

hang mit denn Basler Minneteppich ist m. E. nicht zu denken; das Bruchstück des Unter-
lindenmuseums entstammt wahrscheinlich dem oberrheinisch-elsässischen Grenzgebiet.

Weit enger schließt sich der ,,Minnegarten" zu Basel einem in der gleichen Sammlung
niedergelegten Behang, dem Teppich mit Darstellungen der „Weibermacht" (Abb. 16b,
H. 0,62 m, L. 2,15 m) an. Das Material besteht aus Wolle und Leinen (für die weißen Stel-
len) ; Knüpftechnik wird ganz vereinzelt verwandt (bei der blauen Rockeinfassung der
Quintana spielenden Dame), um spiegelnden Samt vorzutäuschen. Das Gewirk ist fein
(7 Kettfäden auf den Zentimeter). Die Zeit der Entstehung fällt mit der des Minnegartens,
den Trachten und der Technik nach zu urteilen, zusammen. Die Episoden sind nicht unver-
mittelt, wie im Minnegarten, nebeneinander gesetzt, Apfel- und Birnbaum dienen als tren-
nendes Moment; Spruchbänder umrahmen, gleichsam fassend, die Figuren. Im ersten
Motiv erhebt ein Pilger in rotem, blau gefüttertem Gewand mit rotem Hut, auf dem die
Muschel des frommen Fahrers steckt, halb abwehrend die Linke, die Rechte faßt den
schweren Stock. Die Legende kündet: „eilend ■ bin • ich • den • das ■ erbarmt ■ der ■ troest ■
mich". Das Antlitz ist einer im apfelgrünen Brokatkleid prangenden Dame zugewandt, die
wenig Mitgefühl mit den Schmerzen des Ärmsten zu haben scheint: „der • weit ■ luest ■ ist •
w(u)nderlich • dorum ■ treiest (tröste) ■ dich ■ din ■ gelich" (mit deinesgleichen). Die zweite
Gruppe schildert das Quintana (Quintaine)-Spiel, eine gesellige Kurzweil, schon früh an
den Höfen des Westens eifrig geübt, die nicht eines derben Beigeschmackes entbehrt84).
Die Dame im roten, blau gesäumten (geknüpften) Gewand, sitzt auf dem Rücken eines
Burschen in Blau und hebt den linken Fuß fast wagrecht zum Stoß („ich ■ halt ■ dir •
ebbe(n) ■ noch ■ dem ■ schich" [Fuß]). Ihr Partner hebt die Arme hoch, gleichsam um Atem
zu holen und setzt das Bein zum Schwünge an: „so ■ wil • ich • recht ■ treffen ■ dich." Ein
Pärchen (der Herr in Rot, die Dame im weißgemusterten Brokatkleid mit grünen Ärmeln)
verfolgt, aneinander geschmiegt, den Ausgang des Spieles: „triff er ■ nit ■ ebben • und
vol • er • ouch ■ vallan ■ sol."

Im letzten Bilde reitet Phyllis (dunkelblaues Brokatgewand, auf dem Kopfe die Hörner-
haube) geißelschwingend auf Aristoteles (in rotem Kleide, grünen Beinlingen, rotem Barett),
die Linke zügelt den dem Munde des Weisen aufgezwungenen Zaum; der Besiegte klagt:

„mich • über • kam • eine • reine ■ meit.
d (a) z • si • mich ■ als ■ ei ■ pfert • reit":
die Schöne spottet:
„wer • schö(n)en • wibe • pflege • wil.
der • müs • in • gestaten ■ vil"

Von der ursprünglich vorhandenen vierten Gruppe (Simson und Delila) ist nur der Rest
des Spruchbandes noch vorhanden: „diner ■ list • wart . . ." Der Teppich gehört zu dem
alten Bestände des Basler Historischen Museums; er stammt wahrscheinlich aus dem 1661
von der Stadt erworbenen sogenannten Amerbachkabinett, das u. a. auch die Nachlassen-
schaft des Erasmus von Rotterdam verzeichnete, und ist wohl mit dem 1536 im Inventar
des Gelehrten genannten kleinen Behang „aucupium conjugii" (mit dem Männerfang)
identisch85). Der Entwurf zeigt enge Beziehungen zu dem Minnegartenteppich. Der Jüng-
ling des Quintanaspiels hat die gleiche Haltung und denselben Kopf (Ausdruck und
Haar) wie der etwas ungeschickte Herr vor der Dame mit dem Blütenkranz. Im übrigen
sind nur Ähnlichkeiten allgemeiner Art festzustellen, die aber immerhin den Rückschluß
ermöglichen, daß der Patronenzeichner der Weibermacht den Karton des Minnegartens,
richtiger gesagt, die ursprünglichen und umgemodelten Stichblätter kannte, also wohl am
gleichen Orte tätig war. Trotz einer Reihe verwandter technischer Züge, die auf ein und
dasselbe Wirkereizentrum (Basel) folgern lassen, entstammt der Behang der „Weiber-

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